Im Fokus: der junge Patient
Ein klares Nein komme von der Zahnärzteschaft zu einem GOZ-Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums, der sich fast ausschließlich am Bema orientiere und starre Regelungen aus dem Bereich der GKV in die privatzahnärztliche Versorgung implementiere, erklärte der BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich am 14. September 2007 in Wernigerode vor knapp 500 Zahnärzten aus Sachsen-Anhalt. Es müsse ein Feld geben, so unterstrich er, auf dem die Zahnheilkunde nach modernem Stand der Wissenschaft und präventionsorientiert ausgeübt werden könne und wo nicht die begrenzenden Prinzipien der unbedingten Wirtschaftlichkeit und ausreichenden Zweckmäßigkeit der GKV im Vordergrund stünden. „Zahnheilkunde können nur Zahnärzte“, so Oesterreich in Anspielung auf die sehr eingeschränkte Offenheit des Ministeriums für die Vorschläge der BZÄK. Deshalb könne man eine angemessene Gebührenordnung auch nicht gegen die Zahnärzte regeln.
Das Thema „Kinder- und Jugendzahnheilkunde“ lockte knapp 800 Zahnärzte und Praxismitarbeiterinnen aus Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländern. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Hans- Günter Schaller, Halle/Saale, stellten renommierte Referenten neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und aktuelle Überlegungen zur zahnmedizinischen Versorgung der jüngsten Patienten vor.
Ausgangspunkte waren dabei die erfreulichen Ergebnisse aktueller Studien zur Kariesverbreitung bei den Schulkindern, aber auch der unzureichende Sanierungsgrad von durchschnittlich 50 Prozent bei Milchzähnen, das besorgniserregende Anwachsen der Nuckelflaschenkaries (ECC Typ II) bei den Kleinkindern und das Fortschreiten der Kariespolarisation in eine kleiner werdende Gruppe von Kindern aus sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen.
Das wissenschaftliche Programm wurde von Prof. Dr. Gisela Hetzer, Dresden, eröffnet mit der Zukunftserwartung einer flächendeckenden Versorgung der Kinder und Jugendlichen auf hohem Niveau, einer verstärkten Zusammenarbeit von Zahn- und Kinderärzten und einer engagierten Aufarbeitung weißer Flecken in der Forschungslandschaft zur Kinder- und Jugendzahnheilkunde.
Im Reigen von insgesamt 15 Vorträgen und sieben Seminarveranstaltungen setzte sich Prof. Dr. Elmar Hellwig, Freiburg/B., mit der zwiespältigen Haltung des Berufverbandes der Kinderärzte zu der von ihm mitverfassten aktuellen Fluoridierungsleitlinie der DGZMK auseinander, diskutierte Prof. Dr. Roland Frankenberger, Erlangen, Vor- und Nachteile adhäsiver Restaurationstechniken im Milchgebiss und sprach sich Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Hamburg, dafür aus, Maßnahmen der chemischen Plaquekontrolle erst bei Kindern ab dem Schulalter anzuwenden. Interessiert aufgenommen wurden auch die Hinweise von Prof. Dr. Christian Splieth, Greifswald, zur noninvasiven Kariestherapie im Milchgebiss sowie die Ausführungen von Prof. Dr. Christian Hirsch, Leipzig, zur Kraniomandibulären Dysfunktion, deren Therapie im Kindesalter ausschließlich auf reversible Maßnahmen beschränkt bleiben solle. Den Brückenschlag zur pädiatrischen Profession unternahm ein Vortrag von Dr. Andrea Cseke-Friedrich, Halle/Saale, über Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter.
Im Wandel
Kammerpräsident Dr. Frank Dreihaupt, der sich sehr lobend über die rege Resonanz auf das Angebot, sich gründlicher mit der Kinderzahnheilkunde auseinanderzusetzen, geäußert hatte, war in seinen einleitenden Worten auf den tiefgreifenden Wandel eingegangen, dem die zahnärztliche Versorgung und das gesamte Gesundheitssystem in Folge der Gesundheitsreform in den nächsten Jahren unterliegen werden. Er sagte einen „Gesundheitsmarkt mit Anbietern gesundheitsbezogener Leistungen und Produkte, die um Kunden konkurrieren“ voraus und appellierte an die Zahnärzte, die Kollegialität zu erhalten und zu verstärken; denn das sei für den Berufsstand wie für den einzelnen Zahnarzt die einzige Chance.
In einem eindrucksvollen Festvortrag stellte auch Prof. Dr. Dr. Reimer Gronemeyer, Gießen, Zukunftsvisionen vor. Der Theologe und Soziologe rief Nachdenklichkeit hervor, indem er in der Gesellschaft der Gegenwart den „Imperativ immer größerer Beschleunigung“ ausmachte, eine „Verflüssigung der Innenausstattung des Menschen“, das Fehlen eines Kerns von Maximen. Die tradierten moralischen Kategorien seien den neuen Generationen offenbar nicht mehr verfügbar. All das habe dramatische Auswirkungen auf den Zustand der Gesellschaft, so dass es nötig sei, eine „Neuerfindung des Sozialen“ zu wagen. Der Aufbruch sei möglich und gar nicht so schwer, man müsse einfach nur „die Tür zum Nachbarn öffnen“.
Sabine FiedlerZahnärztekammer Sachsen-AnhaltGroße Diesdorfer Straße 16239110 Magdeburg