zm-Interview mit Dr. Dr. Weitkamp, Prof. Dr. Dr. Meyer und Dr. Fedderwitz

Politik im Zeichen des Wandels

Vom 21. bis 24. November 2007 findet in Düsseldorf der fünfte Deutsche Zahnärztetag statt. Er wird deutliche Akzente der Zahnärzteschaft zur Gesundheitspolitik setzen. Anlass für die zm, bei den Organisationsspitzen BZÄK, DGZMK und KZBV nachzuhaken und im Vorfeld über Positionen und Selbstverständnis des Berufsstandes zu sprechen. Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, Prof. Dr. Dr. Georg Meyer und Dr. Jürgen Fedderwitz standen Rede und Antwort.

 zm:Fünfter Deutscher Zahnärztetag in Düsseldorf – Herr Dr. Weitkamp, welchen Stellenwert hat das Großereignis der Deutschen Zahnärzteschaft?

Dr. Dr. Weitkamp:Man kann schon sagen: Der Deutsche Zahnärztetag ist eine machtvolle Demonstration des Berufsstandes nach innen wie nach außen geworden. Mit Veranstaltungen wie dieser untermauern wir, dass wir mit einer Zunge sprechen, im gemeinsamen Schulterschluss von Standespolitik und Wissenschaft.

Standeswie wissenschaftspolitische Aspekte verzahnen sich immer weiter, das hat die Realität gezeigt. Sie tangieren zentrale Belange des Berufsstandes, sie wirken sich aus auf Gesundheitspolitik, Wissenschaft und Praxis. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir – BZÄK, DGZMK und KZBV – unter Wahrung der Eigenständigkeit und der eigenen Aufgabenfelder gemeinsam an einem Strang ziehen. Dass dieses Konzept Erfolg hat, haben die vergangenen Zahnärztetage bereits bestens bewiesen. Impulse, die die Deutschen Zahnärztetage gesetzt haben, wirken sich aus. Und was den Nachhall in der Öffentlichkeit betrifft, sprechen die Botschaften der Zentralveranstaltung wie auch der gemeinsam mit BZÄK, DGZMK und KZBV abgehaltenen Pressekonferenz für sich. Wir werden als Berufsstand in Politik und Gesellschaft wahrgenommen.

zm:Stichwort Zusammenspiel von Standespolitik und Wissenschaft: Herr Prof. Meyer, wie steht die Wissenschaft dazu und was heißt das an konkreten Beispielen?

Prof. Dr. Dr. Meyer:Auf der Basis einer klaren Aufgabentrennung hat sich die Zusammenarbeit zwischen Berufspolitik und Wissenschaft in den letzten Jahren außerordentlich fair und konstruktiv weiterentwickelt. Krönung dieser Kooperation ist der gemeinsame Deutsche Zahnärztetag. Einen besonderen Schwerpunkt bildete in den letzten Jahren eine interdisziplinär ausgerichtete biologisch-medizinische Betrachtungsweise der wissenschaftlichen Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Das spiegelt sich auch in der neuen Approbationsordnung Zahnmedizin wider, in welcher der medizinische Anteil unseres Berufes stärker berücksichtigt wird. Auch das Zusammenspiel zwischen Berufspolitik und Wissenschaft im Hinblick auf die HOZ/GOZ-Problematik wird auf dieser Basis stattfinden. So ist die Neubeschreibung einer präventionsorientierte Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde das einvernehmliche und zukunftsfähige Modell von Standespolitik und Wissenschaft.

Es ist in hohem Maße bedauerlich, erleben zu müssen, mit welcher fast beleidigenden Ignoranz die Gesundheitspolitik unsere fairen, praktikablen und zukunftsträchtigen Modelle konterkariert. Darüber hinaus ist es auch aus Sicht der Wissenschaft bedenklich, wenn gewisse Resträume bei der Honorargestaltung eingeschränkt oder gar abgeschafft werden. Die Vergangenheit zeigt eindeutig, dass viele wissenschaftliche Innovationen allein auf dieser Basis eingeführt wurden.

zm:Das deutsche Gesundheitswesen steht mit dem GKV-WSG Veränderungen gegenüber. Herr Dr. Fedderwitz, nach acht Monaten Gesundheitsreform ist es relativ still geworden – ist es gar nicht so wie ursprünglich befürchtet?

Dr. Fedderwitz:Der Druck auf das System wird zunehmen, denn schon jetzt ist eine deutliche Tendenz erkennbar. Es geht vor allem um die Umwälzung von Strukturen, getreu dem Motto: mehr Macht dem Staat. Und die Selbstverwaltung schaut in die Röhre. Beispiel: Die Organisationsreform der Krankenkassen. Gerade hat sich der neue Spitzenverband Bund der Krankenkassen konstituiert. Statt mit sieben Kassenverbänden haben wir es nun mit einem Verband zu tun, von den zunehmenden Fusionen zwischen den Kassen – auch beispielsweise zwischen den Orts- und Ersatzkassen – ganz zu schweigen. Das wird Einfluss auf das zahnärztliche Vertragsgeschehen haben.

Ein weiteres Beispiel ist die Zentralisierung der Aufgabenstellungen im Gemeinsamen Bundesausschuss. Zwar bleibt der G-BA als Selbstverwaltungsorgan erhalten, aber das BMG regiert kräftig mit hinein. Durch die sektorenübergreifende Zuordnung bei Beschlussentscheidungen – die KZBV hat hier eine von dreizehn Stimmen – droht eine Majorisierung von Minderheiten. Zahnmedizinische Fragestellungen werden von allen, auch fachlich nicht zuständigen Mitgliedern beschlossen. Wir wiederum müssen befürchten, dass wir Zahnärzte zum Zünglein an der Waage zwischen divergierenden Interessen werden.

zm:Strukturelle gesetzliche Änderungen tummeln sich auch auf einem anderen Feld: der Reform des Versicherungsvertragsrechts (VVG). Hat hier die Zahnärzteschaft durch rechtzeitiges Intervenieren Schlimmes verhindern können?

Dr. Dr. Weitkamp:Ja und nein. Es ging uns um das Wohl der Versicherten. Durch gute Argumente und viele Gespräche ist es uns gelungen, Gefahren für die Versicherten hinsichtlich des Wirtschaftlichkeitsgebots abzuwehren. Es ging hier um ein völlig überzogenes Leistungsverweigerungsrecht der PKV. Darüber hinaus haben wir dezidiert darauf hingewiesen, dass das VVG eine Reihe von rechtssystematisch bedenklichen Mängeln beinhaltet, die allerdings heute bereits in den Versicherungsverträgen (dem „Kleingedruckten“) enthalten sind. Außerdem soll auf Verlangen der PKV das Sachleistungsprinzip aufgenommen werden. Der Versicherte wird entmündigt und Transparenz beseitigt. Letztlich zielen die Bestimmungen darauf ab, vermeintliche Segnungen der GKV in der PKV zu etablieren. Jetzt liegt es an jedem einzelnen Zahnarzt, bei der möglichen unmittelbaren Abrechnung immer den Patienten mit einzubeziehen und nicht der Verlockung der Sachleistung zu erliegen.

zm:Also geht es um die Vermischung von GKV- und PKV-Elementen, Herr Dr. Fedderwitz?

Dr. Fedderwitz:Klar! Unser Solidarsystem ist doch ursprünglich so angelegt, dass der Gesunde für den Kranken zahlt. Schauen wir nun einmal auf systemfremde Steuerungselemente wie den Selbstbehalt oder die Beitragsrückerstattung. Falls gesunde Versicherte davon umfassend Gebrauch machen, entzieht das dem Solidarsystem finanzielle Mittel. Und beim Basistarif finden GKV-Elemente Eingang in die PKV-Welt. Also haben wir es mit einer GKVisierung der PKV und einer PKVisierung der GKV zu tun. Was den Basistarif angeht, haben wir Zahnärzte sowieso nichts davon – im Gegenteil. Der 2,0-fache GOZ-Satz liegt unter Sozialhilfeniveau und nützt weder dem Versicherten noch dem Behandler. Deshalb haben wir auch auf der letzten KZBV-Vertreterversammlung beschlossen, den PKV-Verband bei der Verfassungsbeschwerde gegen den Basistarif zu unterstützen.

Schaut man sich aber an, wie wenig Nichtversicherte tatsächlich in die PKV zurückkehren und in den Standardtarif aufgenommen werden, so geriert das Ganze vollends zur Lachnummer. Ulla Schmidts gute Absichten, die Nichtversicherten krankenzuversichern, ist eigentlich als Schuss nach hinten losgegangen. Es sei denn, diese Lachnummer dient ganz anderen Zielen, womöglich der Einheitsversicherung durch die Hintertür.

zm:Herr Prof. Meyer, nun zu einem anderen Themenkomplex: Wie schätzen Sie die Lage der Zahnmedizin mit Blick auf den Hochschulstandort Deutschland ein?

Prof. Dr. Dr. Meyer:Alle Zahnkliniken Deutschlands sind überproportional stark mit der Lehre belastet, die dazu noch intensiver ist als im Grundstudium der „Humanmedizin”. Damit wird systematische und lang angelegte Forschung nahezu unmöglich gemacht. Der Hochschulstandort Deutschland wird für den Bereich Zahnmedizin so immer unattraktiver. In den letzten Jahren haben sechs Ordinarien ihre C4-Stellen aufgegeben, um an anderer Stelle unter besseren Bedingungen arbeiten zu können. Zwischenzeitlich sind die Professorengehälter deutlich heruntergefahren worden, die Möglichkeiten der Privatliquidation werden immer stärker eingeschränkt. Ich bin häufig Gast ausländischer Zahnkliniken. Es ist immer wieder erstaunlich – und manchmal frustrierend – zu erleben, wie hoch dort sowohl die Personalausstattung als auch Gerätetechnik für Forschung und Lehre von vergleichbaren Einrichtungen ist, einschließlich der erzielbaren Gehälter. Das gilt inzwischen auch für verschiedene Einrichtungen im ehemaligen Ostblock, ganz zu schweigen von asiatischen Ländern.

zm:Von der Hochschulsituation zurück zum Deutschen Zahnärztetag nach Düsseldorf. Was wird die Delegierten auf der BZÄK-Bundesversammlung bewegen?

Dr. Dr. Weitkamp:Die Novellierung der GOZ beziehungsweise unser wissenschaftlich fundierter Vorschlag der HOZ wird natürlich zentrales Thema sein. Der Referentenentwurf GOZ wird im Herbst erwartet. Bis die Katze endgültig aus dem Sack gelassen wird, darf also spekuliert werden. Das uns jetzt vorliegende Arbeitspapier aus dem Ministerium jedenfalls zeigt, dass dieses Gebührenverzeichnis nicht mit der Zahnärzteschaft konsertiert ist. So fällt zum Beispiel auf, dass die dort aufgeführte Systematik nicht dem Vorschlag der BZÄK folgt, sondern die Systematik des Bema nachgestaltet. Rechtskreise von GOZ und GKV werden vermischt. Das ist in höchstem Maße intransparent und systembrüchig. Diese Regelung bekämpfen wir und werden dafür keine Verantwortung übernehmen.

zm:Eine bematisierte GOZ ist natürlich das letzte, was die Zahnärzte wollen. Herr Dr. Fedderwitz, eine andere Regelung, die den Berufsstand vor grundlegende Herausforderungen stellt, ist das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz. Haben Einzelpraxen das Schicksal der „Tante-Emma-Läden“ der Siebzigerjahre vor sich?

Dr. Fedderwitz:Zunächst: Das sogenannte VÄndG soll ja bekanntlich der Liberalisierung und Flexibilisierung des Berufsstandes dienen, um ihn effizienter und damit wettbewerbsfähiger zu machen. Mit dem neuen Bundesmantelvertrag, der zum 1. Juli in Kraft getreten ist, haben wir eine limitierte Öffnung vollzogen. Die Lösung, zwei vollzeitbeziehungsweise vier halbzeitbeschäftigte angestellte Zahnärzte zuzulassen, wird sowohl dem Gesetzgeber wie auch den Erfordernissen von Budgets, HVM und Co. gerecht. Ich benutze hier gern das Bild von der Beweglichkeit im Korsett. Mit dem Vertragsergebnis müssen wir uns auch nicht vor Entwicklungen wie Kettenpraxen oder renditeorientierten Konstruktionen verstecken. Der Berufsstand ist im Wandel – Stichwort: Angestelltenverhältnis, Feminisierung, weniger Investitionsbereitschaft – und wir müssen mit flexiblen Strukturen auf diese Situationen eingehen, damit wir nicht aus falsch verstandener Liberalität heraus zu Totengräbern des eigenen Berufsstandes werden. Aus diesem Grund müssen wir uns als KZBV wie die KZVen verstärkt mit unserem künftigen Rollenverständnis beschäftigen. Das ist sicherlich ein wichtiges Anliegen, dem sich die VV der KZBV auf dem Deutschen Zahnärztetag stellen muss.

zm:Was den Wandel im Berufsstand betrifft, zeichnen sich auch in der Fort- und Weiterbildungslandschaft große Veränderungen ab. Stichwort hier: die Masterund Postgraduiertenproblematik.

Prof. Dr. Dr. Meyer:Auf breiter Basis bewährt hat sich unter anderem die strukturierte Form der spezialisierenden Fortbildung, wie sie ursprünglich von der Akademie Praxis und Wissenschaft (APW) eingeführt wurde. In letzter Zeit werden daneben fast explosionsartig neue Masterstudiengänge etabliert, die in unserem Fach als spezielle Form einer postgradualen akademischen Ausbildung verstanden werden. Andererseits aber – und so sieht es die Bologna-Deklaration vor – sollte der Mastertitel auch Abschluss entsprechend strukturierter Grundstudiengänge sein. Das wiederum – so zumindest die einhellige deutsche Meinung – ist keinesfalls auf die Medizin/Zahnmedizin übertragbar, so dass es hier bei der postgradualen Variante bleiben sollte. Vor diesem zunächst verwirrenden Hintergrund haben sich unter Federführung des Beirates Fortbildung der BZÄK und der DGZMK, Vertreter der VHZMK und der KZBV zusammengetan und ein in sich schlüssiges Strukturmodell entwickelt, welches auch das ECTS (European Credit Transfer System) berücksichtigt und damit für internationale Kompatibilität stehen wird. Dieses Modell wird übrigens in einem gemeinsamen wissenschaftlichen und standespolitischen Symposium während des Deutschen Zahnärztetages vorgestellt.

zm:Die grundlegenden Änderungen, die sich in der Fort- und Weiterbildung abzeichnen, werden natürlich auch Einfluss auf die zahnärztliche Berufsausübung haben. Das Fort- und Weiterbildungswesen und die lebenslange Kompetenzerhaltung sind ja gerade die Merkzeichen eines Freien Berufs. Kann man denn beim Zahnarzt noch von Freiberuflichkeit sprechen?

Dr. Dr. Weitkamp:Freiberuflichkeit zeichnet sich dadurch aus, dass hochstehende Leistungen eines akademischen Berufsstandes in fachlicher Unabhängigkeit erbracht werden. Garant dafür ist die qualitativ hochstehende Aus-, Fort- und Weiterbildung. Diese Kautelen müssen bleiben, egal, ob der Zahnarzt in freier Niederlassung oder als Angestellter arbeitet. Es gilt aber, die aktuellen Gegebenheiten mit dem Prinzip der Freiberuflichkeit stets neu abzugleichen. Hier müssen die Diskussionen noch intensiv geführt werden, natürlich auch auf dem Deutschen Zahnärztetag. Was die Aus-, Fort- und Weiterbildung betrifft, wird auch dieses Thema zentral in Düsseldorf diskutiert. Die Novellierung der Approbationsordnung haben wir bereits intensiv vorangetrieben – im Bereich der Fort- und Weiterbildung wird als erster Schritt hin zu einer neuen Systematik ein modulares System vorgestellt.

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