Der Deutschen Hang zum Haustier
Viele Menschen – vom Kleinkind bis zur Oma – suchen (scheinbar instinktiv) die inzwischen auch wissenschaftlich untermauerten Vorteile einer Wohn- und Lebensgemeinschaft mit Tieren.
Allein die Zahlen sprechen für sich: In Deutschland leben rund 22 Millionen Heimtiere, Fische (etwa 40 Millionen) und Reptilien (etwa 1 Million) nicht mit eingerechnet. Davon waren 2001 zirka
• 6,5 Millionen Katzen• 4,7 Millionen Hunde• 4,8 Millionen Kleinsäuger (Hamster, Mäuse, Ratten, Meerschweinchen und dergleichen mehr) sowie schließlich• 4,7 Millionen Vögel.
Mit dem Gesang des Kanarienvogels und dem Schnurren der Katze ziehen mitunter auch Zoonosen, Allergene und die Gefahr tierspezifischer Unfälle in das Heim.
Rambos auf vier Pfoten
„Der tut nichts, der will doch nur spielen.“ Immer wieder hört man diesen Satz aus dem Mund (meist) überforderter Hundebesitzer, deren Vierbeiner sich im vollen Lauf und mit Furcht einflößendem Gebell auf fremde Passanten stürzen. Tatsächlich erweist sich der den Hunden eigene Instinkt zur Verteidigung des Reviers oder des eigenen Rudels als Problem. Klassisches Angriffsziel ist der Postbote: 1999 registrierte die Deutsche Post AG 2 900 Hundeangriffe auf ihre Zusteller. Auch bei den Zeitungsausträgern kommen rund fünf Prozent der Arbeitsunfälle auf den Hund.
Für Deutschland rechnet man mit etwa 43 Biss- und Kratzverletzungen durch Heimtiere pro 100 000 Einwohner pro Jahr. Die Zahl der Bagatellverletzungen liegt wohl deutlich darüber. Eine genaue Statistik fehlt. In der Disziplin „Umwerfen“ ist der Hund eindeutig Spitze: Das freudig gemeinte Anspringen wird von manchen Spielverderbern, besonders älteren Osteoporotikern oder kleinen Kindern, mit Unverständnis, Platzwunden und Knochenbrüchen quittiert.
Zoonosen – Tiere als Keimschleuder
Ist ein Haustier offensichtlich krank, wird sich der Halter im Normalfall vorsichtig verhalten. Das Risiko für eine Übertragung einer Krankheit vermindert sich. Schwieriger wird es, wenn die Tiere Dauerausscheider oder klinisch unauffällige Träger humanpathogener Erreger sind. Insgesamt gibt es laut Weltgesundheitsorganisation rund 200 Zoonosen.
Katzen und Hunde sind nicht nur die beliebtesten Heimtiere, sie bringen auch das größte Repertoire an möglichen Infektionen mit in die Familie. Zwar ist die Tollwut (Rabies, Erreger: Lyssavirus) bei Tieren in Deutschland stetig zurückgegangen, 2002 wurden nur noch 43 Fälle registriert, davon jeweils nur eine Katze und ein Hund. 1990 waren es insgesamt noch 5 572.
Trotzdem sollten Hunde und Katzen prophylaktisch gegen Tollwut geimpft werden, da sie als Überträger vom Wildtier auf den Menschen gelten. Aktuell besteht aber eher eine Importproblematik: Reiserückkehrer aus Ländern wie Sri Lanka, Indien, Algerien oder Tunesien können sich dort durch einen Hundebiss infiziert haben. Auch können im Rahmen illegaler Tierimporte infizierte Hundewelpen ins Land kommen.
Diarrhöe von Hund und Katze
Durchfallerkrankungen – vom Tier auf den Menschen übertragen – sind dagegen häufig. An erster Stelle steht die Salmonellose (S. thyphimurium, S. enteritidis): Etwa zehn Prozent aller Salmonellenerkrankungen werden durch Heimtiere auf den Menschen übertragen. Infektionsquelle für Hund und Katze ist vermutlich rohes Fleisch (Schlachtabfälle, ungekochte Innereien).
Durchfall verursachende Zoonose Nummer zwei ist die Campylobacteriose (C. jejuni). Vor allem Hundewelpen bis zu einem halben Jahr sind oft Ausscheider ohne selbst krank zu sein. Bei ausgewachsenen Katzen und Hunden sind Befallsraten bis zu 50 Prozent nachgewiesen worden.
Gefährliche Mundflora
Biss- und Kratzverletzungen sind je nach Ausmaß schon ärgerlich genug. Hinzu kommt, dass klinisch gesunde Katzen oder Hunde in ihrer Mundhöhle Keime beherbergen können, die beim Menschen pathogen sind. Zum Beispiel der Erreger der Katzenkratzkrankheit (Abbildung 1C), Bartonella henslae, oder verschiedene gramnegative Bakterien der Gattung Pasteurella. Für die Katzenkratzkrankheit liegt die jährliche Erkrankungshäufigkeit in Deutschland wohl zwischen 1 500 bis 2 000 Erkrankungen. Diagnostiziert wird sie viel seltener, was sicher daran liegt, dass die Wenigsten das Krankheitsbild richtig zuordnen.
Die Bartonellose beginnt mit grippeähnlichen Symptomen und führt dann zu eitrig-entzündlichen Lymphknotenschwellungen, die meist einseitig im Bereich von Nacken, Achselhöhle oder Leistenbeuge auftreten. Bei der Pasteurellose kommt es zu eitrigen Abszessen, Lymphknoten- und Knochenhautentzündungen.
Pilze im Pelz
Zu kleinen Epidemien innerhalb der Familie, des Kindergartens oder der Schulklasse kann die Mikrosporie führen. Der Hautpilz Microsporum canis befällt sowohl den behaarten Kopf (Abbildung 1A; runde bis ovale Flecken, kurz abgebrochene Haare, grauweißliche, mehlige Schuppen), wie auch Hände, Unterarme, Hals und Gesicht (Abbildung 1B; flache runde Herde mit Krusten- oder Schuppenbildung). Die Mikrosporie ist die häufigste Ursache für sichtbare Hauterkrankungen bei Katzen, allerdings können auch völlig asymptomatische Tiere den Pilz übertragen.
Hundehaufen in Grünanlagen und auf Gehwegen, Katzenkötel in den Sandkästen der Spielplätze sind nicht nur ein ästhetisches und geruchliches Problem, sondern auch ein gesundheitliches: Alle parasitenbedingten Zoonosen, die Cryptosporidose, Giardose, Toxoplasmose, aber auch Fuchs- und Hundebandwürmer und die Toxocariasis (Spulwürmer) werden durch den Kontakt mit Tierkot übertragen. Besonders gefährdet sind hier wieder einmal die Kinder, die in den Grünanlagen und Sandkästen spielen. Überträger der Parasitosen sind vor allem streunende Katzen und Hunde, inzwischen wagen sich aber auch immer mehr Füchse direkt in die Städte.
Kuscheltier oder Bioterrorist
Mäuse, Hamster, Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen und dergleichen mehr sind die typischen Haustiere für Einsteiger, gleichzeitig aber Spezialisten für die Induktion von Allergien, Salmonellen und die Übertragung von rund 20 verschiedenen Trichophytonarten. Bei der Trichophytie, einem Hautpilz, bilden sich beim Menschen zunächst linsengroße, erythematöse schuppende Papeln aus, die sich zentrifugal ausweiten, während das Zentrum abheilt. Diese Flecken treten bevorzugt im Gesicht, am Hals, an Armen und Händen auf. Meistens trifft es die Kinder, die zu sehr mit ihrem Meerschweinchen oder Kaninchen geschmust haben.
Auch die „Biowaffe Hasenpest“ (Ärztezeitung vom 31. 10. 2001), oder neutral Tularämie, kann über (Schleim-) Hautkontakt auf den Menschen übertragen werden. Schon 10 bis 15 Bakterien (Francisella tularensis) reichen aus. Die Krankheit beginnt mit starkem Fieber, später kann sich eine Pharyngitis, Bronchiolitis, Pneumonie, Pleuritis oder Lymphadenitis entwickeln. Unbehandelt sterben 30 bis 60 Prozent der Betroffenen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich.
Heiß geliebte Kaltblüter
Wie man zu Schlangen, Schildkröten, Leguanen oder anderen Reptilien ein inniges Mensch-Tier-Verhältnis aufbauen kann, mag sich vielen nicht erschließen. Fakt ist jedoch, dass die Zahl der Reptilien, die in Wohngemeinschaft mit Menschen leben, zunimmt – und damit auch die Gefahr, sich mit Salomonellen zu infizieren. Diese Tiere scheinen ideale Reservoire für unterschiedlichste Salmonellenserovare zu sein, ohne selbst zu erkranken. Besonders die genügsamen Schildkröten sind verdächtig. Um das Risiko zu minimieren, sollten sich Reptilien nicht frei in der Wohnung bewegen dürfen. Wer aber glaubt, mit Fischen auf der sicheren Seite zu sein, irrt sich ebenfalls. Auch Zierfische können Krankheiten übertragen (Fischtuberkulose, Salmonellose). Besonders bei der Aquariumpflege kann es zu Infektionen kommen.
Nicht mit Vögeln schnäbeln
Bei rund 380 Vogelarten konnte bisher der Erreger der Ornithose, Chlamydia psitaccii, nachgewiesen werden. Die häufigsten Infektionsquellen sind aus Inlandszuchten stammende Papageien, Wellen- und Nymphensittiche. Aber auch einheimische Vögel, wie Tauben, Enten und Hühner, können den Erreger übertragen. Übertragungswege sind der Kontakt mit Kot- oder Federstaub der Vögel. Besonders gefährlich ist das sogenannte Schnäbeln mit den Vögeln. Schon bei Verdacht auf eine Ornithose besteht Meldepflicht. Der Krankheitsverlauf reicht von grippeähnlichen Symptomen (Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen) bis zu lebensbedrohlichen hoch fieberhaften Pneumonien. Selten kommt es zu enzephalitischen Verläufen.
Besonders gefährdet: Schwangere und Kinder
Gebetsmühlenartig verbreitet das Center of Disease Control (CDC) auf seiner Homepage, dass Kinder unter fünf Jahren, organtransplantierte Menschen und Menschen mit HIV/AIDS besonders anfällig für Zoonosen sind. Bei kleinen Kindern ist es der unkritische enge Umgang mit dem Tier sowie die Neigung, die eigenen ungewaschenen kleinen Dreckpfoten in den Mund zu stecken.
Auch Schwangere muss man in die Liste gefährdeter Personen aufnehmen, da etwa bei einer Erstinfektion mit Toxoplasma gondii die Gefahr besteht, dass der Einzeller auf den Fetus übertragen wird. In Deutschland infizieren sich jährlich rund 6 200 Schwangere, bei der Hälfte kommt es tatsächlich zum Übertritt. Von diesen 3 100 konatal infizierten Kindern tragen mehr als die Hälfte einen Schaden davon. Ein Zehntel ist mittelschwer bis schwer geschädigt. Die Palette reicht dabei von Sehstörungen bis zur Erblindung, vom Hyprocephalus über Krampfanfälle bis zu schweren Intelligenzstörungen. Zwar steht die Katze als Infektionsquelle für den Menschen zweifelsfrei fest, dennoch muss man das Tier nicht gleich weggeben, wenn die Frau schwanger wird. Eine Infektion durch direkten Kontakt mit der eigenen Katze ist unwahrscheinlich, müssen Toxoplasma-Oozysten, die mit dem Kot ausgeschieden werden, zunächst mehrere Tage durch Luft, Wärme und Feuchtigkeit reifen, um infektiös zu werden. Wahrscheinlicher ist die Infektion durch Kontakt mit älterem Katzenkot, etwa bei der Gartenarbeit oder der Reinigung des Katzenklos. Tipps, wie Risikogruppen mit Ihren Heimtieren umgehen sollten, sind zum Beispiel auf der Homepage des Center of Disease Control unterwww.cdc.gov/healthypets/health_prof.htmzu finden.
Dr. Erik HeintzAn der Würmleiten 282611 Gräfelfing
Quelle: Dieser und der folgende Beitrag sind freundlicherweise aus der MMW-Fortsch. Med. Nr. 37/2005 (147.Jg.) zur Verfügung gestellt.