Der Run auf Gold
Die Inflationsrate steigt, die Zinsen ebenfalls, der Ölpreis legt ständig zu, der Dollar fällt und die Krise auf dem Finanzmarkt sorgt für Misstrauen unter den Geldhäusern. Insgesamt präsentiert sich dem Sparer in der Finanzwelt ein Szenario, das ihn an Flucht denken lässt. Als sicherer Hort glänzt wie in alten Zeiten das Edelmetall Gold. Den größten Satz nach oben machte die Goldkurve am 20. September dieses Jahres, als der Euro die magische Grenze von 1,40 Dollar überschritt. Gold preschte am nächsten Tag auf 739 Dollar pro Feinunze vor und erreichte damit den höchsten Stand seit 28 Jahren.
Inzwischen (Stand: 4. 10. 2007) hat sich der Preis wieder bei rund 730 Dollar eingependelt. Bis zum Allzeithoch von 850 Dollar im Jahr 1980 dauert es wohl noch einige Zeit. Doch Experten rechnen damit, dass dieser Stand wieder im Bereich des Möglichen liegt.
Lieber den Barren in der Hand ...
In der Gunst der Anleger vorn liegt physisches Gold. In den letzten Wochen setzte geradezu ein Run auf Barren und Münzen ein. Der Händler Pro Aurum konnte die Nachfrage der vorwiegend privaten Käufer kaum befriedigen. Auch die Barren-Lager beim Edelmetallspezialisten Heraeus sind leer. Wer im Internet kaufen wollte, musste sich mit Wartezeiten von ein paar Tagen abfinden. Die Kunden nahmen die Unannehmlichkeiten hin. Sie wollten ihr Gold in der Hand halten. Ein Anspruch auf dem Papier vermittelt ihnen bei weitem nicht das Sicherheitsgefühl, das sie in den unruhigen Zeiten suchen. Da kann sie auch der sehr hohe Preis nicht abschrecken. Die Bilder von der Schlange der Sparer vor den Filialen der britischen Bank Northern Rock haben das Misstrauen selbst gegen so sichere Anlagen wie ein Sparkonto geschürt.
Ein so hoher Goldpreis lockt natürlich auch die Anbieter. Zu den potentesten Verkäufern zählten in den vergangenen Wochen die Zentralbanken einiger europäischer Staaten. So verkaufte Spanien 55,5 Tonnen, die Schweiz 48 Tonnen, Frankreich 22,2 Tonnen und die Europäische Zentralbank 37 Tonnen. Weltweit beliefen sich die Verkäufe zwischen Juni und September auf 254 Tonnen. Doch nicht nur tonnenweise wird der Markt mit Gold gefüttert. Viele Grammstückchen in Form von Münzen, Zahngold oder Schmuckstücken erhöhen das Angebot. Mindestens 100 Gramm müssen es sein, wenn Besucher ihre güldenen Schätze beim Hanauer Edelmetall- und Technologiekonzern Heraeus veräußern wollen. Das Kleinzeug wird dort gern genommen. Insgesamt nährt sich das Angebot zu 20 Prozent aus zurückgewonnenem Gold. Derzeit ist die Nachfrage kaum zu stillen und ohne den Nachschub aus den Tresoren der Zentralbanken – so glauben Experten – wäre der Goldpreis explodiert.
... als die Goldaktie von der Bank
Der Nachschub aus den Minen lässt sich derzeit kaum steigern. Und bis neue Minen ausgebeutet werden können, dauert es noch ein paar Jahre.
Wer unter den Anlegern also genügend Lust zum Risiko verspürt, legt sich statt Barren und Münzen ein paar Goldminenaktien zu. Ihre Kurse stiegen in den vergangenen Wochen bereits deutlich an. Das Risiko breiter streut das Indexzertifikat auf der Basis des Amex Gold Bugs. Dieser Index enthält 15 Goldminen, die ihre Produktion für weniger als zwei Jahre im Voraus verkauft haben. Das Zertifikat ist währungsgesichert. Andere Zertifikate bilden eins zu eins die Entwicklung des Goldpreises ab.
Statt Goldbarren und -münzen im Safe zu lagern, eignen sich auch Goldfonds, die an der Börse gehandelt werden, zur Absicherung gegen Risiken. Die ETFs (Exchange Traded Funds) können sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. Die Anleger setzen auf diese Glanzpapiere. Allein von Mitte August bis Mitte September sollen die Fonds zirka 100 Tonnen Gold gekauft haben. Die ETFs erlauben ein Engagement in Gold zu günstigen Konditionen.
Während die meisten Fachleute an einen weiteren Anstieg des gelben Metalls glauben, gibt es auch Stimmen, die vor einem Einbruch warnen. So wie bei Öl, treiben auch hier die Spekulanten den Preis in die Höhe. Und wenn diese ihre Gewinne realisieren wollen, verkaufen sie ihre Bestände und es gibt einen Einbruch.
Schmucke Last am Hals
Das meiste Gold wandert nicht in die Safes der Anleger, sondern in die Industrie, und vor allem in Form von Geschmeiden an die Hälse und Arme reicher Damen. Skeptiker werden denn auch nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Gold keine Zinsen und Dividenden abwirft. In den vergangenen Jahren schwankte der Goldpreis stark. Von seinem Höchststand von 850 Dollar sackte er auf 253 Dollar. Wer damals gekauft hat, hat seinen Verlust bislang noch nicht wieder ausgleichen können.
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de