Die Regierung greift zu kurz
Eine Gebührenordnung als Erlass des Bundesgesundheitsministeriums – und das für einen freien Berufstand wie den der Zahnärzte? Eigentlich hat das „mit Demokratie überhaupt nichts zu tun,“ ärgert sich Bundeszahnärztekammerpräsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp in Sachen BMG-Plan zur Novelle der GOZ.
Dennoch: Resignation ist keine Sache dieses Berufstandes. Im Gegenteil konnten – wie Weitkamp, BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich, der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz und Dr. Peter Engel, Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein und Vorsitzender des Senates für Leistungs- und Gebührenrecht, sowie externe Referenten vor den Länderpressereferenten darstellten – durch eine aktive, kontinuierliche Befassung mit der Thematik außerordentliche Teilerfolge erzielt werden.
So hat sich am 19. September der Gesundheitsausschuss des Bundestags mit der formell unter alleiniger Hoheit des BMG vorbereiteten Novelle befasst. Die FDP-Fraktion hat darüber hinaus mit einer kleinen Anfrage das BMG zu offiziellen Antworten gedrängt, die die Grundzüge des BMG-Planes erstmals öffentlich machten (siehe Interview mit FDP-MdB Daniel Bahr auf Seite 20). Bestätigt wurde unter anderem, dass
• das BMG definitiv den Kurs einer Bematisierung der GOZ verfolgt,
• der Honorarrahmen auf Basis einer nicht nachvollziehbaren Schätzung künftig budgetiert werden soll und
• die Datenbasis, auf der die Berechnungen des BMG für die GOZ-Novelle fußen, außerordentlich fragwürdig ist.
Für die Auseinandersetzung in der Sache ist die Zahnärzteschaft aber nicht nur aufgrund dieser Entwicklung gut gerüstet. Denn die Neubeschreibung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und die 2002 begonnene neue zahnmedizinische Leistungsbeschreibung durch den GOZ-Senat der BZÄK, nicht zuletzt auch die in diesem Jahr den BMG-Plänen entgegengestellte Honorarordnung für Zahnärzte (HOZ), sind gute Instrumente für die Beweisführung, dass das, „was das Ministerium gemacht hat, falsch ist“, so Weitkamp zur aktuellen Sachlage.
Angesichts dieser Fakten, die auch der Gesetzgeber kennt, sei es nicht nachvollziehbar, dass das BMG die GOZ-Novelle immer noch – nach 20 Jahren – kostenneutral umsetzen wolle. Ein Vorteil der Zahnärzte sei dennoch offensichtlich: „Eine Gesamtstruktur zu ermitteln, ist durch Fremde nicht möglich, sondern nur durch uns selbst zu leisten“, versicherte der BZÄK-Präsident.
Ein System ist in Gefahr
Auf Verbesserungen des gegenwärtigen Verhandlungsstandes in Einzelpositionen könne sich die Zahnärzteschaft allerdings nicht einlassen, weil durch die geplante Bematisierung und Budgetierung der Gesamtrahmen unakzeptabel sei. Einen für die fachliche Diskussion nicht unwichtigen Ansatz habe das Ministerium aber selbst geliefert: Da der Gesetzgeber inzwischen einen festen Kostensatz für die Behandlungsstunde zugestanden habe, sei anhand der so umrechenbaren, für einzelne Behandlungen zur Verfügung stehenden Zeiten auch erstmals die Absurdität der BMG-Positionen aufzeigbar.
Für den KZBV-Vorsitzenden Dr. Jürgen Fedderwitz ist die Befassung des gesamten Berufsstandes mit der derzeitigen Sachlage der GOZ-Novelle dringendst geboten. Grundsatzfragen, beispielsweise wie der Berufstand generell zur PKV stehe, hält er angesichts der gegenwärtigen Lage für mehr als überfällig. Mit der drohenden Budgetierung der GOZ bestehe akute Gefahr, dass die PKV für die Zahnärzteschaft überflüssig werde. Werde die Trennung von Bema und GOZ aufgehoben, seien die bisherigen Vorteile der GOZ – die Chance zur Teilnahme am wissenschaftlichen Fortschritt, die Stabilisierung des GKVGrundleistungssystems durch GOZ-Zusatzleistungen, die mögliche Quersubventionierung von GKV-Leistungen, damit auch eine relative Unabhängigkeit von Budgets – künftig ohne Wert.
Anders als von BMG und PKV verfolgt, biete eine gut strukturierte GOZ für Zahnärzte und Patienten hingegen die Chance, in der vertragszahnärztlichen Versorgung durch private Kompensation rückläufiger GKV-Ausgaben, eventuelle Einführung von Festzuschusssystemen in anderen Bereichen, wachsende „Dental Awareness“ und größere Zuzahlungsbereitschaft in einem wachsenden Leistungsmarkt mit ebenfalls wachsender Therapievielfalt eine für Patienten und zahnärztliche Versorgung vorteilhafte Kompensation zu schaffen.
Fedderwitz warnt aber auch den Berufstand selbst, die GOZ nicht defensiv anzuwenden und die angestrebte Beschränkung der GOZ via Einführung eines Basistarifs, wie die Begrenzung der Erstattung auf den 2,0-fachen GOZ-Satz, nicht ohne Widerstand hinzunehmen. Nötig sei vielmehr, durch Öffentlichkeitsarbeit Aufklärung zu betreiben und Gegenentwürfe aufzuzeigen.
Der Zahnärzteschaft geht es in der Kritik an den BMG-Plänen allerdings nicht um eine prinzipielle Ablehnung eines Ordnungsrahmens. Es gibt durchaus Gründe, auch in einem freien Beruf wie dem des Zahnarztes eine Honorarordnung zu schaffen. Ordnungsrahmen und Freiberuflichkeit stehen hier nur auf den ersten Blick im Widerspruch.
Die selbstverwaltete Freiberuflichkeit, so BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich, sei dem Gemeinwohlinteresse, also dem Schutz der Verbraucher, verpflichtet. Hierfür erforderliche Maßgaben sollten als Regulierungsinstrument allerdings in den Händen des Berufstandes liegen. Diese Aufgabe habe die BZÄK mit Vorlage der HOZ erfüllt. Weitere Gründe, die für die Gebührenordnung sprechen: Selbst erstellte Maßgaben, wie die mit der HOZ vorgelegten Kriterien, schaffen Transparenz, dienen der Qualitätssicherung und der Umsetzung einer wissenschaftlich hoch stehenden Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde im Interesse des Patienten, letztlich aber auch dem Erhalt des Freien Berufes – dies allerdings nur bei einer angemessenen Honorierung.
Aufschlussreich ist darüber hinaus der Blick hinter die Kulissen der BMG-Vorbereitungen zur neuen GOZ: Bestimmende Gradmesser des BMG sind ein schlicht konstatierter Ressourcenmangel, gepaart mit der vom Ministerium bekannten „Freude an weitgehender Reglementierung“, so die Kritik des nordrheinischen Kammerpräsidenten Dr. Peter Engel, der als Vorsitzender des Senats für Leistungs- und Gebührenrecht der BZÄK intensiv mit der Thematik befasst ist. Immer noch behaupte das federführende BMG plakativ, so Engels Kritik, dass die Novelle „alles besser“ mache, aber „nicht mehr kostet“.
Dennoch, so zeigt sich Engel überzeugt, sei das Projekt, wie es zurzeit verfolgt werde, zum Scheitern verurteilt. Der nur auf Schätzungen beruhende Budgetansatz sei bei Weitem zu niedrig, um wie versprochen Leistungen ausweiten zu können. Auch im BMG selbst gebe es noch keine Klarheit, ob die Grundannahmen so haltbar seien. Die bisher angestrebte Leistungsbeschreibung des BMG müsse als „patientenfeindlich bis grob fahrlässig“ eingestuft werden. Engel verdeutlicht das komplexe Umfeld eines konzertierten Angriffs auf das gegenwärtige System und warnt, dass beispielsweise der Basistarif „nichts anderes sei als ein Strudel, der sich immer schneller dreht und private und gesetzliche Krankenversicherung immer näher aneinander bringt“.
Ein seriöser Vorschlag
Die derzeit angestrebten Maßnahmen seien darauf ausgelegt, der PKV „Spielraum zur Steuerung von Patientenströmen“ zu verschaffen. Werde dieser Weg frei, sei eine Spaltung der Zahnärzteschaft zu befürchten. Engels Vorschlag zur Gegenwehr: Es gilt, über den Gedanken der Zeitneutralität von Leistungen die auch seitens der EU verfolgte Prämisse von Qualitätserhaltung und Patientenschutz zu verdeutlichen.
Die von der BZÄK mit der Erarbeitung der Berechnungsgrundlagen der HOZ beauftragte Prognos AG sieht das Ziel einer Gebührenordnung im „Interessensausgleich von Zahnarzt und Patient“: „Der Zahnarzt muss einen gegebenen Sollumsatz erreichen können und der Patient muss bei gegebener Qualität eine kostengünstige Leistung erhalten.“ Sollumsatz und Qualitätsstandard festzulegen, sei eigentlich, so Dr. Axel Seidel von Prognos, der erste Schritt, den der Verordnungsgeber erfüllen müsste. Während mit der vom Gesetzgeber bereits anerkannten BAZ II-Studie die Zeiten festgelegt seien und der Senat für Gebühren- und Leistungsrecht der BZÄK diese systematisch und transparent nachvollziehbar auf die Gebührenpositionen der HOZ angewendet hat, konnte mit der Prognos-Studie der notwendige Soll-Umsatz einer Zahnarztpraxis nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt werden. Diese Grundlagen ermöglichen, nicht mehr nur über Euro-Beträge, sondern seriös gestützt über die zur Verfügung stehenden Zeiten je Leistung zu reden. Anhand der bisher zur Verfügung stehenden Einzelpositionen sei damit nachweisbar, dass die für spezifische Leistungen runtergerechneten Zeiten laut Seidel nicht einmal „zum Zähneputzen reichen“.
Aus dieser Position heraus ist eine klar strukturierte Kommunikation der Zahnärzteschaft in Sachen GOZ und HOZ immens wichtig, meint Marten Hayen, Senior Account Manager der Agentur Hill & Knowlton Communications. Unter der Maßgabe einheitlicher Interessensbildung mit einer Sprache nach außen zu sprechen sei jetzt die Aufgabe der Informationsarbeit von der Praxis über die Patienten bis in den politischen Bereich. Es gelte, die HOZ arbeitsteilig abgestimmt „überzeugend, sachlich richtig und einheitlich“ auf Bund- und Länderebene zu kommunizieren.
Die Zahnärzte kennen, so Hayen, den Bedarf vor Ort und können sich entsprechend „für eine zeitgemäße, dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprechende Gebührenordnung einsetzen“. Vorteil sei, dass die Zahnärzte im Unterschied zum BMG hier nicht mit Schätzungen, sondern mit seriösen Gutachten als Basis argumentieren können. Gut gerüstet sei die Zahnärzteschaft. Sie habe mit der HOZ einen seriösen Vorschlag „auf den Tisch gelegt“. Jetzt könne man von der Bundesregierung erwarten, dass sie mit akzeptablen Angeboten reagiert. Auf „bohrende Fragen“ seitens der Politik müsse man aber gefasst sein.