Fit auf die sanfte Tour

Vom Sinn leerer Teller

Heftarchiv Gesellschaft
Eine Woche ganz ohne ... Essen! Ist das gesund? Mediziner und Heil-Fasten-Fans sind geteilter Meinung. Während die einen Risiken aufzählen und manche davor warnen, schwören andere auf den zeitlich begrenzen Nahrungsverzicht. Der folgende Beitrag gibt Einblick in Pro und Contra.

Seit Sabine Schreiber (Name von der Redaktion geändert) über Vierzig ist, spürt sie eine Veränderung: Ihr Körper bildet Hüftgold – und im Gegensatz zu früher ist es ausgesprochen hartnäckig. Sie fühlt sich neuerdings auch eher müde, antriebslos und „älter“. Diesen Zustand, möchte sie ändern. Eine Erholungsreise soll sie anspornen, ihre Ernährungsgewohnheiten zu überdenken: „Ich esse ja so gern, vor allem abends – und wenn es dann noch einen guten Wein gibt ... vielleicht muss ich da ja was dran ändern“, gesteht Sabine.

Die Internet-Suchmaschine führt sie nach Sylt zum aktiven Fasten mit Nordic Walking. Eine Woche ohne Essen, in einer netten Gruppe über die Insel walken, gemütlich in der Sonne im Strandkorb sitzen, ganz nebenbei abnehmen und schön werden. Sabine freut sich: „Die Entscheidung fällt mir leicht, denn das Angebot passt perfekt, eben besser als derzeit meine Hosen.“

Fasten und Sport – medizinisch gesehen steht dem nichts entgegen. Vorausgesetzt, der Hausarzt hat keine Einwände.

Wer darf und wer nicht

Grundsätzlich dürfen alle vitalen, gesunden, erwachsenen (ausgewachsenen) Menschen mit intaktem Vitamin- und Mineralhaushalt (Auskunft gibt das Blutbild!) für begrenzte Zeit und mit fachmännischer Betreuung auf Nahrung verzichten.

Ausnahmen gelten für

• Menschen, die regelmäßig Medikamente einnehmen müssen. Sie sollten vor dem Fasten unbedingt mit dem Arzt besprechen, ob diese Medikamente und das Fasten zusammenpassen.

• Menschen mit Essstörungen, etwa Esssucht oder Bulimie. Sie gehören in eine auf die Behandlung des Krankheitsbildes spezialisierte Klinik mit psychologischer Betreuung. Hier kann möglicherweise die Grundlage für eine vollständige Genesung geschaffen werden, da Fasten bestehende Gewohnheiten unterbricht und regulierend auf das Essverhalten wirken kann.

• Menschen mit psychischen Erkrankungen. Auch sie sollten ihren Arzt befragen, bevor sie fasten.

Ungeeignet ist Fasten

• für Schwangere und stillende Frauen

• bei Blutungsneigung

• für Patienten mit Herz-Kreislauf-Problemen und / oder Herz-Gefäß-Erkrankungen

• bei Kindern unter zehn Jahren

• bei Schilddrüsenüberfunktion

• bei zu hohem Harnsäurespiegel

• bei Durchblutungsstörungen des Gehirns

• für Typ-1-Diabetiker

• für Tuberkolose-Patienten,

• für Krebskranke

• bei chronischen Entzündungen und Geschwüren des Magens (Ausnahme Kolitis)

• für Menschen, die an Kachexie, ausgeprägter Altersschwäche oder Abmagerung leiden

• bei Anorexia nervosa.

Sabine hat von ihrem Hausarzt grünes Licht erteilt bekommen. Sie macht sich auf zur Insel und trifft dort, in einem gemütlichen Häuschen, auf vierzehn weitere Teilnehmer aller Altersgruppen.

Die meisten hatten zuhause bereits einige Entlastungstage eingelegt, um dem Körper die Umstellung auf das Fasten zu erleichtern. Am ersten Abend trinken sie das in Wasser aufgelöste Bittersalz. Es wird den Darm leeren und den Körper auf Fasten umstellen.

Aller Anfang ist schwer

Der nächste Morgen, 8.15 Uhr: Frühgymnastik für den Kreislauf. Das ist kein leichter Start, denn die Nacht war kurz und „bewegt“. Die freundliche Trainerin macht Mut: „Ihr Lieben, das wird nun mit jedem Tag leichter, am Ende der Woche seid ihr alle topfit.“ Das folgende „Frühstück“ besteht aus einem Glas frischgepresstem Obst-Gemüse-Saft, verschiedenen Tees, lauwarmem Ingwerwasser und stillem Wasser.

Mit Thermoskannen voll heißem Tee und gefüllten Wasserflaschen geht es los zur ersten Nordic-Walking-Tour. Vorab bekommt jeder passende Walking-Stöcke und eine technische Einweisung.

Erst eine kleine Runde durch den Wald, um zu sehen, wie es denn klappt. Dann rüber an den Strand. Die Gruppe walkt über den Sand, möglichst nah am Wasser, wo der Boden fester ist. „Mir schlägt das Herz bis zum Hals und ich schwitze wie ein Pferd – dabei wäre mir bei solchen Wetterverhältnissen sonst eher kalt“, kommentiert Sabine die für sie anstrengende Erfahrung mit dem ungewohnten Bewegungsablauf auf dem weichen Untergrund und den strammen Wind, der von meerseits an ihr zerrt. Nach etwa 45 Minuten Strandmarsch „dürfen“ alle auf normal festem Untergrund weiterlaufen. Der erste Ausflug dauert dreieinhalb Stunden. Einige haben starke Kopfschmerzen, Sabine auch: „Jetzt noch duschen müssen, das ist fast schlimmer als die Walking-Tour. Ich bin total ausgelaugt und auch ausgekühlt vom Wind. Der Körper braucht jetzt Wärme.“ Mit Tee und einer Wärmflasche legt sie sich nach dem Duschen ins Bett. „Ich habe von Käsebrötchen und Pizza geträumt“, erzählt sie ihren Fastengenossen, als sie sich gegen 18 Uhr zum „Abendessen“ treffen. Gedanken an Essen haben auch die anderen in der Gruppe. Hungergefühle und Appetit sind in den ersten Tagen ganz normal.

Dann gibt es Gemüsebrühe mit frischer Petersilie und Schnittlauch, und Chilipulver (!) für alle und soviel jeder mag. Morgens Saft, abends Brühe, zwischendurch so viel wie möglich trinken – ein unspektakulärer Speiseplan für die Woche. „In der Fastengruppe kann ich die Situation gut ertragen. Alleine würde ich das so bestimmt nicht durchhalten“, stellt Sabine fest.

Zum Fastenprogramm gehören auch abendliche Vorträge mit Erklärungen zu den Abläufen im Körper während des Heilfastens und Informationen über und Anleitungen für gesunde Ernährung.

Aus medizinischer Sicht

Der Körper stellt beim Heilfasten auf den sogenannten Hungerstoffwechsel um. Das heißt, der Stoffwechsel brennt auf Sparflamme und der Organismus greift auf seine Energiereserven in Form der Kohlenhydratreserven in Leber und Muskeln, auf das Körpereiweiß und vor allem auf das Körperfett zurück. Der Blutdruck sinkt, Kreislauf und Herz werden entlastet, das Bindegewebe entwässert und das Atmen kann leichter werden. Nach einigen Tagen, wenn die Eiweiß- und Fettreserven des Körpers nach und nach aufgelöst werden, bilden sich Ketonkörper, wie Azeton, die man an Mund- und Körpergeruch erkennt. In dieser Zeit ist gute Mundhygiene sehr wichtig. Zungenschaber, Zahnseide und Interdentalbürstchen gehören unbedingt zur Zahnbürste dazu.

Pro Tag verlieren Fastende im Durchschnitt etwa 400 Gramm Gewicht, zunächst vor allem Eiweiß und damit Muskelsubstanz. Handelt es sich um eine kurze Fastenzeit, kann der Körper diesen Verlust schnell wieder ausgleichen. Wird aber zu lange gefastet, fasten Kinder oder Kranke, kann der Zugriff auf die Energiereserven gefährlich werden, und zwar, wenn es zu einem bedrohlichen Abbau von Muskeleiweiß (zum Beispiel im Herzmuskel) kommt.

Dem kann man entgegenwirken, indem man sich während der Fastenzeit aktiv bewegt. Durch die Kombination mit Sport, wie dem Nordic Walking, werden die beanspruchten Muskelgruppen gefördert. Das Herz muss verstärkt arbeiten, da der Körper – bedingt durch das Training – verstärkt Sauerstoff benötigt. Der Abbau von Muskeleiweiß wird somit gebremst und der Körper verbrennt stattdessen seine Fettreserven. Weiterhin wird durch die Bewegung während der Fastenphase die Atmung erhöht, was dem Abatmen der Säure durch den Gasaustausch zuträglich ist. Der Kreislauf kommt in Schwung, der Blutdruck wird stabilisiert und das Gewebe entstaut. Schlacken aus Gelenken werden abgebaut. Der Grund, warum nur gesunde Erwachsene über längere Zeit, gegebenenfalls unter ärztlicher Kontrolle, fasten sollten, ist, dass es auch bei kurzzeitigem Fasten zu Problemen kommen kann. Erschöpfung, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schwindelgefühl und Schweißausbrüche sind Symptome, bei denen es sich zumeist um übliche Begleiterscheinungen handelt, die sich während der „Fastenkrise“ in den ersten drei Tagen manifestieren und die durch ausreichend Flüssigkeitszufuhr, eine Darmreinigung mittels Einlauf und Bewegung wieder vergehen. Es kann aber auch zu ernsten gesundheitlichen Problemen kommen. Zum Beispiel, wenn sich bei entsprechender Disposition durch die hohe Cholesterinsättigung der Galle, die infolge der fehlenden Nahrungsreize nicht mehr in den Darm abgerufen wird, Gallensteine bilden.

Licht am Ende des Tunnels

Auch am zweiten und dritten Tag ist Sabine noch müde, fühlt sich schlapp und denkt an Essen. Das Programm ist jeden Tag gleich: Nach der Morgengymnastik und einer Walkingtour haben die Fastengäste Zeit für Körperpflege und zum Ausruhen. Die Ruhephase nach der Anstrengung soll unbedingt eingehalten werden.

Schließlich lassen die Kopfschmerzen nach und verschwinden ganz.

Am vierten Tag hat der Körper hat sich endgültig auf Fasten eingestellt, das Hungergefühl ist verschwunden und gute Laune stellt sich ein.

Der fünfte Tag belohnt die Audauer: Sabine fällt das Aufstehen leicht. Nach der Walking-Tour bemerkt sie lachend: „Ich bin immernoch topfit, heute habe ich endlich noch Kraft für einen ausgedehnten Strandspaziergang.“ Abends geht sie mit einer Fastenfreundin ins Kino. Der Blick in den Spiegel macht Freude: „Mein Bauch ist flach und meine Hautprobleme sind wie weggeblasen!“, freut sich Sabine. Sie ist nicht mehr müde und braucht nur noch wenig Schlaf. Dieses Ergebnis wird sich nun von Tag zu Tag verbessern und stabilisieren.

Positive Auswirkungen

Fasten ist mehr als der Verzicht auf Essen. Die Zeit ohne feste Nahrung fordert durchaus Kraft, körperlich wie auch mental. Nicht für jeden ist die Abkehr vom Essen der richtige Weg, nicht jeder erfüllt dafür die gesundheitlichen Voraussetzungen. Sind diese aber gegeben, kann Fasten vieles bewirken. Denn viele chronische Gesundheitsprobleme können durch einen überlasteten Darm mitbedingt sein.

Verbessert werden können zum Beispiel:

• Kopfschmerzen und Migräne

• Schlafstörungen und morgendliche Anlaufschwierigkeiten

• Lustlosigkeit

• Nervosität, Gereiztheit

• Zungenbelag und Mundgeruch

• Unangenehme Körperausdünstungen

• Rücken- und Kreuzschmerzen,

• Gelenkschmerzen

• Gliederschmerzen

• Atemnot, Herzbeschwerden,

• Gefäßverengung

• Leistungsabfall

• Depressionen

• Vergesslichkeit

• Bluthochdruck

• Allergien, Neurodermitis, Schuppenflechte

• Unreine Haut

Studien zufolge regt Fasten das Immunsystem an, aber eine zu lange Fastenzeit bewirkt den gegenteiligen Effekt. Auch entzündliches Rheuma kann sich bessern. Im Prinzip lassen sich alle durch die Ernährung beeinflussbaren Krankheiten durch Fasten positiv beeinflussen.

Dass dennoch viele Ärzte vom Heilfasten abraten, liegt daran, dass sie die Meinung vertreten, es handele sich dabei um eine sinnlose, unnötige und unnatürliche Tortur für den Körper. Es wird oft bestritten, dass es im Körper Schlacken gibt, die möglicherweise bestimmte Stoffwechselvorgänge behindern können, da durch regelmäßige Verdauung alles Alte ausgeschieden werde. Doch beweist der Fastenvorgang mit Einläufen zur Darmreinigung und mit intensiver Flüssigkeitszufuhr zur guten Spülung der Nieren, dass der Körper sich dabei verstärkt reinigt – die Haut als größtes Ausscheidungsorgan und Spiegel innerer Abläufe ist ein optischer Beweis, denn das Hautbild verbessert sich während des Fastens deutlich.

Aus alt wird neu

Eine Woche ganz ab von allem sein, sich nur um sich kümmern und etwas für sich tun. Es muss keine Fastenwoche sein, manchem reicht vielleicht auch der tägliche Sport in einer Gruppe, um abzuschalten und den Alltag auszublenden.

Sabine zieht Bilanz: „Für mich hat das Heilfasten mehr bewirkt, als nur den Gewichtsverlust: Mein Körper hat Ballast abgegeben und sich regeneriert. Auch meine Seele hat profitiert: Entfernte Erinnerungen waren plötzlich wieder ganz nah, alte Ärgernisse tauchten auf, manches, von dem ich dachte, es sei abgeschlossen, war plötzlich wieder da und forderte einen letzten Tribut. Jetzt, am Ende dieser Zeit, fühle ich mich ausgeglichen und voller Energie.“

Das Hochgefühl am Ende der Fastenwoche hält an. Sabine fällt es leicht, danach die Ernährung zu verändern: Mehr Obst, Rohkost und Gemüse, weniger Fett, Zucker und Alkohol. Sie achtet darauf, ihren Organismus nicht zu überfordern. Zwei- bis dreimal wöchentlich unternimmt sie ausgedehnte Walking-Touren und hält so ihr Gewicht. Denn das ist während der Fastenwoche und bei den Vorträgen dort klar geworden: Fasten eignet sich nicht zum Abnehmen, wenn man danach seine Ernährung nicht umstellt und sich ausreichend bewegt.

„Wer stark, gesund und jung bleiben will, sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft und heile sein Weh eher durch Fasten als durch Medikamente. Hippokrates (460 – 370 v. Chr.)

Es kann jedoch Teil einer Therapie sein und begleitend dazu beitragen, das Ernährungsverhalten zu ändern. Mancher legt den Schwerpunkt während der Fastenzeit auf die innere Einkehr, aber auch dann ist Bewegung unerlässlich, um den Körper während dieser Phase in seinen Funktionen zu unterstützen. Was auch die Entscheidung zum Heilfasten begründet: Es gibt Schwung für ein verändertes Alltagsleben und erleichtert die Trennung von schlechten Gewohnheiten.

Martina Schönegge

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