Bonbons bei Bonität
Das Ende der niedrigen Zinsen naht. Anfang Juni deutete Europas Währungshüter Jean-Claude Trichet eine Erhöhung des europäischen Leitzinses für Juli an. Der Grund ist die hartnäckig hohe Inflationsrate. Die Prognose der Bundesbank für 2008 lautet jetzt 3 nach 2,3 Prozent. Da wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis auch die Kreditzinsen für die Privatkunden anziehen werden. Verbraucher sollten also jetzt die Gunst der Stunde nutzen und sich die attraktiven Konditionen, die derzeit bei rund fünf Prozent liegen, für möglichst lange Zeit sichern, sei es für eine Hypothek, eine Anschlussfinanzierung oder ein Forward-Darlehen. Die anziehende Inflation stellt für Kreditnehmer jedenfalls keine Bedrohung dar.
Zudem befinden sich die Kunden derzeit in der komfortablen Situation, dass sich alle Kreditanbieter um sie reißen. Der Wettbewerb im Privatkundenbereich der Geldindustrie ist extrem. Auf der Habenseite überbieten sich die Banken mit immer höheren Tagesgeldzinsen und Guthaben auf dem Girokonto für neue Kunden. Auf der Sollseite werden gerade Baugeld Suchende mit ständiger Flexibilisierung der Kredite geködert.
Deutsche Gründlichkeit
Eigentlich hätte man davon ausgehen können, dass die Hypothekenkrise in den USA zu mehr Restriktionen auch auf dem deutschen Markt geführt hätte. Doch dies ist nicht der Fall. Der Grund: Deutsche Kreditinstitute waren im internationalen Vergleich bei der Vergabe von Krediten schon immer sehr vorsichtig. In kaum einem anderen Land werden die Kunden einer derart peniblen Prüfung unterzogen, bevor ihnen ein Kredit genehmigt wird. Selbständige und Freiberufler wissen ein Lied davon zu singen.
Doch bevor es so weit ist, sollte erst einmal das Traumhaus oder die schicke Eigentumswohnung gefunden werden. Dann folgt der Kassensturz, um festzustellen, ob das neue zu Hause beziehungsweise die Geldanlage überhaupt realisierbar ist. Erst dann weiß der Kunde, welchen Kreditbedarf er eigentlich hat.
Die Banken und Vermittler jedenfalls halten inzwischen für jeden die passende Variante bereit. Am günstigsten schneiden derzeit – das ergab eine Umfrage der Stiftung Warentest im März dieses Jahres – immer noch die Kreditvermittler ab. Sie bieten die niedrigsten Zinsen und vergeben ihre Kredite über das Internet, Telefon oder Post. Zu den günstigen Anbietern zählen Enderlein & Co., Hypotheken-Discount und der größte Anbieter, Interhyp. Jedenfalls haben die Vermittler den Vorteil, dass sie häufig mit zehn, 20 oder sogar 40 verschiedenen Anbietern, wie Banken und Versicherungen, zusammenarbeiten. Sie haben auf diese Weise Zugriff auf sehr viele unterschiedliche Angebote, deshalb fällt es leichter, die individuellen Wünsche zu befriedigen. Die Banken liegen mit ihren Konditionen meist etwas schlechter als die Vermittler. Doch inzwischen holen sie leicht auf. Auch bei Volksbanken und Sparkassen finden sich Sondertilgungsrechte, flexible Raten, lange Zinsbindungen auf der Angebotspalette.
Auf Familienfang
Ebenfalls umgarnen die Versicherungen, die häufig Kontingente für Hypotheken bereithalten, potenzielle Kunden mit besonderen Angeboten. So lockt die Hannoversche Leben mit einer Familienhypothek. Dabei handelt es sich um ein Festzinsdarlehen, bei dem für jedes Kind ein Zinsrabatt von 0,25 Prozent auf 75 000 Euro Kreditsumme für die ersten fünf Jahre der Laufzeit eingeräumt wird. Die Laufzeiten für die Zinsbindung liegen zwischen fünf und 30 Jahren. Die Zinsen rangieren derzeit zwischen 4,41 Prozent effektiv für fünf Jahre und 5,16 Prozent für 30 Jahre effektiv (Stand: 6. Juni 2008). Außerdem ist eine Sondertilgung zwischen einem und zehn Prozent der Darlehenssumme möglich. Interhyp bietet bei den Konstant-Darlehen eine familienfreundliche Variante an. Dabei entfallen für jedes Neugeborene zwei Monatsraten. Der Zins beträgt derzeit 5,89 Prozent effektiv für eine Laufzeit von 30 Jahren. Diese Darlehensform ermöglicht gerade jungen Familien Planungssicherheit. Allerdings zieht Interhyp bei vier Babys die Grenze. Diese Finanzierung ist eine Kombination von einer Hypothek und einem Bausparvertrag.
Speziell für Freiberufler, wie Zahnärzte, die schwankende Einkommen haben, empfiehlt Manfred Hölscher von Enderlein & Co. GmbH in Bielefeld „die Kombination aus Festzinsdarlehen und einer variablen Hypothek.“ Werden zum Beispiel 300 000 Euro benötigt, nimmt der Kunde für 150 000 Euro ein Darlehen mit einer zehnjährigen Laufzeit auf und lässt sich zusätzlich das Recht auf eine Sondertilgung einräumen. Für die andere Hälfte bekommt er eine Hypothek mit variablen Zinsen. Der Vorteil ist, steigen die Einnahmen der Praxis, kann er den variablen Kredit jederzeit tilgen. Zwar kostet diese Variante einen Zinsaufschlag, doch geringere Kreditzinsen, weil die Darlehenssumme sinkt, sind sicher das lohnendere Geschäft. Wer die Wahl hat, hat eben auch die Qual.
Der Check der Bank
Ganz gleich, für welche spannende Kreditvariante sich der angehende Immobilienbesitzer auch entscheidet, vor der Vertragsunterschrift steht zuerst die Bonitätsprüfung durch die Bank beziehungsweise Vermittler. Denn darin sind sich alle Anbieter einig. Sie wollen an dem Kunden Geld verdienen und nicht zuschießen. Sie stellen zwei Fragen: Kann er den Kredit bedienen? Ist das Objekt so gut, dass wir es im Notfall wieder leicht verkaufen können?
Was das Objekt angeht, so kommt es leider nicht auf die architektonische Ausgestaltung oder angenehme Extras an. Die Bank liebt den Standard, den die meisten Häuslebauer schätzen. „Eine Villa, die zwei bis drei Millionen Euro kostet und zudem noch mit Schwimmbad oder gar einer Kegelbahn ausgestattet ist, gehört gewiss nicht dazu“, weiß Elgin Gorissen-van Hoek, Sachverständige für private Baufinanzierung an der IHK München und zertifizierte Finanzplanerin. Schon bei einer Kreditvergabe hat der Bankberater die mögliche Zwangsversteigerung im Hinterkopf und ob das Objekt dann noch zu einem guten Preis weggeht oder nicht. Der Käufer muss natürlich alle Unterlagen beibringen. Dazu gehören ein Ausschnitt aus der Flurkarte, um die Lage des Objekts beurteilen zu können, die Baubeschreibung, Baupläne, Berechnung des umbauten Raums, Wohnflächenberechnung und so weiter. Nachteilig wirkt sich zum Beispiel auch aus, wenn das Grundstück 30 Meter tief ist. Der hintere Teil wird automatisch schlechter bewertet. Das Objekt sollte in die Gegend passen, wichtig sind Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Apotheken, eine gute Anbindung an die Verkehrsmöglichkeiten, und auch die Sonnenausrichtung zählt. Das Haus sollte Lebensmittelpunkt sein.
Eigennutzung gern gesehen
Gern sehen es die Kreditsachbearbeiter, wenn der Kunde seine Immobilie selbst bewohnt. Sie gehen dann davon aus, dass er sich intensiv um seine Erhaltung kümmert. Handelt es sich um ein Mietobjekt, sollte es nicht weiter als 50 Kilometer vom Wohnort seines Besitzers entfernt sein. Er wird dann eher bereit sein, mal nach dem Rechten zu sehen. Und steht das Haus in einer attraktiven Großstadt, gibt es auch dafür Pluspunkte. „Es muss nicht München oder Hamburg sein“, meint Kai Oppel, Sprecher von Hypotheken-Discount, „es darf auch eine Stadt in den neuen Bundesländern sein, zum Beispiel Dresden, Erfurt oder Leipzig, die sind alle im grünen Bereich.“
Innerhalb einer Stadt sollte es dann ein besseres Viertel sein. Doch auch was einmal topp war, muss nicht topp bleiben. So sinken im ehemaligen Kölner Nobelviertel Hahnwald allmählich die Preise, weil kaum jemand an den großen Grundstücken mit den luxuriösen Villen zu horrenden Preisen interessiert ist.
Ihr besonderes Augenmerk richten Banken auf die Bonität der Kunden, seitdem die Basel II Richtlinien den Geldhäusern strengere Vorschriften für die Kreditvergabe vorschreiben. Deshalb gilt grundsätzlich die Regel, je mehr Eigenkapital ein Kunde nachweisen kann, desto günstiger fallen die Konditionen für den Kredit aus. Elgin Gorissenvan Hoek weiß aus Erfahrung: „Die tollen Angebote sind immer Schaufensterkredite. Diese Konditionen gelten nur für Kunden, die über 40 Prozent Eigenkapital verfügen und zusätzlich alle Nebenkosten, die beim Kauf anfallen, aus eigenem Guthaben zahlen können. Sie verfügen also über 50 Prozent der Kaufsumme als Eigenkapital.“ Diese Aussage bestätigen die Bedingungen, die die Hannoversche Leben für die Vergabe der Familien-Hypothek fordert: „Erstrangiger Beleihungsauslauf bis maximal 50 Prozent des Immobilienwertes.“
Kredit und Wert
Mit anderen Worten macht die Bank oder in diesem Fall die Versicherung ihre Zinssätze unter anderem vom Beleihungsauslauf abhängig. Damit ist das Verhältnis der Kreditsumme zum Wert der Immobilie gemeint. Je höher der Kreditanteil, desto höher schätzt die Bank das Risiko ein und entsprechend hoch setzt sie den Zinssatz an. Den Beleihungsauslauf berechnen die Kreditinstitute nicht aufgrund des Kaufpreises, sondern vielmehr nehmen sie den Beleihungswert, der häufig zirka zehn Prozent niedriger liegt, als Basis. Wer eine Beleihung von 80 Prozent wünscht, bekommt in Wirklichkeit nur einen Kredit über 72 Prozent der Kaufsumme. Alle Geldgeber möchten ihre Forderung an erster Stelle (erster Rang) im Grundbuch eingetragen haben. So können sie im Falle einer Insolvenz als erste Gläubiger Anspruch auf die Begleichung der Schulden erheben. Im ersten Rang liegt der Beleihungswert bei 60 Prozent im zweiten Rang bei 80 Prozent. Wem ein Beleihungswert von 60 Prozent für die Finanzierung seines Vorhabens nicht ausreicht, sollte gleich nach den Konditionen für eine 80-Prozent-Beleihung fragen.
Voraussetzung für eine gute Finanzierung ist der Check der Bank, welche Belastung der Kunde überhaupt aushält. Von einem selbständigen Zahnarzt verlangt die Bank genaue Nachweise über seine Einkunftsund Vermögenssituation aus den vergangenen zwei bis drei Jahren sowie die BWA (betriebswirtschaftliche Auswertung) des laufenden Jahres. Von Interesse sind auch weitere Einkünfte aus Renten oder sonstigen Geldanlagen wie Bankguthaben oder Rückkaufwerte von Lebensversicherungen. Angestellte Ärzte legen die Gehaltsnachweise der letzten zwei bis drei Monate vor.
Faktoren zur Kalkulation
Positiv wirkt sich die Berufstätigkeit des Ehepartners aus, besonders wenn der feste Bezüge hat. Grundsätzlich haben Freiberufler in den letzten Jahren ihr Image bei der Kredit gebenden Zunft verbessert. „Es ist kein Knock-out-Kriterium mehr, Zahnarzt zu sein“, witzelt Hypotheken-Discount-Sprecher Oppel. Doch die Ironie hat durchaus einen ernsten Hintergrund. Denn viele Zahnärzte haben – und etliche tun es heute noch – den großen Ehrgeiz, möglichst wenig Steuern zahlen zu müssen. Ihr Engagement in geschlossenen Fonds, die mit Verlustzuweisungen gelockt haben, oder die Fehlinvestitionen in Schrottimmobilien haben häufig dazu geführt, dass die zu versteuernden Einkünfte gegen Null tendierten. Das sind erfahrungsgemäß keine guten Voraussetzungen für einen Kredit. Dennoch zählen Ärzte und Zahnärzte unter den Freiberuflern zu den Toppfavoriten innerhalb der Bankklientel.
Die Bank prüft die monatliche Belastung. Sie setzt pro Person einen bestimmten Betrag für den Lebensunterhalt an. Der richtet sich nach dem Einkommen und dem gewohnten Lebensstandard. Die Mindestsätze liegen zwischen 650 und 1 100 Euro für Ledige, 1 300 bis 2 200 für Verheiratete, 180 bis 260 Euro je Kind und pro Monat. Für ein zweites Auto kommen noch mal 250 Euro monatlich hinzu. Dazu addieren sich die Ausgaben für die Rate, Nebenkosten, Steuern und die Rücklagen für die Instandhaltung.
Der Zahnarzt, der seine Kreditanfrage an seine Hausbank richtet, die ihn als guten und zuverlässigen Kunden kennt, hat jetzt die Prüfung wahrscheinlich bestanden und bekommt seine Kreditzusage. Wer aber auf der Suche nach besonders günstigen Zinsen ist, sollte mit seinen gesamten Unterlagen zu verschiedenen Anbietern gehen, um Vergleichsangebote einzuholen. Kreditvermittler und Internetbanken wie ING-Diba bieten günstige Konditionen. Doch im standardisierten Kreditgeschäft kommt die persönliche Bekanntschaft mit dem Filialleiter nicht zum Zuge.
Das Ratespiel beim Rating
Der Geldgeber wird automatisch sein Scoring-Modell (bei Selbständigen heißt es Rating) in Gang setzen und den Kunden unter die Lupe nehmen. Nur weiß dieser nicht, nach welchen Kriterien er geprüft wird. Die Scoring-Modelle zeigen nach der Ampel-Methode an, ob der Kredit bewilligt werden kann oder nicht. Jede Bank oder Bankengruppe hat inzwischen ihre eigenen Modelle entwickelt. Sie unterzieht ihren Kundenstamm einer genauen Prüfung und weiß so, wie sie Bewohner bestimmter Viertel, wie sie Augen- und Zahnärzte, Angestellte und Beamte und so weiter einzuordnen hat. Hat die Bank in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit einer bestimmten Berufsgruppe gemacht, wird sie bei der Kreditvergabe vorsichtig sein. Auch der Name der Hausbank, bei der der Kunde sein Girokonto führt, kann negativ oder positiv besetzt sein.
Neben ihren eigenen Kriterien fragt jedes Kreditinstitut bei der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) nach. Sie speichert alle möglichen Daten über Kunden von Banken, Versandhäusern, Telefongesellschaften und auch Ebay. Dazu gehören Informationen wie verheiratet oder nicht, Beruf, Alter, ist der Dispokredit überzogen und wie wurden Kredite in der Vergangenheit bedient. Inwieweit sich die Wohnadresse auf die Beurteilung auswirkt, ist nicht ganz klar. Aus ihren Daten ermittelt sie Score-Werte für deren Kunden. Sie sagen aus, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Kunde seinen Kredit zurückzahlen wird. Jeder der 60 Millionen von der Schufa beurteilten Menschen bekommt einen Score-Wert zwischen 0 und 1 000. Je höher der ausfällt, desto besser ist die Bonität. Wie er zustande kommt, kann er leider nicht nachvollziehen. Auch eine Beeinflussung ist nicht möglich.
Knapp daneben
Wohin falsche Angaben von Seiten der Banken führen können, zeigt eine Untersuchung der Stiftung Warentest. Testpersonen fragten bei verschiedenen Instituten nach Kreditkonditionen, um einen Vergleich anstellen zu können. Dabei stellte sich heraus, dass Bankberater heimlich bei der Schufa nachfragten. Die Testpersonen konnten dies überprüfen, indem sie vor und nach den Bankbesuchen eigene Schufa-Auskünfte einholten. Bei einigen Bankbesuchen sah die Auskunft hinterher schlechter aus. Der Grund: Der Bankmitarbeiter hatte bei der Computerabfrage als Grund für seinen Wunsch „Anfrage Kredit“ statt Anfrage „Kredit Konditionen“ angegeben. Die Schufa musste nun davon ausgehen, dass der Testperson kein Kredit gewährt worden ist – also ein Negativmerkmal. Es lohnt sich also, von Zeit zu Zeit die Eintragungen zu überprüfen.
Doch viele Banken und auch die Kreditvermittler erbitten erst dann eine Auskunft von der Schufa, wenn der Kunde sich für den Kredit entschieden hat. So vermeiden sie überflüssige Eintragungen.
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de