Google Health

Die Akte

Trends blitzschnell erkennen – diese Gabe hat Google zu einem der erfolgreichsten Player im Onlinegeschäft gemacht. Jetzt hat der IT-Riese mit „Google Health“ einen neuen Service im Angebot. Die Idee: User speichern ihre medizinischen Daten in einer elektronischen Gesundheitsakte (eGA) und können sie jederzeit online abrufen. Der direkte Zugang verspricht verlockende Vorteile – aber wie sieht es mit der Sicherheit der gespeicherten Daten aus?

Die eigene Krankengeschichte auf einen Klick – das verspricht der neue Google-Dienst, den das Unternehmen im Mai vorstellte. Zurzeit wird das Health-Tool mit Archivierungs- und Verwaltungsfunktion von Krankheitsdaten mit 1 500 Patienten der Cleveland Clinic in Ohio getestet. Danach soll es überall in den USA an den Start gehen, schnell auch weltweit. Die Anmeldung bei Google Health ist schon jetzt auch in Deutschland über ein reguläres Google-Account möglich.

Infos und Service

In der Google-Gesundheitsakte können User zum Beispiel medizinische Befunde oder Laborwerte speichern. Oder dokumentieren, welche Medikamente sie aktuell oder in der Vergangenheit eingenommen haben. Eine virtuelle Pillenschachtel weist sie darauf hin, wann ein Medikament zur Neige geht und eine neue Packung bestellt werden sollte – zu diesem Zweck enthält Google Health eine eingebaute Verlinkung mit Apotheken. Die Pillenbox erinnert außerdem an die richtige Einnahmezeit und informiert über Neben- und Wechselwirkungen der Arzneien. Als weitere Funktion bietet der Service eine Spezialsuchmaschine für medizinische Themen. Es gibt auch eine Arztsuche mit der Möglichkeit, Termine online zu vereinbaren.

Zugang zu der eGA hat allein der User. Aktuelle Untersuchungsergebnisse können auch direkt von Ärzten und Krankenhäusern eingespeist werden, dafür müssen sie aber die Erlaubnis des Patienten einholen. Gibt der grünes Licht, können sich die behandelnden Ärzte schnell einen Überblick über die Krankengeschichte verschaffen – ohne mühsame Recherche.  

Die Industrie wirbt damit, dass elektronische Gesundheitsakten das Potenzial hätten, die Kommunikation zwischen Arzt und Patient zu erleichtern und Wege entscheidend zu verkürzen. Aber was, wenn User ihre Daten falsch eingeben und so eine Fehldiagnose verursachen? Zu heikel ist für Kritiker auch die Ankündigung, dass Google die Infos statistisch auswerten will, um Trends zu erkennen und zu messen. Das solle aber nur, heißt es in den Geschäftsbedingungen, in anonymisierter Form und mit Einverständnis der User geschehen.  

Niedrige Hürden 

Skeptisch bis ablehnend bewerten Datenschützer den neuen Health-Dienst. Für sie stellt sich nicht nur die Frage, ob, wie und von wem die Inhalte der eGA zu Marktforschungszwecken genutzt werden. Sie bemängeln vor allem, dass die Daten nicht ausreichend gesichert sind. Auf der Plattform GoogleWatchBlog merkt ein User an, dass der Zugang zu Google Health wie bei GoogleMail über Benutzernamen und Passwort funktioniert. Das heißt, es wurden keine weiteren Schutzmechanismen eingebaut – obwohl durch die Gesundheitsinfos Wert und Wichtigkeit der gespeicherten Daten enorm gestiegen sind. So könnten theoretisch Versicherungen und Arbeitgeber den Versuch starten, sich in die Akte einzuhacken, um auszuspionieren, wie fit ein potenzieller Versicherter beziehungsweise Mitarbeiter ist. Oder einfach Druck machen, so dass der Betroffene ihnen seine Krankengeschichte direkt am Bürorechner zeigt.  

Kritik an Google Health kommt auch von der Ärzteschaft. Ihr Standpunkt: Auch wenn die IT-Firmen versprechen, die Daten zu anonymisieren und sie nur mit Einverständnis der User weiterzugeben – der kommerzielle Aspekt überschreitet eine deutliche Grenze. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Patientendaten zur Handelsware werden. Diese hoch sensiblen Gesundheitsdaten gehören nicht in die Hände von unbefugten Dritten, die in Betracht ziehen, daraus ein Geschäft zu machen“, sagte Dr. Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender im Ausschuss Telematik der Bundesärztekammer (BÄK), im „Deutschen Ärzteblatt“.  

Die BÄK fordert, die eNutzung der Patientendaten durch Kostenträger, staatliche Stellen, Industrieunternehmen oder andere gesetzlich zu verhindern. In ihrem Positionspapier zur Telematik im Gesundheitswesen befasst sich die BÄK auch mit der eGA. Darin heißt es: „Die Ärzteschaft steht den Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz von Telematik in Form der sicheren elektronischen Punkt-zu-Punkt-Kommunikation, einer elektronischen Patientenakte und des Telemonitorings bei Patienten mit chronischen Erkrankungen ergeben, aufgeschlossen gegenüber. Unabdingbare Vorausetzung für die Nutzung telematischer Verfahren in der Medizin ist der Schutz der sensiblen Patientendaten vor dem Zugriff Dritter.“ Das ist auch die Position der KZBV: „Neben dem rechtlichen Schutz ist es ebenso elementar, die Daten dauerhaft vor einem Zugriff durch Kostenträger, Staat oder Dritte technisch wirksam zu schützen“, betont der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Günther E. Buchholz. Für den Schutz der Akten habe sich aber weder international noch in Deutschland ein Standard etabliert.  

Eine Lösung für die kommerziellen Gesundheitsakten sollte bald gefunden werden, denn das Geschäft boomt. Microsoft hat im Oktober 2007 seinen Dienst „Health Vault“ gestartet. Auch in dieser Akte sammeln User ihre Gesundheitsdaten. Microsoft stellt ihnen den Speicherplatz zur Verfügung und bietet gleichzeitig die Möglichkeit, in einer medizinischen Suchmaschine nach Informationen über Krankheiten zu suchen. Suchen dürfen auch andere: Microsoft plant, die gespeicherten Daten in anonymisierter Form und mit Einverständnis der User an Pharmaunternehmen und Versicherungen für die Marktforschung zu verkaufen – an anderer Stelle zeigt sich das Unternehmen beim Datenschutz kooperativ. Der Softwarehersteller arbeitet mit dem Patientenverband PatientPrivaceRights.org zusammen, der die Plattform regelmäßigen Sicherheitschecks unterzieht. Google hat hingegen einen schlechten Ruf im Umgang mit persönlichen Daten: Der Konzern wird immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, er speichere Suchanfragen und durchsuche E-Mails, um auf den User zugeschnittene Werbung einzublenden.  

In Deutschland ist das Unternehmen Compugroup mit seiner vita-X-Gesundheitsakte in den neuen Markt eingestiegen. Das Konzept: Alle behandelnden Ärzte eines Patienten führen die elektronische Akte gemeinsam, müssen dafür aber erst Rücksprache mit dem Patienten halten und dessen Einverständnis einholen.  

Auch die Barmer Ersatzkasse hat im vergangenen August ein Forschungsvorhaben zur eGA initiiert: Alle Barmer-Versicherten bekamen die Möglichkeit, ihre Daten webbasiert zu speichern und sich mithilfe von Informationstools über Gesundheits- und Präventionsthemen zu informieren. Die Kasse will testen, wie sich die eGA auf das Leistungsinanspruchnahmeverhalten der Patienten und die Abstimmung des Behandlungsablaufs auswirkt.  

Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net

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