Nicht invasiv mit neuer Methode

Früherkennung von Mundhöhlenkrebs mittels Gewebefluoreszenz

212021-flexible-1900
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Plattenepithelkarzinome der Mundhöhle entstehen zum Teil aus Vorstufen, die klinisch als Erythro- oder Leukoplakie imponieren. In Deutschland erkranken nach Daten des Robert Koch-Institutes jährlich rund 7 700 Männer und 2 300 Frauen. Dies entspricht einem Anteil von knapp fünf Prozent an allen bösartigen Neubildungen bei Männern, beziehungsweise einem Prozent bei Frauen. Zur Diagnostik wird neben der klinischen Inspektion und der Biopsie auch die Exfoliativzytologie eingesetzt. Nun gibt es eine neue Methode, die hier vorgestellt wird.

Zur Diagnosesicherung von unklaren Schleimhautveränderungen ist in vielen Fällen ein invasiver Eingriff im Sinne einer Biopsie notwendig. Bei großflächigen Veränderungen können in der Praxis aus repräsentativen Arealen einzelne Proben entnommen werden, da für eine vollständige Aufarbeitung eine aufwendige Exzision notwendig wäre. Mittels Bürstenbiopsie lässt sich zwar von größeren Läsionen nicht invasiv Material gewinnen und auswerten, jedoch ist zur Bestätigung von atypischen oder positiven Befunden die Entnahme einer Biopsie zwingend notwendig [Remmerbach et al., 2004; Sciubba, 1999]. Beim Oral CDx Verfahren wurde in aktuellen Studien die Anzahl an falsch negativen Ergebnissen und die damit verbundene Verzögerung der Therapie als nachteilig gewertet [Poate et al., 2004, Potter et al., 2003]. Als weitere adjuvante Methode zur Identifikation von Dysplasien und Karzinomen in klinisch auffälligen Läsionen wurde die Vitalfärbung der Mundschleimhaut mit einprozentiger Toluidin-Blau-Lösung propagiert [Guo et al., 2001; Warnakulasuriya et al., 1996]. Zur Bestätigung sind eine Kontrolle des Befundes nach zwei Wochen und gegebenenfalls eine Inzisionsbiopsie indiziert.

Eine Reihe von aktuellen Untersuchungen konnte zeigen, dass sich prämaligne und maligne Schleimhautveränderungen von Normalbefunden unter Zuhilfenahme der Spektroskopie oder Fluoreszenz unterscheiden lassen [Kulapaditharom et al., 2001; Lam et al., 1993; Muller et al., 2003; Ramanujam et al., 1994; Svistun et al., 2004; Zheng et al., 2003].

Die Fluoreszenz eines Gewebes wird durch die natürlich vorkommenden Fluorchrome und die anregende Wellenlänge bestimmt und ist ein physikalisches Phänomen. Als Fluorochrome kommen intra- und extrazelluläre Substanzen, wie Nicotinamid Adenin Dinukleotid (NADPH), Flavin Adenin Dinukleotid (FAD), Kollagenmatrix, Elastin und Keratin in Frage. Ferner wurden auch Porphyrine als Ursache der Autofluoreszenz in Mundhöhlentumoren identifiziert [Harris et al., 1987]. Neben der intrinsischen Fluoreszenz ist die Absorption und Streuung des emitierten Lichtes von Bedeutung. Durch Zellkerne und andere Zellorganellen wird das emitierte Licht gestreut. Oxy- und Desoxyhämoglobin absorbieren die Autofluoreszenz. Zusammengenommen führen Veränderungen der Gewebearchitektur und Durchblutung über die oben geschilderten Phänomene zu Veränderungen der Autofluoreszenz im Vergleich zur umgebenden Schleimhaut. Einschränkend ist zu bedenken, dass durch Porphyrin produzierende Mikroorganismen auf Schleimhautläsionen sowie auf dem Zungenrücken und in Plaque eine abwischbare, orangefarbene Autofluoreszenz detektiert werden kann (Abbildungen 1a und b) [Onizawa et al., 2002; Poh et al., 2007].

Darstellung der Gewebeautofluoreszenz

Das „VELScope“ (Visually Enhanced Lesion Scope) ist ein Gerät, das aus einem Handstück und einer Lichtquelle besteht (Abbildung 2). Das Handstück besitzt zwei Öffnungen. Durch die vordere Öffnung tritt das blaue Licht mit einem Exzitationsspektrum von 400 bis 460 Nanometer (nm) aus. Durch die andere Öffnung kann der Betrachter mithilfe eines dichroitischen Spiegels die grüne Autofluoreszenz der angeregten Mundschleimhaut erkennen (Abbildung 3). Sowohl für die Anregung als auch für die Detektion der Autofluoreszenz steht der gleiche Strahlengang zur Verfügung. An das Objektiv lassen sich verschiedene Kamerasysteme für die Dokumentation und Auswertung anschließen. Die normale Schleimhaut der Mundhöhle imponiert als grünlich, leicht inhomogene Färbung (Abbildungen 4a bis f).

Im Rahmen einer eigenen Pilotstudie wurden Schleimhautveränderungen vor geplanter Biopsieentnahme mithilfe dieses Verfahrens untersucht. Die ersten Ergebnisse zeigten, dass Veränderungen ohne Nachweis von Dysplasie oder invasivem Karzinom keine Auslöschung der Fluoreszenz zeigten (Abbildungen 5a/b und 6a/b). Bei dysplastischen Läsionen und Karzinomen wird das Licht durch den Abbau der Kollagenmatrix stärker absorbiert und gestreut, was zu einer Verminderung der grünen Autofluoreszenz („Fluorescence Visualization Loss“, FVL) führt und im Objektiv als Region mit ausgelöschter oder verminderter Fluoreszenz erkennbar ist [Lane et al., 2006] (Abbildung 6a und b). In der Untersuchung von Poh et al., war ein FVL signifikant mit einem LOH (Loss of Heterozygosity) auf dem Chromosom 9p assoziiert [Poh et al., 2007].

Bei erosiven oder akut entzündeten Läsionen kann ebenfalls ein FVL erkennbar sein. Hierbei erscheint die verbesserte Durchblutung die Ursache für die falsch positive Auslöschung der Autofluoreszenz zu sein [Kois et al., 2006] (Abbildungen 7a und b).

Studien mit VELScope

Neben älteren Studien zur Fluoreszenzdiagnostik [Sankaranarayanan, 1989] wurden mit dem VELScope-Gerät bislang zwei Beobachtungsstudien und zwei Fallsammlungen mit insgesamt 77 Patienten veröffentlicht (Tabelle 2). Bei den untersuchten Patienten handelte es sich durchweg um ein hoch selektioniertes Patientengut mit vorbestehenden Plattenepithelkarzinomen. Weit häufigere Schleimhautläsionen, wie der Lichen ruber, mechanische Druckstellen und andere, wurden bislang mit dem Verfahren noch nicht systematisch auf ihr Autofluoreszenzverhalten hin untersucht.

Zusammenfassung

Mithilfe der Gewebefluoreszenz können die Schleimhäute der Mundhöhle direkt auf fluoreszenzgeminderte Areale untersucht werden. In Ergänzung zur klinischen Untersuchung soll die Sensitivität bei der Erkennung von Hochrisikoläsionen und invasiven Karzinomen der Mundschleimhaut erhöht werden. Die einfache und schnelle Anwendung ermöglichen ein Screening von Risikopatienten und Entnahme von Biopsien aus den Arealen mit verminderter Autofluoreszenz. Durch eine Reihe von Untersuchungen konnte unter Berücksichtigung der Autofluoreszenz die Sensitivität und Spezifität gegenüber der rein klinischen Betrachtung gesteigert werden, jedoch liegen bislang nur begrenzte Erfahrungen zu benignen Mundschleimhautläsionen vor [Kulapaditharom et al., 2001]. Bei klinisch unauffälligen, phenotypisch normal erscheinender Schleimhaut scheint die Fluroreszenzdiagnostik ebenso zusätzliche Informationen zu liefern, wie bei der Darstellung der Resektionsgrenzen bei manifesten Plattenepithelkarzinomen [Paczona et al., 2003; Poh et al., 2006].

Weitere prospektive Untersuchungen zur Bewertung der Interobservervariabilität sind ebenso notwendig wie kontrollierte Studien zur Häufigkeit und Aussagekraft von FVLs in einem nicht selektionierten Patientengut.

Die Wertigkeit des Screenings auf Mundhöhlenkarzinome wurde in einer kontrollierten, randomisierten Studie in Indien untersucht. Zwar konnte durch das Screening die Mortalitätsrate nicht signifikant gesenkt werden, jedoch war in der Hochrisikogruppe mit Alkohol- und Tabakabusus die Sterblichkeit in dem gescreenten Kollektiv geringer als in der Beobachtungsgruppe [Sankaranarayanan et al., 2005].

Die Ergebnisse dieser Untersuchung unterstreichen die Notwendigkeit des Screenings von Risikogruppen mit Alkohol und/oder Tabakabusus ebenso, wie das Statement der 1. Nationalen onkologischen Präventionskonferenz für Kopf-Hals-Tumore, das unter der Schirmherrschaft der Deutschen Krebsgesellschaft formuliert wurde. Vorerst kommt der zahnärztlichen Untersuchung der Mundschleimhaut sowie der konsequenten Aufklärung und Beratung von Risikopatienten, insbesondere von Rauchern, die größte Bedeutung bei der Früherkennung und Prävention von Mundhöhlentumoren zu.

Dr. med. Dr. med. dent. Martin ScheerDr. Jörg NeugebauerProfessor Dr. Dr. Joachim ZöllerKlinik für Mund-, Kiefer- und PlastischeGesichtschirurgie und InterdisziplinärePoliklinik für Orale Chirurgie undImplantologie der Universität zu KölnKerpener Straße 6250931 Kölnm.scheer@uni-koeln.de

\n

Autoren, Jahr

Methode

Untersuchte Patienten

Sensitivität

Spezifität

\n

[Sciubba 1999]

Oral CDx

298

100 %

93 %

\n

[Poate et al., 2004]

Oral CDx

112

71 %

32 %

\n

[Remmerbach et al., 2004]

Zytologie und DNA-Bild-zytometrie

332

98 %

100 %

\n

[Warnakulasuriya et al., 1996]

1% Tolouidin-Blau

102

77-100 %

52-86 %

\n

[Frenandez Garrote et al., 1995; Mashberg et al., 1984; Mathew et al., 1997; Mathew et al., 1995; Mathew et al., 1996; Mehta et al., 1986; Warnakulasuriya et al., 1984; Warnakulasuriya et al., 1991]

Visuelle Untersuchung

57,7-61,4 %

98,6-98,8 %

\n

\n

Autor,

\n

Jahr

Studien-

\n

design

N =

Ergebnisse

\n

[Kois et al.,

2006]

Case Report

■ 4 Patienten eines

Nachsorgeprogramms

FVL führte in 3 von 4 Fällen zu einer

Identifikation von Läsionen mit

Dysplasien/Karzinomen

\n

[Lane et al.,

2006]

Beobach-

tungsstudie

■ 50 Patienten eines

Nachsorgeprogramms

6 Patienten mit normaler

Schleimhaut

11 Patienten mit Dysplasie/CIS

33 Patienten mit SCC

98 % Sensitivität,

100 % Spezifität

91 % der Dysplasien und

100 % der Karzinome

zeigten ein FVL

\n

\n

\n

\n

\n

\n

[Poh et al.,

2006]

Beobach

tungsstudie

■ 20 Patienten mit

bereits histologisch

gesicherten oralen

Plattenepithelkarzinomen

Alle Tumoren zeigten ein FVL. In

19 von 20 Fällen war der Bereich mit

einem FVL größer als der klinisch

erkennbare Tumor. Die Differenz zwischen klinisch erkennbarer Läsion

und FVL betrug im Mittel 10,3±5,7 (4-25mm)

\n

\n

\n

\n

\n

[Poh et al.,

2007]

Case Report

■ 3 Patienten eines

Nachsorgeprogramms

Biopsie der FVL Bereich ergab in

2 Fällen ein Karzinom und in einem

Fall eine Dysplasie

\n

\n

\n

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