Stabil in Zeiten des Umbruchs
Sehr verehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,
es knirscht im Gebälk. So kann man mit Fug und Recht das derzeitige Gerangel um den Gesundheitsfonds bezeichnen. Das Kernstück der letzten Gesundheitsreform – nun droht es, zu kippen. Die Gesundheitsministerin hält weiter an ihrem Plan fest, aber Experten melden sich zu Wort, warnen, geben Meinungen ab und stehen vor Entscheidungen. Und seit der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesversicherungsamt, der den sogenannten Morbi-RSA als Fundament für den Fonds vorbereiten soll, zurückgetreten ist, ist guter Rat teuer. Zumindest der Zeitplan für die Einführung des Fonds dürfte fraglich sein.
Unruhige Zeiten herrschen auch bei den Krankenkassen. Im Zeichen der Aufstellung des neuen Spitzenverbandes Bund werden die Karten neu gemischt, die bisherigen Kassenverbände verlieren ihre angestammte Rolle und müssen sich anders positionieren. Auch die Ärzte sind dabei, die ambulante Versorgung in Deutschland neu zu strukturieren und wollen ein entsprechendes Konzept auf dem nächsten Ärztetag in Mai präsentieren. Im Zeichen von zunehmendem Ärztemangel, den Grabenkämpfen zwischen Hausund Fachärzten, den Kliniken und der wachsenden Anzahl von Medizinischen Versorgungszentren wollen sie die Versorgungsebenen neu sortieren.
Ohne Frage – die gesamte gesundheitspolitische Landschaft ist im Umbruch. Die Richtung scheint hin zur Schaffung eines Einheitsgesundheitswesens zu gehen. Wo stehen dabei die Zahnärzte? Spätestens seit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz ist klar, dass sich der Gesetzgeber auch in das zahnärztliche Berufsrecht eingemischt hat und den systemwidrigen Weg weiter verfolgt, durch Sozialrecht Berufsrecht zu gestalten. Die Rede ist von der Versozialrechtlichung des Berufsstandes auf allen Ebenen. Die einschneidenden Veränderungen führen dazu, dass auch die Bedingungen der zahnärztlichen Praxisformen und -gestaltungen neu definiert werden müssen.
Der Zahnarzt selbst wird in diesem politischen Klima hin und hergezerrt werden zwischen sogenannten Wettbewerbsbestrebungen der Politik, kassenwirtschaftlichen Zwängen und seinem eigenen Berufsbild als Freier Beruf. Die Zahnärzteschaft muss sich mit diesen Veränderungen auseinandersetzen und vor allem zukunftsweisende Wege finden.
Jüngstes Beispiel ist die GOZ-Novellierung. Große Gefahr hier: die geplante Öffnungsklausel. Es droht letztlich, dass der gesamte Berufsstand in seiner jetzigen Form zerrissen wird. Wird der Plan umgesetzt, ist zu befürchten, dass die GOZ als Vergütungsgrundlage ausgehöhlt wird. Selektive Direktverträge mit den privaten Krankenkassen mögen zwar für manchen Kollegen zunächst oberflächlich vorteilhaft erscheinen, bedeuten aber letztlich eine einseitige Abhängigkeit von den privaten Versicherern.
Sollte die Öffnungsklausel eingeführt werden, könnten die ebenfalls in der GOZ-Novelle geplanten Rahmenverträge, die mit der PKV abzuschließen sind, ein wichtiges Sicherheitsnetz sein, um die Modalitäten und den Honorarrahmen von Behandlungen zu regeln. Die Folgen sind noch nicht abzusehen, doch müssen wir darauf achten, einen drohenden Verdrängungswettbewerb und ein Absacken der Behandlungsqualität zu verhindern.
Wichtiger Parameter bei den zahnärztlichen Vertragsbeziehungen ist das Zahnarzt- Patienten-Verhältnis. Die Beziehung ist eine direkte und bedarf keines Umweges. Das gilt auch bei dem – zu Recht unattraktiv auszugestaltenden – Basistarif. Aber auch diesem dürfen nicht unsere Grundprinzipien, zum Beispiel die Kostenerstattung, geopfert werden. Die Frage sei deshalb aufgeworfen, ob zum Basistarif überhaupt Ausgestaltungen vorgenommen werden sollten oder ob es nicht sinnvoller erscheint, sich auf die gesetzlich vorgegebenen Fakten zu beschränken.
Wir müssen hellwach sein, um die ambulante Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in geordnetem Fahrwasser zu behalten. Dank unseres Fachwissens und des Expertentums verfügen wir über ein solides Fundament für eine vernünftige Zukunft.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Dr. Dr. Jürgen WeitkampPräsident der Bundeszahnärztekammer