Krebsbekämpfung in Europa

Vorsorge mangelhaft

In der Europäischen Union sterben täglich etwa 3 000 Menschen an Krebs. Besonders häufig trifft es die Bewohner osteuropäischer Staaten. Dabei könnten viele Krebspatienten durch eine frühzeitige Diagnose gerettet werden, meinen Politiker und Interessenvertreter. Forderungen nach flächendeckenden Früherkennungsmaßnahmen sind die EU-Länder bislang allerdings noch nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Auch fehlt es an der Bereitschaft vieler Menschen, entsprechende Angebote wahrzunehmen.

Diagnose Brustkrebs! Für die Europaabgeordnete Karin Jöns wurde dieser Albtraum vor neun Jahren zur bitteren Wahrheit. Bei einer Routine-Untersuchung hatten die Ärzte bei der 46-Jährigen einen verdächtigen Knoten entdeckt. Jöns nahm den Kampf gegen die Krankheit auf – und gewann. Die SPD-Politikerin ist überzeugt: Ihr Überleben hat sie vor allem der Tatsache zu verdanken, dass die Ärzte den Tumor rechtzeitig entdeckt haben und sie bei der anschließenden Behandlung in besten Händen war.

So viel Glück haben nicht alle Betroffenen. Denn Brustkrebs ist bei Frauen zwischen 35 und 55 Jahren trotz verbesserter Früherkennungsmaßnahmen und Therapiemöglichkeiten immer noch die Todesursache Nummer eins in der Europäischen Union (EU). Rund 220 000 Frauen jährlich erhalten die Diagnose Mammakarzinom. Rund 75 000 der Fälle verlaufen tödlich.

Spitze des Eisbergs

Bei Lungen-, Darm- und Prostatakrebs sieht die Statistik nicht viel besser aus. Die vier Krebsformen sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Jeder Dritte EU-Bürger erkrankt der Europäischen Kommission zufolge im Laufe seines Lebens an einer von rund 200 Krebsarten. Jeder vierte Patient stirbt an den Folgen seiner Erkrankung. Das sind EUweit über eine Million Krebstote pro Jahr.

Die Überlebensraten und das Behandlungsangebot variieren allerdings von Land zu Land. In den osteuropäischen Ländern haben Krebskranke im Schnitt eine sehr viel schlechtere Prognose als in den übrigen Mitgliedsländern – zum Teil um bis zu 30 Prozent.

„In Polen wird zudem selbst bei früh entdeckten Mammakarzinomen in über 90 Prozent aller Fälle gleich die gesamte Brust amputiert“, sagt Jöns. In Frankreich dagegen nur bei einem Viertel aller Patientinnen. Deutschland liege im Mittelfeld.

Solche Unterschiede bei der Krebsvorsorge und -behandlung seien nicht länger hinnehmbar, meinen sowohl Europaabgeordnete als auch die Europäische Kommission. Sie fordern, endlich in allen EU-Ländern umfassende Screening-Maßnahmen zu etablieren.

„Durch entsprechende Programme ließen sich die Todesraten bei Brust- und Darmkrebs um rund 20 Prozent senken, bei Gebärmutterhalskrebs sogar um 60 Prozent“, so der slowenische Abgeordnete der christlich- konservativen EPP-Fraktion, Alojz Peterle. Peterle ist zugleich Vizevorsitzender von MAC, einem Zusammenschluss von 61 Europaabgeordneten aller Fraktionen im Kampf gegen den Krebs.

Forderung nach Screening

Die Forderung nach flächendeckenden Vorsorge- Programmen ist nicht neu. Im Jahr 2003 forderte die Kommission auf der Grundlage einer Empfehlung der EU-Gesundheitsminister, Screening-Maßnahmen für Brustkrebs (zwischen dem 50. und 69.

Lebensjahr), Darmkrebs (zwischen dem 50. und 74. Lebensjahr) und Gebärmutterhalskrebs (spätestens ab dem 30. Lebensjahr) überall in der EU anzubieten.

Immerhin existieren bereits seit 16 Jahren evidenzbasierte EU-Leitlinien zum Mammographie- Screening. Sie wurden seither mehrfach aktualisiert und enthalten unter anderem auch Qualitätssicherheitsstandards für Brustkrebszentren. Leitlinien für das Screening von Gebärmutterhalskrebs liegen inzwischen ebenfalls in zweiter Auflage vor.

Inwieweit der Wunsch nach Umsetzung der Forderungen Wirklichkeit geworden ist, lässt sich nur mutmaßen. Denn ein für Februar dieses Jahres angekündigter Bericht der Europäischen Kommission, der einen Überblick über die Situation in den einzelnen Mitgliedsländern liefern soll, wird frühestens im Sommer vorliegen. Einige Staaten hätten noch nicht die erforderlichen Informationen geliefert, heißt es.

„Wir sind sehr gespannt auf den Bericht“, sagt Hildrun Sundseth von der Europäischen Krebsvereinigung ECPC. Denn nur auf der Grundlage konkreter Daten sei es möglich, weitere sinnvolle Verbesserungsvorschläge zu machen. Die systematische Etablierung von Vorsorgemöglichkeiten ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Denn bereits bestehende Angebote werden oft nur unzureichend genutzt. So ergab eine EU-weite Umfrage, dass in Zypern beispielsweise nur ein Prozent der Bevölkerung Früherkennungstests für Darmkrebs nachfragt. In Deutschland sind es immerhin 19 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt bei acht Prozent.

Ähnlich niedrig fällt die Rate für Prostatavorsorgeuntersuchungen aus. Bislang machen nur 13 Prozent aller europäischen Männer von dieser Möglichkeit Gebrauch. Zwar seien in der Regel nur etwa zwei Drittel aller Prostatafälle behandlungsbedürftig, so Professor Louis Denis. Dennoch hält der Generalsekretär der europäischen Prostatakrebsvereinigung Europa Uomo ein umfassendes Monitoring für das Mittel der Wahl.

Aufklärung sinnvoll

Der Gesundheitsausschuss des Europaparlaments hat sich daher kürzlich dafür ausgesprochen, die Bevölkerung intensiver über den Nutzen von Krebsvorsorgeuntersuchungen und einen gesünderen Lebensstil aufzuklären. Auch sollten die verbesserten technischen Möglichkeiten beim Screening in vollem Umfang zum Einsatz kommen, so der Allgemeinarzt und CDU-Abgeordnete Dr. Thomas Ulmer. Die liberale Abgeordnete Jolanta Dickute aus Litauen erinnerte zudem daran, dass ärmeren Mitgliedsländern Mittel aus den EU-Strukturfonds zur Verbesserung der medizinischen Versorgung zur Verfügung stehen.

Petra SpielbergRue Belliard 197/b4B-1040 Brüssel

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