Die Masterfrage
„Dass sich das Berufsbild des Zahnarztes verändert, ist nicht neu“, stellte der Vizepräsident der BZÄK, Dr. Dietmar Oesterreich, eingangs fest: Der Trend zur Feminisierung, die zunehmende Diversifizierung, die Qualitätsförderung und die neuen Formen der Berufsausübung bewirkten diesen Wandel schon seit längerem. „Neu ist, dass einige Akteure in der Debatte Halbwahrheiten verbreiten und eher das Bauchgefühl der Zahnärzte bedienen.“ Im Ergebnis stelle sich der Berufsstand in der Frage der Tätigkeitsschwerpunkte nach außen unterschiedlich auf. Oesterreich: „Eine Diskussion ist daher notwendig – aber sachlich und emotions loser.“ Nur durch eine aktive Gestaltung des eigenen Wissens und Handlungsspielraums könne die Profession ihre Autonomie sichern, betonte der BZÄK-Vize.
Spezialisierung mit Nebenwirkungen
Rund 90 Prozent der Bevölkerung möchte gleichwohl von Spezialisten behandelt werden, berichtete Dr. Walter Dieckhoff, Präsident der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe und Vorsitzender des Beirates Fortbildung der BZÄK. Vor dem Hintergrund, dass der Zahnarzt ja bereits ein auf den Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde spezialisierter Mediziner ist, stellte Dieckhoff die entscheidende Frage: „Bedarf es noch einer weiteren Spezialisierung?“
Im Prinzip plädierten BZÄK und KZBV für den Erhalt des Status Quo und stünden ohne Wenn und Aber zum Generalisten, verdeutlichte Dieckhoff. Wenn nur der Markt nicht wäre ...
Unerlässlich in der Auseinandersetzung sei ein verantwortungsvoller Umgang mit der Thematik. „Der Berufsstand muss die Chance erhalten, sich weiterzuentwickeln“, machte Dieckhoff klar. „Fest steht auch: Die neue Generation sieht den Berufsstand insgesamt in einem anderen Licht.“
Einen neuen Master werde es mit der neuen Approbationsordnung aber nicht geben, betonte Dieckhoff. Eine Ausweitung der Weiterbildungsgebiete sei nicht Gegenstand der Überlegungen der BZÄK: „Die BZÄK verfolgt nicht das Ziel, Hauszahnärzte mit eingeschränkten Leistungsfeldern zu schaffen, sondern hält am Generalisten fest.“ Richtig sei aber auch, dass der Deutsche Wissenschaftsrat empfiehlt, weitere Fachzahnärzte – auch zusätzliche kostenpflichtige postgraduale Studiengänge mit Masterabschluss – einzurichten. Laut Dieckhoff könne es freilich nicht angehen, dass diese Entwicklung allein durch den freien Markt und seine Anbieter bestimmt wird: „Die Kammern müssen mitgestalten und Einfluss nehmen auf die Qualität dieser Studiengänge.“
Babylonische Sprachverwirrung
Handlungsbedarf sieht auch Prof. Dr. Dr. Siegmar Reinert. Die veränderten Rahmenbedingungen in der Lehre erforderten dringend eine neue Approbationsordnung. Der enorme Wissenszuwachs, andere Lehrformen und die interdisziplinäre Ausrichtung machten eine Anpassung der Strukturen notwendig. Master ist allerdings nicht gleich Master: Nicht um das reguläre Studium geht es, sondern um die postgraduale Qualifizierung mit Masterabschluss. Immer wieder gerieten die Begrifflichkeiten durcheinander. „Das ist eine babylonische Sprachverwirrung“, meinte auch KZBV-Chef Dr. Jürgen Fedderwitz.
Der Vorwurf, die Curriculae würden abgeschmolzen zugunsten von abstrakten Masterstudiengängen sei jedoch falsch. Reinert: „Weil die Hochschulen insgesamt mit weniger Mitteln mehr Studenten ausbilden müssen, ist für Masteraktivitäten Null Raum!“
BZÄK-Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp misst der neuen Approbationsordnung ebenfalls große Bedeutung bei: „Mit dieser Neuordnung übernimmt die BZÄK die Aufgabe, den Berufsstand weiterzuentwickeln. Ausgerichtet an den Erfordernissen des Alltags – nicht an dem, was sich Politiker einfallen lassen.“ Wichtig sei, die Zahnärzteschaft für den künftigen Versorgungsalltag aufzustellen: „Zahnärztliche Erfahrung und wissenschaftliche Erkenntnis via Hochschule müssen sich auf Augenhöhe begegnen. Der Versorgungsalltag wird dann zeigen, ob die Methoden praxistauglich sind.“ Eins stünde jedoch fest: „Wenn wir nicht versuchen, die Fort- und Weiterbildung zu gestalten, werden wir überrollt, das heißt, andere werden für uns tätig.“ Als „überzeugter Generalist, Hauszahnarzt, Familienzahnarzt und Allgemeinzahnarzt“ plädiert Weitkamp für den „Generalisten mit ein bis drei Gebieten, auf denen er sich besondere Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat.“ Dieser werde in Zukunft derjenige sein, der 90 Prozent der Versorgung abdeckt. Daneben werde aber eben auch derjenige benötigt, der ein Teilgebiet in besonderem Maße beherrscht. Dass der Berufsstand in der Weiterentwicklung dieses Geschehens wie bei allen anderen Wegentscheidungen fest zu seinen Grundsätzen steht, gilt für Weitkamp als unbedingte Voraussetzung für eine erfolgreiche Standespolitik. Um seine Ziele zu erreichen, braucht es neben der Standhaftigkeit unter anderem eines subtiles Einschätzungsvermögens der Realitäten und des Gestaltungswillens, verdeutlichte er in sehr grundsätzlichen Ausführungen zum gesamten Feld der Berufspolitik.
Spagat zwischen Medizin und Markt
Bei den Ärzten impliziert die Spezialisierung nicht nur eine fachliche Aufsplitterung zugunsten der Versorgung, sondern zunehmend die Zugangsbedingung zur GKV. Das verdeutlichte KZBV-Chef Fedderwitz. Im zahnärztlichen Bereich müsse man indes aufpassen, nicht durch eine weitere Aufsplittung den gesamtmedizinischen Anspruch in Frage zu stellen. „Noch sind die Strukturen der postgradualen Fort- und Weiterbildung noch sehr monolithisch aufgebaut. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich diese Struktur auflöst und der Berufsstand dadurch geschwächt wird.“ Das Feld an Anbietern, Weiterbildungen und Abschlüssen sei derzeit unüberschaubar – so könne es nicht weitergehen. Fedderwitz: „Der Fachzahnarzt sollte nur auf seinem Spezialgebiet tätig sein dürfen, nicht jenseits davon.“ Mit Blick auf den Bema würden unter dieser Prämisse viele Kollegen auf eine nicht notwendige Spezialisierung verzichten. Fedderwitz: „Deshalb ist der Fachzahnarzt für Allgemeine Zahnheilkunde überflüssig.“