Alterszahnheilkunde

Geroprothetik - eine Herausforderung für die Zukunft

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Es bedarf eines breiten zahnärztlichen Therapiespektrums von konservierend- sanierend über implantologisch-oralchirurgisch bis prothetisch, um mit allen Möglichkeiten von festsitzend bis abnehmbar auf die jeweiligen Bedürfnisse des älteren Patienten eingehen zu können und ihn optimal zu versorgen. Damit wird die Geroprothetik in Zukunft eines der wichtigsten Arbeitsbereiche in der zahnärztlichen Praxis werden. Eine Perspektive, deren Bedeutung vielen Kollegen noch nicht bewusst ist.

Langsam wird klar, dass eine der größten Herausforderungen der westlichen Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten durch die demografische Entwicklung hervorgerufen ist. Es wird erwartet, dass im Jahr 2030 bereits jeder Dritte in Deutschland älter als 60 Jahre sein wird, gleichzeitig wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen sowie jene der Erwerbstätigen stark zurückgehen. Es wird die Ausbildung einer Zweiklassengesellschaft im Alter prognostiziert, einerseits die wohlhabende Gruppe, wo die Menschen gesund sind und hohe Ansprüche haben, und andererseits jene Menschen, die mit der zu erwartenden Pension kaum ihr Auskommen finden werden.

Die Menschen werden aber nicht nur immer älter, sie werden auch, dank der Prophylaxe, immer länger eigene Zähne (wenn auch nicht vollständig) behalten. Außerdem steigt die Zahl jener älteren Menschen, die auch im höheren Lebensalter noch gesund, fit und aktiv sind und die immer höhere Ansprüche (auch im Bereich der zahnärztlichen Prothetik) stellen. Sie verfügen auch häufig über die entsprechenden finanziellen Mittel, sich ihre Wünsche zu erfüllen. Damit eröffnet sich für die Zukunft der Zahnheilkunde ein großes Potential.

Heimpatienten haben oft insuffizienten Zahnersatz

Auf der anderen Seite gibt es auch vermehrt körperlich und geistig erkrankte Menschen, die häufig in Heimen leben und die ganz andere Bedürfnisse haben. Sie können sich oft infolge ihres insuffizienten Zahnersatzes nur mangelhaft ernähren. Zusätzliche Probleme bestehen durch ihr reduziertes Adaptationsvermögen, ihre verminderte manuelle Geschicklichkeit, die eine adäquate Pflege der Zähne und des Zahnersatzes erschweren, verschiedene allgemeinmedizinische und psychische Erkrankungen, die zahlreich therapiert werden, oft mit unerwünschten Interaktionen der Medikamente, und durch die meist fehlende regelmäßige Nachsorge [Grunert, 2005].

Das Anforderungsspektrum an die Zahnheilkunde bei der Versorgung des älteren Patienten ist also ganz unterschiedlich, je nach dem körperlichen und geistigen Befinden des jeweiligen Individuums.

Einteilung der Gero-Patienten entsprechend ihrer Wünsche und Bedürfnisse [Grunert, 2006]:

• Der gesunde, anspruchsvolle Patient, bei dem die Ästhetik des Zahnersatzes sehr wichtig ist. Für diese Patienten ist es auch wichtig, dass sie, wenn möglich, festsitzend versorgt werden. Die Kosten des Zahnersatzes spielen meist keine entscheidende Rolle.

• Der gesunde ältere Patient, bei dem die Verbesserung der Funktion im Vordergrund steht

• Der ältere Patient mit reduzierten finanziellen Möglichkeiten

• Der Risikopatient aus allgemeinmedizinischer Sicht

• Der psychisch erkrankte und/oder depressive ältere Patient

• Der pflegebedürftige Patient

In diesem Beitrag sollen vor allem die Möglichkeiten der heutigen zahnärztlichen Prothetik beim älteren, nicht pflegebedürftigen Patienten erörtert werden.

Planung des Zahnersatzes beim älteren Patienten

Bei jeder prothetischen Versorgung wird versucht, sowohl die Funktion als auch die Ästhetik möglichst optimal zu gestalten. Dies kann mit festsitzendem aber auch abnehmbarem Zahnersatz erreicht werden. Oberstes Ziel in der Geroprothetik sollte die lebenslange Sicherung des oralen Komforts mit angemessenen Behandlungsmaßnahmen sein.

Um gesunde parodontale oder periimplantäre Verhältnisse zu gewährleisten, ist nach entsprechender Vorbehandlung die Konstruktion des Zahnersatzes so zu gestalten, dass der Patient oder das Pflegepersonal mit der Pflege der Zähne beziehungsweise des Zahnersatzes nicht überfordert ist. Insbesondere können komplexe, festsitzende implantatgestützte Versorgungen, die bei jüngeren Patienten eingesetzt wurden, in deren höherem Lebensalter aus hygienischen Gründen zu einem großen Problem werden.

Wichtig ist dabei, schon bei der Planung des Zahnersatzes die manuelle Geschicklichkeit des Patienten zu berücksichtigen, zum Beispiel bei Verwendung von Riegelkonstruktionen. Ebenfalls zu bedenken ist, dass sich die Geschicklichkeit mit zunehmendem Alter vermindert. Eine optimal gewählte Konstruktion ermöglicht im späteren Bedarfsfall folglich auch einem nicht speziell geschulten Pflegepersonal, mit der Handhabung des Zahnersatzes zurechtzukommen. Weiterhin sollte prospektiv geplant werden. Denn falls der eine oder andere Pfeilerzahn im Laufe der Jahre nicht mehr zu erhalten wäre, sollte ein Umbau ohne größeren Aufwand durchführbar sein.

Festsitzend oder Herausnehmbar

Die Geroprothetik von festsitzendem bis zum abnehmbaren Zahnersatz wird an Hand von typischen Fallbeispielen dargestellt: Die Abbildungen 1 a bis 1 d zeigen die ästhetische und funktionelle Verbesserung der oberen und unteren Schneidezähne eines 75-jährigen Patienten, der mit Vollkeramikkronen im Oberkiefer und Veneers im Unterkiefer versorgt wurde. In diesem Fall störte die Ehefrau das Aussehen des Gatten mit seinen stark abradierten Frontzähnen. Es wurde vom Techniker auf ein altersgemäßes Erscheinungsbild mit den neuen Restaurationen geachtet.

Ist ein festsitzender Zahnersatz wegen reduzierter Pfeilerzahl nicht mehr möglich, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der prothetischen Versorgung ohne zusätzliche Implantatpfeiler, von der einfachen Modellgussprothese bis zur Verankerung abnehmbarer Brücken mithilfe der bewährten Doppelkronentechnik [Weigl, 1994]. Hier gilt allgemein, dass die Prognose des Zahnersatzes umso besser wird, je einfacher die Konstruktion gestaltet ist und je leichter sich die verbliebenen Zähne pflegen lassen. In den Abbildungen 2 a bis 2 g ist die prothetische Versorgung mit Doppelkronen bei einem 70-jährigen Patienten mit günstiger Verteilung der Pfeilerzähne dargestellt. Auch in diesem Fall wurde auf ein altersentsprechendes Aussehen geachtet.

Rolle der Implantate in der Gerodontologie

Implantate haben sich seit Jahrzehnten bei der Behandlung älterer Patienten bewährt, und vielen Patienten kann mit einem implantatgestützten Zahnersatz neue Lebensqualität gegeben werden [Spiekermann, 1994]. Neben den zahnlosen Patienten, die konventionell nicht zufriedenstellend versorgt werden können, werden Implantate auch vermehrt an strategisch wichtigen Positionen platziert, um die Prognose des Zahnersatzes zu verbessern. Außerdem wünschen sich viele Patienten eine implantatgestützte Brückenversorgung und keine herausnehmbaren Teilprothesen.

Es gibt zur Versorgung des zahnlosen Unterkiefers mit Implantaten verschiedene Konzepte von einfachen Kugelkopfattachments, über diverse Stegkonstruktionen [Grunert und Norer, 2001], bis hin zum festsitzenden Zahnersatz. Neben finanziellen Überlegungen sollten aber immer auch die Möglichkeiten der Reinigung des implantatgestützten Zahnersatzes bedacht werden. Daher ist im Allgemeinen beim älteren Patienten der Versorgung mit Hybridprothesen der Vorzug zu geben.

Neben den Möglichkeiten, die implantatverankerte Hybridprothesen bieten, sollte man speziell bei älteren, nicht mehr gesunden Patienten, die Verankerungsmöglichkeit des herausnehmbaren Zahnersatzes auf Wurzelkappen, speziell im Unterkiefer, nicht vergessen. Mit unterschiedlich gestalteten Retentionselementen kann mit einfachen prothetischen Maßnahmen der Prothesenhalt verbessert und die Adaptation an den Zahnersatz erleichtert werden, auch wenn sich die Restzähne nicht an idealen Positionen befinden (Abbildung 3). Man sollte daher nicht vorschnell verbliebene Restzähne extrahieren. Durch das Einkürzen der Zähne auf Gingivaniveau bessert sich das Kronen-Wurzelverhältnis derart, dass auch Zähne mit parodontalem Abbau in vielen Fällen sinnvoll versorgbar sind.

Falls keine zusätzlichen Pfeiler (natürliche oder Implantate) vorhanden sind, stellt die Totalprothetik die letzte prothetische Maßnahme dar, um all das, was verloren gegangen ist, nämlich Zähne mitsamt dem Alveolarfortsatz, zu ersetzen. Je mehr der Knochen bereits resorbiert ist, desto wichtiger ist es, die Zähne in das muskuläre Gleichgewicht, in die neutrale Zone zwischen der Wangenmuskulatur einerseits und der Zunge andererseits, zu positionieren [Grunert und Crepaz, 2003]. Besonders wichtig ist es auch, den bestehenden Alveolarfortsatz weitestgehend vor weiteren Resorptionen durch eine exakte Okklusion und Artikulation sowie regelmäßige Nachsorge zu schützen, da die Menschen ja immer älter werden. Mit adäquat hergestellten Totalprothesen kann dem älteren Patienten auch ohne aufwendige Maßnahmen viel Lebensqualität gegeben werden.

Eines der Hauptarbeitsgebiete in der zahnärztlichen Praxis, und zwar bereits in nächster Zukunft, wird die Gerostomatologie mit allen ihren Facetten werden. Der Bedeutung dieser Entwicklung sind sich aber sehr viele Kollegen noch nicht bewusst.

Schlussfolgerungen

Die Menschen werden immer älter, und trotz besserer Zahnprophylaxe bleibt insgesamt der Zahnverlust fast gleich, auch wenn der Zahnverlust für das jeweilige Individuum erst im höheren Lebensalter erfolgt, womit für die Zukunft sogar ein höherer Prothetikbedarf erwartet wird [Kerschbaum, 2003].

Es gibt sehr viele unterschiedliche Therapiemöglichkeiten beim älteren Patienten von festsitzend bis zu den unterschiedlichen Arten des abnehmbaren Zahnersatzes. Das Behandlungsziel sollte immer das individuelle Optimum des jeweiligen Patienten sein, welches die bestehenden Wünsche und Vorstellungen berücksichtigen muss.

Zusammenfassung

Die Geroprothetik strebt die lebenslange Sicherung des oralen Komforts mit angemessenen Behandlungsmaßnahmen an. Sie hat viele Facetten und reicht vom anspruchsvollen älteren Patienten, bei dem das „jugendliche“ Erscheinungsbild immer wichtiger wird, über den Senior, der sich mit dem neuen Zahnersatz vor allem eine funktionelle Verbesserung erwartet, bis hin zum kranken und schließlich pflegebedürftigen Patienten.

Univ.-Prof. Dr. Dr. Ingrid GrunertMedizinische Universität InnsbruckUniversitätsklinik für Zahn-,Mund- und KieferheilkundeKlinische Abteilung für ZahnersatzAnichstraße 35, A - 6020 Innsbruckingrid.grunert@i-med.ac.at

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