Ungleiche Behandlung
Überversorgung abbauen und Berufseinsteigern neue Niederlassungsmöglichkeiten eröffnen – das wollte der Gesetzgeber ursprünglich mit der Altersgrenze von 68 Jahren bei Ärzten und Zahnärzten bezwecken. Eine Ausgangssituation, die heute längst nicht mehr vorliegt. Im Gegenteil: Viele Regionen auf dem Land und insbesondere im Osten klagen mittlerweile über Ärztemangel. Mancherorts ist die 68er- Regelung daher mittels Ausnahmen bereits aufgeweicht. Zudem greift das Gesetz in die persönliche Lebensplanung ein. Sowohl in die des Behandlers, der in den Ruhestand gezwungen wird, als auch in die des Patienten, der sich einen neuen Arzt suchen muss. Die Zahnärzteschaft macht sich deshalb seit Jahren dafür stark, die Regel zu kippen. Doch noch im Februar verteidigte das Bundessozialgericht die 68er- Grenze und besiegelte damit den Ruhestand von oben. Jetzt tragen die nachhaltigen Bemühungen von KZBV und BZÄK jedoch Früchte: Auf Initiative des Bundestagsabgeordneten und Zahnarztes Dr. Rolf Koschorrek fand am 12. März eine Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag statt. Sie gibt Hoffnung. Und damit vielleicht Recht.
Mit dem Grundgesetz Unvereinbar
Gesetzentwurf zur Änderung des Masseurund Physiotherapeutengesetzes. Er sieht vor, die Altersgrenzen für die Zulassung zur Ausbildung von Gesundheitsfachberufen aufzuheben. Ein Vorhaben, das KZBV und BZÄK ausdrücklich begrüßen. Anwesend bei der Anhörung waren daher auch Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, Präsident der Bundeszahnärztekammer, und Dr. Jürgen Fedderwitz, Vorsitzender der KZBV. Sie regten in dem Zusammenhang an, die 68er-Grenze ebenfalls zu streichen. Unterstützung erhielten sie via Rechtsgutachten von Prof. Winfried Boecken, Universität Konstanz, sowie von Prof. Helge Sodan, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin und Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR). Die Altersgrenze sei heute nicht mehr mit der im Grundgesetz dokumentierten Berufsfreiheit vereinbar, sagte Boecken. Die 1992 mit dem Gesundheitsstrukturgesetz eingeführte Regelung verletze sowohl die Freiheit der Berufswahl und -ausübung als auch die Eigentumsgarantie, argumentierte auch Sodan. Für die Vertragszahnärzte habe das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV die Bedarfszulassung ohnedies mit Wirkung zum 1. April 2007 aufgehoben. Wäre die Altersgrenze als Schutzinstrument für die Patienten eingeführt worden, hätte man Ärzten und Zahnärzten über 68 auch die rein privatärztliche Versorgung untersagen müssen, so die Professoren. Man könne von älteren Ärzten schließlich auch einen Nachweis über ihre ungebrochene Leistungsfähigkeit verlangen – das sei ein „milderes Mittel“ zur Sicherstellung des Patientenschutzes. Aber auch auf EUEbene stelle das Berufsverbot bestehendes Recht auf den Kopf, in diesem Fall das Antidiskriminierungsgesetz: Die Höchstaltersgrenze für die vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Zulassung beinhalte nämlich eine unmittelbare Diskriminierung wegen Alters.
Alter ist kein Kriterium
Das bisherige Konstrukt ist rechtlich ohnehin fragil – das Alter ist einfach kein Kriterium, das es rechtfertigen würde, den Zugang zum Beruf zu kappen“, erklärte Fedderwitz. „Die Freiheiten, die man mit der vorgelegten Regelung für den Berufseinstieg von Masseuren und Physiotherapeuten einfordert, darf man Ärzten und Zahnärzten im Kontext ihres Berufsausstiegs nicht verweigern“, bestätigte auch Weitkamp. „Nach fernöstlicher Medizin hat jeder Patient das Recht, mit seinem Arzt alt zu werden.“
In einer schriftlichen Stellungnahme sprach sich inzwischen auch die Bundesärztekammer für die Änderung aus. Der Bundesverband selbständiger Physiotherapeuten forderte hingegen die Beibehaltung der jetzigen Regelung: Wegen der komplexen Ausbildungsinhalte sei es richtig, dass künftige Physiotherapeuten zu Ausbildungsbeginn das 17. Lebensjahr vollendet haben müssen.