Zahnärztliche Verschreibung humanmedizinischer Arzneimittel\r
Ein zahnärztlicher Kollege wandte sich kürzlich Rat suchend mit Bitte um Stellungnahme an uns, nachdem die Belieferung seiner Verordnung einer Tretinoin-Rezeptur (Vitamin-A-Säure) zur lokalen Therapie eines oralen Lichen ruber planus (Knötchenflechte) durch eine Apotheke abgelehnt wurde. Da die Fragestellung der fachfremden Verordnung humanmedizinischer Arzneimittel durch einen Zahnarzt zunehmend in Apotheken aufgeworfen wird, stellen wir die spezifische Problematik im Rahmen der aktuellen Rechtslage an dieser Stelle kurz zusammenfassend dar.
Verschreibungspflicht von Arzneimitteln
Die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln wird durch die Arzneimittel-Verschreibungsverordnung (AMVV) festgelegt. Anders als in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV), in der unter anderem die Verordnungsfähigkeit des Wirkstoffes Fentanyl auf den Praxisbedarf des Zahnarztes begrenzt ist, werden in der AMVV keine konkreten Einschränkungen bezüglich zahnärztlicher Verordnungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel aufgeführt [1,2].
Die Verschreibungsfähigkeit durch Zahnärzte wird jedoch durch die zahnärztliche Approbation eingeschränkt, da das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde die zahnärztliche Tätigkeit als Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten definiert [3]. Die Verschreibung von Analgetika, Lokalanästhetika und Antibiotika ist somit gesetzlich durch die Approbation abgedeckt. Die Verordnung eines Humanarzneimittels, das nicht primär dazu geeignet ist, Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten vorzubeugen beziehungsweise diese zu behandeln, überschreitet jedoch relativ eindeutig den durch die zahnärztliche Approbation abgedeckten und definierten Bereich der Zahnheilkunde [4]. So ist die Verordnung eines oralen Kontrazeptivums durch einen Zahnarzt eindeutig nicht durch die zahnärztliche Approbation abgedeckt und daher in der Apotheke nicht belieferbar, da der Apotheker gemäß der Apothekenbetriebsordnung verpflichtet ist, Verschreibungen abzulehnen, die einen erkennbaren Irrtum enthalten, nicht lesbar sind oder sonstige Bedenken aufwerfen [5].
Raucherentwöhnungsmittel
Etwas komplizierter gestaltet sich die Beurteilung der Frage, ob ein Zahnarzt ein Raucherentwöhnungsmittel (wie Nikotinpflaster) verordnen darf. In diesem Fall kann argumentiert werden, dass die Raucherentwöhnung eine prophylaktische Maßnahme zum Erhalt der Zähne darstellt und somit durch die zahnärztliche Approbation abgedeckt ist.
In diesem konkreten Fall der Verordnung von Tretinoin durch einen Zahnarzt aufgrund eines oralen Lichen ruber planus gestaltet sich die Beantwortung der Frage, ob diese Verordnung durch die zahnärztliche Approbation rechtlich abgedeckt ist, relativ eindeutig: Lichen ruber planus ist zwar primär eine Hauterkrankung, die nicht im unmittelbaren Fachbereich eines Zahnarztes liegt. Andererseits gehört die Mundschleimhaut zweifelsohne zum Arbeitsbereich eines Zahnarztes. Abhängig vom genauen Krankheitsbild wird zur Behandlung eines Lichen ruber planus eine systemische Therapie, wie mit oralen Retinoiden oder Kortikosteroiden, oder auch lokale Maßnahmen mit meist kortikosteroidhaltigen Salben, Cremes und Tinkturen empfohlen. Die Therapie mit Tretinoin ist insbesondere bei Lichen ruber mucosae, einer besonderen Variante eines Lichen ruber planus im Bereich der Schleimhäute, beschrieben. In Studien zeigten sich unter Behandlung mit Tretinoin etwas bessere Ergebnisse als in der Placebogruppe. Im Vergleich zu Fluocinolonacetonid erwies sich allerdings die Wirksamkeit topischer Vitamin-A-Säure als signifikant unterlegen [6, 7]. Daher ist es sicherlich sinnvoll, eine Therapieentscheidung mit einem auf dem Fachgebiet der Dermatologie erfahrenen Arzt abzustimmen.
In der Regel sind die Behandlungserfahrungen eines Zahnarztes mit Arzneimitteln außerhalb des Zahn-, Mund- und Kieferbereiches begrenzt. Zahnärzte verordnen vor allem Lokalanästhetika, Analgetika und Antibiotika. Im Allgemeinen sollten zahnärztliche Verordnungen den Rahmen der unmittelbar zahnärztlichen Tätigkeit nicht überschreiten. Patienten mit weiterreichenden Beschwerden sollten an ihren Hausarzt oder an einen Facharzt verwiesen werden. Daten des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigen allerdings, dass Zahnärzte in der Realität durchaus Medikamente außerhalb ihres Fachbereiches verschreiben, wie für den Eigenbedarf, für Familienangehörige, oder auch vereinzelt für Patienten. Diese Verordnungen sind genauer betrachtet nicht durch die Erlaubnis zur Ausübung der zahnärztlichen Heilkunde abgedeckt und sollten daher begründete Ausnahmen bleiben. Dennoch sollte sich die Kontrollfunktion des beliefernden Apothekers hauptsächlich auf die Verschreibungspflicht beschränken.
Jane Damerau, ApothekerinDr. med. Christoph SchindlerProf. Dr. med. Dr. med. dent. W. KirchInstitut für Klinische PharmakologieMedizinische Fakultät der TU DresdenFiedlerstraße 2701307 Dresdenchristoph.schindler@tu-dresden.de