Gedenktafel für NS-Verfolgte in Berliner KZV feierlich enthülllt

Den Verfolgten die Würde zurückgeben

Sieben Jahrzehnte nach dem Approbationsentzug jüdischer Ärzte und Zahnärzte 1938/39 durch die Nationalsozialisten haben Berlins Zahnärzte jetzt offiziell ihrer in den Jahren 1933 bis 1945 verfolgten, vertriebenen oder ermordeten Kollegen gedacht: In einer Gedenkveranstaltung wurde am 1. Oktober 2008 im Hause der Berliner KZV eine Tafel mit den Namen von rund 600 Opfern enthüllt.

„Menschlichkeit erwächst aus der Verantwortung für die Vergangenheit“ – Berlins KZV-Vorsitzender Dr. Jörg-Peter Husemann, zitierte Bundeskanzlerin Angela Merkel, um die aus der deutschen Geschichte begründete Verpflichtung gegenüber den jüdischen Kollegen der Nazizeit zu verdeutlichen. „Berlins Zahnärzteschaft bekennt sich“, so der KZV-Vorsitzende, „zu ihrer Verantwortung, die uns allen aus unserer Geschichte erwachsen ist.“ Die KZV sei überzeugt, sie sei „es den Opfern des Naziregimes schuldig, diese Verantwortung zu leben und nicht nur als leere Worthülse zu gebrauchen und vor uns herzutragen“.

Nur wenn sich Deutschland zu seiner immerwährenden Verantwortung für die moralische Katastrophe in der deutschen Geschichte bekenne, könne es die Zukunft menschlich gestalten, erklärte Husemann vor Kollegen in Anwesenheit der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Berlins, Lala Süßkind, der Berliner Senatorin für Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherschutz Berlins, Dr. Katrin Lompscher und des Präsidenten der Bundeszahnärztekammer Dr. Dr. Jürgen Weitkamp. „Wir sind es den Opfern des Naziregimes schuldig, diese Verantwortung zu leben und nicht nur als leere Worthülse zu gebrauchen und vor uns herzutragen. Und das insbesondere in Zeiten, in denen Rechtsextremismus und Antisemitismus in die Mitte unserer Gesellschaft wieder Einzug zu halten scheinen“.

Seine in der Feierstunde geäußerte Aufgabe sieht der KZV-Vorsitzende als Verpflichtung: „Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen in Deutschland und in Europa nie wieder Fuß fassen. Heute ist es an uns, gemeinsam mit den Jüngeren das Bewusstsein für eine Erinnerungskultur zu wecken, die auch dann noch trägt, wenn die Überlebenden der Shoah nicht mehr unter uns sein werden.“ Ein Patentrezept gebe es hierfür nicht, aber die Herausforderung zu erkennen und sie anzunehmen sei der erste entscheidende Schritt.

Emigration rettete vor der Vernichtung

Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Berlins, Lala Süßkind, lobte, dass „mit der Gedenktafel den Vertriebenen und Ermordeten ihre Würde wiedergegeben wird“. Auch Berlins Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher verdeutlichte die Notwendigkeit, gemeinsam dafür Sorge zu tragen, „dass diese Ereignisse nicht vergessen werden, damit sie sich nicht wiederholen können“. Mit der Gedenktafel demonstriere die KZV ihre gesellschaftliche Verantwortung.

In einem Festvortrag erinnerte der Kieferorthopäde Michael Köhn, der 1994 eine Dissertation über Berlins jüdische „Zahnärzte 1933 bis 1945“, deren Berufsverbot, Emigration und Verfolgung veröffentlicht hatte, an die Opfer des Naziregimes. Köhn hob kritisch hervor, dass die „Kontinuität der Abläufe über 1945 hinaus“ dazu geführt haben könne, dass man sich erst heute dazu bekenne. Jetzt wolle Berlins Zahnärzteschaft den damaligen Kollegen ihre verlorene Identität wiedergeben. In Berlin sei zur damaligen Zeit mit insgesamt 490 Kollegen rund ein Drittel der gesamten Zahnärzteschaft als „nicht arisch eingestuft“ worden. Köhn wies auch darauf hin, dass die so genannten „arischen“ Zahnärzte natürlich vom Ausscheiden ihrer jüdischen Kollegen profitiert hätten. Zugelassen wurden diese nur noch „zur Behandlung jüdischer Zahnkranker“. Aus historischer Betrachtung erwies sich der bereits Jahre zuvor erfolgte Entzug der Kassenzulassung für Einige als lebensrettend: Für Manchen war er Grund für eine frühzeitige Emigration, die vor dem Tod in Konzentrationslagern bewahrte. Ende September hatte nicht nur Berlins KZV, sondern auch die Berliner Kassenärzteschaft eine Gedenktafel eingeweiht.

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