Die Daten sind frei
Um Erfolg als Forscher zu haben, ist es wichtig, gelesen und zitiert zu werden. Am besten, in bekannten Magazinen wie “Nature” oder “Science”. Doch Zeitschriften sind nicht mehr der einzige Weg, ein Paper zu veröffentlichen. Open Access-Publikationen bieten eine Alternative und werden in der wissenschaftlichen Welt immer mehr diskutiert. Am 9. und 10. Oktober beispielsweise drehte sich an der Freien Universität (FU) Berlin alles um diesen Trend. Die 250 zur Verfügung gestellten Teilnehmerplätze waren innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Organisiert wurden die Informationstage von der Plattform open-access.net, dem Center für Digitale Systeme an der FU, sowie der Max-Planck-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft.
Kongress in Berlin
„Open Access meint, dass wissenschaftliche Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, so dass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internetzugang selbst verbunden sind.“ So steht es in der Budapester Open Access Initiative, die im Januar 2002 von Befürwortern der Bewegung verabschiedet wurde.
Knapp sieben Jahre später ging es bei den Open Access-Tagen in Berlin um die Vorteile der freien Veröffentlichung. Vor allem für junge Wissenschaftler sei der Weg reizvoll, war bei den Vorträgen zu hören, denn sie könnten ihre Arbeiten auf diese Weise ganz unkompliziert in Umlauf bringen und einem großen Leserkreis zugänglich machen. Dass Open Access-Magazinen der entsprechende Impact Faktor – er misst, wie häufig aus einer Zeitschrift zitiert wird, und entscheidet somit über deren Renommee – fehlt, muss man den Befürwortern zufolge differenziert betrachten: Die entgeltfreie Bereitstellung elektronisch publizierter Forschungsergebnisse mache wissenschaftliche Informationen besser sichtbar, mit der positiven Konsequenz, dass sie häufiger zitiert werden. Das könne dem Impact Faktor der Journale einen Kick geben.
Als weiteres Thema wurden die rechtlichen Aspekte von Open Access diskutiert. Die Budapester Erklärung bezieht auch hier eindeutig Stellung: „In allen Fragen des Wiederabdrucks und der Verteilung und in allen Fragen des Copyright überhaupt sollte die einzige Einschränkung darin bestehen, den jeweiligen Autorinnen und Autoren die Kontrolle über ihre Arbeit zu belassen und deren Recht zu sichern, dass ihre Arbeit angemessen anerkannt und zitiert wird.“ In der Realität bereitet die 1:1-Umsetzung dieser Forderung Schwierigkeiten. Zweitverwertungen via Internet werden bisher vom Gesetzgeber nicht unterstützt. Das Justizministerium hat sich gegen die Aufnahme eines Paragrafen ins Urheberrecht entschieden, der die Open Access-Stellung von Artikeln nach einer bestimmten Frist erlaubt – und ist damit der Empfehlung verschiedener Wissenschaftsorganisationen und des Urheberrechtsbündnisses nicht gefolgt. In der Regel gilt: Wissenschaftler dürfen ihre Arbeiten ein Jahr nach Erscheinen auch anderweitig vervielfältigen und verbreiten – allerdings nur in gedruckter Form. Ob auch der elektronische Weg erlaubt ist, muss mit dem Verlag geklärt werden. Die Praxis zeigt, dass viele Magazine keine Einwände haben, wenn sie als Quelle der Erstveröffentlichung genannt werden. Trotzdem bleibt ein Konflikt zwischen Printverlagen und den Open Access-Bemühungen bestehen.
Krise als Starthilfe
In den 90er Jahren wurde der Austausch wissenschaftlicher Informationen über den traditionellen Weg der Printpublikationen immer schwieriger. Die Preise für Fachzeitschriften gingen durch die Decke und viele Universitäten mussten Abos aus Kostengründen kündigen. Startschuss für die Open Access-Community, die sich seit Beginn des Jahrzehnts etablierte.
Gehör verschaffte sich die Bewegung nicht nur bei jungen Wissenschaftlern mit der Möglichkeit eines größeren Verbreitungsradius von Artikeln. Auch für Forscher aus ärmeren Ländern ist Open Access attraktiv: Zum einen sind sie dadurch nicht ausschließlich auf für sie oftmals zu teure Magazine angewiesen, um das Neueste aus ihrem Fach zu erfahren. Zum anderen haben sie so mehr Möglichkeiten, selbst zu publizieren. Außerdem: Wissenschaftler werden in der Regel aus Steuern und somit von der Allgemeinheit finanziert.
Grund genug für Open Access-Befürworter, auch freien Zugang zu den daraus hervorgehenden wissenschaftlichen Arbeiten zu fordern. Große deutsche Wissenschaftsinstitutionen wie die Max Planck- oder Fraunhofer- Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Helmholtz Gesellschaft haben sich aus diesem Grund bereits für Open Access geöffnet. Sie knüpfen eine Förderung an die Open Access-Publikation, weil öffentlich bezahlte Forschung auch öffentlich zugänglich sein soll. Das Wohlwollen solcher Institutionen könnte Forschern die Angst nehmen, Open Access eine Chance zu geben.
Interesse besteht
Im Jahr 2004 befragte die DFG 1000 von ihr geförderte Forscher zu ihrem Publikationsund Rezeptionsverhalten – insbesondere, ob sie dafür Open Access-Portale nutzen. Das Ergebnis: Erst jeder zehnte Forscher hatte in Deutschland laut einer DFG-Studie ein Paper per Open Access bereitgestellt. Auch die – ohnehin nur in manchen Fächern übliche – Bereitstellung von kostenlos zugänglichen Preprints im Internet war nach Auskunft der Befragten nicht sehr häufig. Etwas öfter wurden bereits anderweitig publizierte Beiträge sekundär für einen entgeltfreien Zugriff im Internet publiziert.
Das Interesse an dem Verfahren schien dagegen größer zu sein: „Im Kontrast zu der wenig ausgeprägten Publikationstätigkeit im Open Access befürwortet eine Mehrheit der Befragten quer durch alle Wissenschaftsbereiche eine stärkere Beförderung von Open Access durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft“, heißt es in der Studie. „Dabei spricht sich der wissenschaftliche Nachwuchs der Natur-, Lebensund Ingenieurwissenschaften in etwas stärkerem Maße für eine Förderung von Open Access Publikationen aus als ihre etablierten Kollegen.“
Sollte sich Open Access weltweit durchsetzen, wird wohl die Frage nach den Kosten lauter werden. Denn für die Prüfung, Bereitstellung und technische Betreuung braucht man Manpower. Auch, wenn die Texte nur in Repositorien – an Universitäten oder Forschungseinrichtungen betriebene Dokumentenserver, auf denen wissenschaftliche Materialien archiviert und weltweit entgeltfrei zugänglich gemacht werden – und nicht in Magazinen zu lesen sind.
Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net