Erfolgsgeschichte mit Modellcharakter
In gewohnt launiger Art begrüßte Kammerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Sprekels in der Elbkuppel des Hotels Hafen Hamburg die zahlreichen Anwesenden: „Wir feiern heute ein Jubiläum, an dem die überwiegende Zahl derer, die hier zusammengekommen sind, aktiv mitgewirkt hat – aktiv und mit Freude und Wissens- und Erfahrungszuwachs für die tägliche Praxis.“ Sprekels hatte in seinem umfangreichen Archiv geblättert und eine Notiz gefunden, in der er 1996 seinem Vorstand die – damals noch „provokante“ – Frage gestellt hatte, ob die sich gerade im Ärztebereich entwickelnden Qualitätszirkel nicht auch in Hamburg von der Kammer angeboten werden sollten. In dieser Zeit hatte das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) gemeinsam mit der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe und ihrem damaligen Präsidenten Dr. Dr. Jürgen Weitkamp einen Modellversuch durchgeführt, in dem festgestellt werden sollte, inwieweit Qualitätszirkel in der Zahnmedizin sinnvoll eingesetzt werden können. Sprekels erinnerte daran, dass die Kammer von den Interessenten überrannt wurde. Statt der möglichen 130 Plätze meldeten sich gleich 400 Kollegen. Was also tun? Statt der zunächst elf Moderatoren schulte die Kammer 40 und unterstützte die Qualitätszirkel umfassend.
Die Staatsrätin der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, Dr. Angelika Kempfert, hob hervor, dass neben den Zahnärzten auch die Patienten der Mitglieder der Qualitätszirkel Nutznießer seien. Sie könnten von den Erfahrungen ihrer Zahnärzte aus den Qualitätszirkeln profitieren.
Anfängliche Bedenken
Diese enorme Nachfrage unter den Zahnärzten wurde dadurch gefördert, dass das damalige Vorstandsmitglied Dr. Andreas Hartleb für die Qualitätszirkel in den Bezirksgruppen warb. Hartleb, Referent für Qualitätszirkel der Kammer und Moderator der Veranstaltung, erinnerte an die anfänglichen Bedenken aus der Kollegenschaft. Man fürchtete, dass hier ein „Closed Shop“ aufgemacht werde. Diese Bedenken hätten sich aber sehr schnell gelegt, zumal die Kammer gezeigt habe, dass sie den vielen Interessierten den Zugang zu einem Qualitätszirkel ermöglichen wollte.
Routinen verändern
Prof. Dr. Joachim Szecsenyi, AQUA – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen Göttingen, der die Qualitätszirkel im ärztlichen Bereich mit einigen Kollegen ins Leben gerufen und der Kammer Unterstützung geleistet hatte, bezeichnete diese als Erfolgsgeschichte. In der Medizin sei es immer wieder eine Fragestellung, wie bestehende Routinen verändern werden könnten. Als Beispiel aus dem (zahn-)medizinischen Bereich verwies er auf die Verbesserung der Handhygiene.
Er erinnerte daran, dass Ende der 80er-Jahre das Konzept der Peer Reviews politisch diskutiert wurde. Dieses hätte eine systematische und verpflichtende Untersuchung von Behandlungsabläufen im Rahmen der Qualitätssicherung zur Folge gehabt. Das Bundesgesundheitsministerium sei seinerzeit daran interessiert gewesen, solche Vorgaben zu machen. Es sei einigen Wissenschaftlern aber damals gelungen, das BMG davon zu überzeugen, dass Qualitätszirkel auf freiwilliger Basis funktionieren.
Szecsenyi analysierte die damaligen Befürchtungen innerhalb der Zahnärzteschaft gegenüber dieser Entwicklung. Man hätte vermutet, dass Qualitätszirkel elitäre Zirkel seien, von denen sie ausgeschlossen sein könnten. Weiter habe man Angst vor Offenheit gehabt, insbesondere gegenüber Kollegen, die in räumlicher Nähe praktizierten. „Gerade die hohe Teilnehmerzahl in Hamburg zeigt, dass eine geografische Nähe kein Hinderungsgrund ist“, so Szecsenyi.
Positiv hob Szecsenyi die Mitwirkung der Hamburger Qualitätszirkel an dem Projekt der Zahnärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung (ZZQ) zur Evaluation von Leitlinien hervor. Die Moderatoren hätten sich – erwartungsgemäß – zunächst skeptisch gegenüber Leitlinien und der Möglichkeit, über das Projekt Einfluss zu nehmen, gezeigt. Mit zunehmender Kenntnis über Leitlinien habe sich die Einstellung aber verändert. So sei insbesondere die Befürchtung, dass Leitlinien zahnärztliches Handeln einschränken, etwas zurückgegangen.
Von Sinn und Erfolg
Festredner Pater Dr. Dr. Hermann-Josef Zoche legte seine Thesen zu der für den Zahnarzt eher ungewohnten Fragestellung „Macht Erfolg Sinn?“ dar. Zoche, Theologe, Philosoph und gefragter Redner in der Wirtschaft, wusste dazu beredt Antwort zu geben. „Erfolg ist immer abhängig von der Sinnfrage. In einem von Sinnleere und Sinnlosigkeit gezeichneten Leben gibt es keinen Erfolg!“ Wie sind nun Sinnfrage, Erfolg und Ethik in der Zahnarztpraxis zu vereinen? Pater Zoche verwies zunächst darauf, dass der Zahnarzt den Patienten etwas ganz Spezielles, Individuelles anbiete. Hierfür könne und müsse er Geld verlangen. Das Angebot insgesamt müsse stimmig sein. Jedenfalls widerspreche Ethik nicht dem Ziel der Gewinnerzielung. Im Gegenteil, eine Praxis, die keinen Gewinn erziele, sündige und sei zudem auch schlecht für die Gesellschaft, da sie zum Beispiel keine Steuern zahle. Kirche und die Zahnärzte verbinde etwas Gemeinsames – ein gutes Produkt: Bei der Kirche sei es die Erlösung und beim Zahnarzt die Mundgesundheit.
Dr. Peter KurzHauptgeschäftsführerZahnärztekammer HamburgMöllner Landstr. 3122111 Hamburg