Mehr Geld für die Kliniken
Mit der Ende September beschlossenen Reform der Krankenhausfinanzierung haben Bund und Länder ihren monatelangen Streit vorläufig beendet. Ursprünglich wollte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Länder per Gesetz zu Investitionspauschalen zwingen. Doch Ende Juli hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für das „Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009“ zunächst gestoppt. Zu groß waren die Differenzen zwischen den Vorstellungen des Bundesgesundheitsministeriums und den Bundesländern.
Das jetzt im Bundeskabinett verabschiedete Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) sieht vor, die rund 2 100 deutschen Kliniken für das Jahr 2009 mit einer zusätzlichen Finanzspritze von rund drei Milliarden Euro zu entlasten. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. Vor allem die unionsgeführten Bundesländer konnten letztlich durchsetzen, dass die Länder vom Bund nicht zu regelmäßigen Zahlungen verpflichtet wurden. Über die freiwilligen Länderzahlungen soll nun gesondert verhandelt werden.
Pflegestellen zusätzlich
Zu den wesentlichen Neuregelungen der Finanzreform gehört unter anderem die hälftige Finanzierung von Tariferhöhungen der Jahre 2008 und 2009 in Höhe von 1,35 Milliarden Euro durch die Krankenkassen. Mit einem „Sonderprogramm Pflegepersonal“ sollen in den nächsten drei Jahren darüber hinaus bis zu 21 000 zusätzliche Pflegestellen geschaffen werden, die zu 70 Prozent aus Steuergeldern finanziert werden. Dafür werden weitere 700 000 Euro bereitgestellt. Hinzu kommt: Der bisherige Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser in Höhe von 230 Millionen Euro wird ab dem 1. Januar 2009 nicht mehr erhoben.
Unisono Kritik
Verbände, Arbeitgeber und Gewerkschaften kritisierten unisono das Ergebnis – die einen, weil das zusätzliche Geld nicht ausreicht, die Anderen, weil das KHRG die Kosten für Versicherte und Arbeitgeber in die Höhe treibt, Wettbewerb unterbindet und die Bundesländer nicht in die Pflicht nimmt.
Hintergrund der langen und zähen Auseinandersetzungen um die Krankenhausfinanzierung sind die gestiegenen finanziellen Belastungen, die viele Kliniken in die roten Zahlen getrieben haben. Während Kosten für Gehälter, Energie und Medikamente in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind, erhalten die Krankenhäuser jährlich nur soviel Geld mehr, wie die Grundlohnsumme der Beitragszahler steigt – in diesem Jahr also gerade mal 0,64 Prozent. Im Klartext: Die Kosten steigen, die Einnahmenseite ist gedeckelt. Realität im deutschen Gesundheitswesen.
Hinzu kommt, dass die Bundesländer in den vergangenen drei Jahrzehnten immer mehr aus ihrem Anteil der Finanzierung ausgestiegen sind. Bei der Krankenhausreform von 1972 sah die politische Vorgabe so aus, dass die Bundesländer zwischen 20 Prozent und einem Drittel der Krankenhausgesamtkosten über die Investitionsförderung (Subventionen) beisteuern. Diese Vorgabe wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt erfüllt. In den letzten drei Jahrzehnten ist der Anteil der Länderfinanzierung im Verhältnis zu den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und privaten Krankenversicherer (PKV) auf eine Restgröße von rund fünf Prozent geschrumpft.
Ernüchternde Reaktion
Die Reform der Krankenhausfinanzierung sollte deshalb endlich den Befreiungsschlag bringen – die Krankenhausverbände forderten, die Länder in die Pflicht zu nehmen und die Deckelung der Einnahmen zu beenden. Entsprechend ernüchtert fällt die Reaktion der Kliniken aus: Der Gesetzentwurf bleibe weit hinter den Erwartungen zurück. Den zugesagten drei Milliarden auf der Einnahmeseite stünden 4,2 Milliarden Euro tatsächliche Personalkostensteigerungen und weitere vier Milliarden Euro Sachkostensteigerungen gegenüber, reagierte Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, auf die erzielte Einigung. Die Differenz von über fünf Milliarden Euro könne von den Kliniken nicht durch Rationalisierungsmaßnahmen aufgefangen werden. „Das Paket greift insofern zu kurz. Es drohen weiterer Stellenabbau und Einschränkungen in der Patientenversorgung“, prophezeit Baum. Die Unterfinanzierung der Kliniken und damit die implizite Rationierung von Krankenhausleistungen würden fortgeführt.
Kein gutes Haar
Auch der Marburger Bund lässt kein gutes Haar an der Einigung. Wenn den Krankenhäusern die Tarifentwicklung zu allenfalls 50 Prozent finanziert werde, fehlten trotzdem allein in diesem Bereich 1,35 Milliarden Euro. „Es bleibt ein Widerspruch, die Krankenhauspreise staatlich nach oben zu begrenzen, die Kostenentwicklung im Krankenhaus dann aber nur zur Hälfte anzuerkennen“, bringt es Rudolf Henke, Bundesvorsitzender des Marburger Bundes, auf den Punkt. Nicht ganz zu Unrecht fragt sich der Chef der Ärztegewerkschaft, womit die zusätzlichen Pflegestellen des Sonderprogramms bezahlt werden sollen. Wenn die Deckungslücke allein bei den tariflich erhöhten Löhnen und Gehältern bereits 1,35 Milliarden Euro betrage, werden die meisten Kliniken kein Budget für weiteres Pflegepersonal haben – selbst wenn sie nur 30 Prozent der Kosten zu tragen haben.
Optimistisch
Das Bundesgesundheitsministerium sieht das naturgemäß etwas optimistischer: Das Gesetz verbessere die finanzielle Lage der Kliniken und sichere so die Versorgung der Patienten. Zudem sei die viel gescholtene Deckelung der Einnahmen abgeschafft. Im nächsten Jahr werde ein neuer „Orientierungswert“ entwickelt, der die krankenhausspezifische Kostenentwicklung besser abbildet. Der Orientierungswert richte sich dabei eben nicht mehr nach der Grundlohnsumme, sondern nach den tatsächlichen Kostensteigerungen der Krankenhäuser.
Das Problem dabei: Welcher Prozentsatz der Kostensteigerung an die Kassen durchgereicht wird, das entscheidet das Gesundheitsministerium. „Viel wurde versprochen, aber nur wenig verändert. Die Budgets bleiben, auch wenn sie jetzt anders heißen“, zeigt sich dementsprechend Dr. Frank Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer, enttäuscht. Montgomery nennt das Ergebnis „absurdes Polittheater“ und „Staatsmedizin pur“. Mutige Gesundheitspolitik sehe anders aus.
Doch wo die einen die Finanzspritze als halbherzig und nicht ausreichend betrachten, sieht Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt das „teuerste sozialpolitische Leistungspaket der Legislaturperiode“. Gerne hätten die Arbeitgeber ein Reformpaket verhindert, das den Beitragssatz des künftigen Gesundheitsfonds weiter nach oben treiben musste. Statt die Beitragszahler erneut zu belasten, moniert Hundt, hätte man strukturelle Reformen vorantreiben und mehr Wettbewerb im stationären Sektor zulassen müssen.
Der fehlende Wettbewerbs-Aspekt liegt auch den Krankenkassen schwer im Magen. Vergeblich kämpften sie bis zuletzt für einen Passus im Gesetz, der Selektivverträge zwischen Kassen und Kliniken zugelassen hätte. Doch die Hauptursache der Krankenhaus-Finanzmisere sieht der GKV-Spitzenverband im mangelnden Engagement der Länder. Allein die Mehreinnahmen für die Krankenhäuser im nächsten Jahr seien deutlich höher, als das gesamte jährliche Investitionsvolumen aller Bundesländer. „Während die Krankenkassen über 50 Milliarden Euro pro Jahr an die Krankenhäuser überweisen, zahlen die Bundesländer lediglich rund 2,7 Milliarden Euro“, heißt es in einer Pressemitteilung des Spitzenverbands.
Grundlegender Dissens
Zumindest in diesem Punkt sind sich Ärzte und Kassen einig. Einen grundlegenden Dissens gibt es jedoch darüber, ob die Kliniken überhaupt mehr Geld gebraucht hätten. Die Gleichung‚ „weniger Krankenhäuser gleich schlechtere Versorgung“ sei veraltet und falsch, meint der GKV-Spitzenverband. „Wir haben in Deutschland immer noch deutlich mehr Krankenhäuser pro Einwohner als vergleichbare Länder. Der notwendige Strukturwandel findet nicht statt“, so Johann- Magnus von Stackelberg, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes des GKV-Spitzenverbandes. Während die Kliniken auf die Überlastung des Personals und den drohenden Verlust weiterer Arbeitsplätze aufmerksam machen, plädieren die Krankenkassen dafür, den Wettbewerb entscheiden zu lassen.
Otmar MüllerFreier gesundheitspolitischer JournalistNürburgstr. 6, 50937 Köln