GOZ: Risiko mit Perspektiven
Sehr verehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,
die Arbeitsgruppe GOZ des BMG, bestehend aus Beihilfe, PKV, BZÄK und BÄK, hat vom Ministerium ein vertrauliches Arbeitspapier zur GOZ-Novellierung erhalten, einen Entwurf des sogenannten Paragrafenteils. Die BZÄK verzichtete bewusst darauf, Details öffentlich zu diskutieren, um ihre Glaubwürdigkeit in den Verhandlungen nicht zu gefährden. Inzwischen scheint die Zurückhaltung aber durch andere verletzt worden zu sein, da bereits eine Reihe von Kommentaren kursieren. Die BZÄK ist deshalb nun gehalten, grundsätzliche Dinge zu den Plänen zu thematisieren, in die der gesamte Berufsstand einbezogen werden muss.
Das Fazit der Pläne lautet: Risiko mit Perspektiven. Zwar ist es gelungen, eine ganze Reihe von echten Fehlern auszumerzen, gleichwohl ist die neue GOZ weit davon entfernt, ein fachlich und betriebswirtschaftlich stimmiges Werk zu sein. Deshalb blicken wir dem Gesamtwerk mit eher gemischten Gefühlen entgegen. Beispiel: Die Neuformulierung zur „Abweichenden Vereinbarung“: Sie schreibt lediglich den Status quo der Auslegung der geltenden GOZ fest – das BMG hat damit eine Chance verstreichen lassen, mit der neuen GOZ der Vertragsfreiheit mehr Raum zu geben. Eine abweichende Vereinbarung ist nach der bisherigen Vorlage nur über die Höhe der Vergütung, nicht auch über den Leistungsinhalt möglich.
Ganz problematisch wird es aber, wenn es um die vorgesehene Öffnungsklausel geht, also die abweichende Vereinbarung mit dem Kostenträger. Danach können Zahnärzte und Gruppen von Zahnärzten mit Unternehmen der PKV oder Kostenträgern die Vergütung abweichend von der GOZ festlegen und Näheres zur Abrechnung vereinbaren. Das wird gefährlich und sollte nach unserer Auffassung ersatzlos gestrichen werden. Mit dieser Regelung würde neuen Einkaufsmodellen – so wie es die PKV will – Tür und Tor geöffnet.
Bedenklich ist das Vorhaben zunächst aus ganz grundsätzlichen Erwägungen heraus. So ist die Angemessenheit der Leistungsvergütung fraglich und kann zu Preisdumping auf Kosten der Versorgungsqualität führen. Es würden neue Eingriffsrechte der Krankenversicherung in die Behandlung ermöglicht, die Patientenrechte würden eingeschränkt, die Wettbewerbsorientierung im Gesundheitswesen würde leiden und durch Risikoselektion würde eine flächendeckende Versorgung gefährdet.
Hinzu käme, dass die Regelung nicht mit dem Zahnheilkundegesetz vereinbar zu sein scheint. Dort ist nämlich festgelegt, dass die Vertragsbeziehung zwischen dem Patienten und seinem Zahnarzt besteht. Die neuen Pläne sehen vor, dass nunmehr eine Vertragsbeziehung zwischen dem Zahnarzt und der Krankenversicherung möglich wird. Auch berufsrechtlich ist die Beteiligung von Zahnärzten an Einkaufsmodellen bedenklich, da sich die Zuweisung von PKV-Versicherten in den entsprechenden Tarifen an die Zahnärzte rechtlich als Patientenzuweisung gegen Entgelt darstellt.
Schließlich bestehen EU-kartellbeziehungsweise wettbewerbsrechtliche Bedenken: Die mit den BMG-Plänen unterstützten Einkaufsmodelle dürften dazu führen, dass die nicht beteiligten Leistungserbringer faktisch vom Marktzugang ausgeschlossen werden, wodurch auch die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU betroffen sein kann.
Neu ist, dass die Bundeszahnärztekammer oder zahnärztliche Verbände mit dem PKVVerband, mit privaten Krankenversicherern oder Kostenträgern Rahmenempfehlungen abschließen können. Diese Rahmenverträge bieten die Möglichkeit, die mit der Öffnungsklausel verbundenen Risiken am ehesten einzudämmen. Das ist eine große Herausforderung, die Risiken und Chancen zugleich birgt: Intelligenz und Mut sind gefragt, Vorsicht ist geboten, wenn es darum geht, den Gestaltungsspielraum auszuschöpfen. Der zahnärztliche Stand wird gefordert sein, strategisch klug, aber auch mit großer Umsicht und Weitsicht zu agieren, um Gefahren für die Gesamtheit abzufedern. Partikularinteressen haben hintanzustehen, sie sind unterzuordnen und einzubinden.
Wir werden mit unseren Strategien rechtzeitig Pflöcke einschlagen, um zum Wohle der Zahnärzteschaft zukunftsweisende Modelle für die private Vertragsgestaltung zwischen Zahnarzt und Patient zu entwickeln. Nicht zuletzt haben wir dazu mit der HOZ, die auf der Neubeschreibung der präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde fußt, eine wissenschaftlich fundierte und betriebswirtschaftlich gut kalkulierte Basis vorgelegt.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Dr. Dr. Jürgen WeitkampPräsident der Bundeszahnärztekammer