Reform ohne Zukunft
Niedersachsens Zahnärztepräsident Dr. Michael Sereny, Gastgeber des Kongresses, brachte es auf den Punkt: „Die Reform zerstört funktionierende Strukturen ohne funktionsfähige neue zu schaffen.“ Kanzlerin Angela Merkel habe die Koalition um einen hohen Preis auf den Kompromiss eingeschworen, denn das Reformgesetz sei in der Lage, das deutsche Gesundheitssystem nachhaltig zu ruinieren. Sereny: „Die Freiheit der Bürger wird weiter beschnitten, die Transparenz sinkt, Bürokratie und Kosten nehmen zu.“ Betroffen seien auch die Zahnärzte. Durch höchstrichterliche Sozialrechtsprechung habe man die Kieferorthopäden, die vor zwei Jahren ihre Zulassung zurückgegeben hatten, in das System der GKV zurückgezwungen. „Andere Arztgruppen haben sich diese Vorfälle sehr genau angesehen“, hob Sereny hervor. „Es ist fraglich, wie lange der Staat seine höchst qualifizierten Leistungserbringer noch in einem System halten kann, das im Vergleich zum umliegenden Ausland weder vernünftige Arbeitsbedingungen, noch eine vergleichbare Entlohnung bietet.“
Jetzt bereite das Ministerium eine Verordnung vor, die die GOZ nach 20 Jahren Stillstand endlich ersetzen soll. Sereny: „Dabei beschränkt man sich aber nicht auf die durch das Zahnheilkundegesetz gegebene Aufgabe, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen zu schaffen, sondern ist ebenfalls wieder dabei, systemändernde Komponenten miteinzuarbeiten.“ Sei es, dass man plant, den Krankenkassen die Möglichkeit einzuräumen, Sonderverträge abzuschließen und sich damit von dieser Gebührenordnung zu lösen, sei es, dass das vom BMG vorgelegte Leistungsverzeichnis einer neuen GOZ fachlich fehlerhaft ist und elementare Grundsätze einer modernen Zahnmedizin verletzt. Insgesamt ignoriere das BMG damit anerkannte oralepidemiologische Forschungsergebnisse und verhindere eine präventionsorientierte, risikoadaptierte und individualisierte Behandlung.
Patient ist Leidtragender
Dass ein gut funktionierendes Gesundheitswesen nicht durch Strangulierung zu erreichen sei, bekräftigte Walter Hirche (FDP), niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Beispiel Großbritannien. Hirche: „Leidtragende sind die Patienten, Prellböcke die Ärzte.“ Bisher sei es keinem Minister gelungen, die Probleme im Gesundheitswesen zukunftsweisend zu lösen. „Und zwar deshalb, weil die Regierung zunehmend auf mehr Staat, mehr Kontrolle und mehr Bürokratie baut statt auf die Selbstverwaltung und ihre Vielfalt zu setzen.“ Es müsse sich wieder lohnen, selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln, betonte der Minister in seinem Festvortrag. Hirche: „Zahnärzte sind Freiberufler“. Die Demokratie habe auf Dauer nur Bestand, wenn die Menschen nicht nur selbstständig denken, sondern auch agieren könnten. „Wer mit Hemd und Hose haftet, für den hat dieses Prinzip einfach einen anderen Stellenwert!“
Von besonderer Bedeutung seien dabei die hohe Professionalität und Verantwortung der Zahnärzteschaft gegenüber der Gesellschaft, führte Hirche aus. Es sei daher die Pflicht der Politik, sie darin zu unterstützen. Gerade die Zahnärzteschaft gebe den Jugendlichen mit Ausbildungsangeboten eine Perspektive und sorge dafür, dass hierzulande auch morgen noch fachlicher Nachwuchs zur Verfügung steht.