Datensammlung entscheidet
Wenn während der Vorbereitung zu einer Kreditentscheidung die jeweilige Kundenbeziehung zu einer Bank nicht leidet, hat der Praxisinhaber kaum Grund zur Klage. Allerdings dürfte hierzu noch erhebliche Aufklärung erforderlich sein, wie der folgende Fall zeigt.
Werner G. war bisher der festen Überzeugung, sich mittlerweile in die wichtigsten Details der in den vergangenen Jahren mehrmals geänderten Kreditvergaberichtlinien seiner Hausbank eingearbeitet zu haben. Mehr noch: Er sah sich sogar weitgehend in der Lage, das Bankenrating, also die Kreditbeurteilung seiner Zahnarztpraxis, nachzuvollziehen.
Dieser Überzeugung ist er sich mittlerweile aber keineswegs mehr sicher, da ihm vom Kundenberater seiner Bank während des kürzlich erfolgten Bilanzgesprächs mitgeteilt wurde, „dass sich sein „Score“ negativ verändert habe und er doch bitte über zusätzliche Sicherheiten nachdenken solle.“ Sollten keine werthaltigen Sicherheiten zur Verfügung stehen, müsse G. mit höheren Kreditzinsen rechnen.
Besonders verärgerte G., dass der Kundenberater während des Gesprächs eindeutig davon ausging, dass G. mit dem Begriff des „Scoring“ wie selbstverständlich etwas anzufangen weiß, obwohl dieser von seiner Hausbank davon bisher noch nichts gehört hatte. Es hatte also weder eine schriftliche Information noch eine persönliche oder telefonische Erläuterung zu diesem Thema gegeben. Darauf von G. angesprochen, reagierte der Bankmitarbeiter überrascht. Immerhin, so argumentierte er, „sei das Ganze doch nichts Neues. Schließlich beinhalten Scoringsysteme grundsätzlich das Gleiche wie andere Bonitätsbeurteilungen auch“. Immerhin räumte er aber ein, dass nicht nur G., sondern auch Inhaber anderer Praxen die Methodik des Kreditscoring nicht in allen Einzelheiten zu kennen scheinen. Gewöhnungsbedürftig ist danach vor allem die weitgehend automatisierte Ermittlung der jeweiligen Kreditwürdigkeit des Kunden.
Worum geht es also im Einzelnen? Ziel des Scorings ist eine, soweit möglich, weitgehend objektive und zutreffende Vorhersage über die Kreditwürdigkeit oder Bonität des Kreditnehmers. Die dazu erforderliche Basis ist die Analyse bestimmter Kreditnehmermerkmale, die mithilfe statistischmathematischer Methoden ermittelt werden. Anwender versprechen sich durch die Anwendung von Scoring-Verfahren offenbar eine höhere Ergebnisrelevanz als bei Kreditbeurteilungen durch die jeweils dafür zuständigen Bankmitarbeiter mit ihren persönlichen Kundenerfahrungen und den damit verbundenen oft langjährigen Kunden- und Kredithistorien.
Wichtige Kundendetails
Zu diesen wesentlichen Kreditnehmermerkmalen gehören neben persönlichen Daten des Kunden Informationen von Auskunfteien sowie Erfahrungswerte aus der bisherigen Geschäftsbeziehung mit dem Kunden. Diese beinhalten neben der Dauer der Geschäftsbeziehung vor allem die Qualität der Kontoführung wie etwa dem Kundenverhalten bei Kontoüberziehungen sowie die bisherigen Krediterfahrungen mit dem Kontoinhaber. Hinzu kommt die Analyse der wirtschaftlichen Situation der Praxis, bei der vor allem die Positionen des Jahresabschlusses berücksichtigt und bewertet werden. Je nach Scoringsystem können auch zukunftsorientierte Faktoren wie Praxisstrategien oder Mitarbeiterfortbildung hinzukommen. Nicht zu vergessen sind die verfügbaren Kreditsicherheiten, deren Umfang und Qualität für die mögliche Kreditvergabe oder für die individuellen Kreditkonditionen ebenfalls entscheidend sein können.
Im Ergebnis steht ein Punktwert, der sogenannte „Score“, als wesentliches Kriterium der Entscheidungsfindung.
Die Befürworter von Scoring-Verfahren argumentieren, dass grundsätzlich nur Daten Verwendung finden, die statistisch dazu geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Kreditausfalls zu bestimmen und deren Wirkungsweise sich auch wirtschaftlich darstellen lässt.
Zurück zu G.: Die Verschlechterung des Scores ist auf seine veränderte Einnahmesituation zurückzuführen, die wiederum durch die Wirtschaftskrise verursacht wurde. Diesem Problem versucht G. derzeit mit einem von seinem Steuerberater entwickelten Konzept mit dem Ziel einer Kostenreduzierung entgegenzuwirken. Er geht davon aus, dass sich sein Score nach einer entsprechenden Umsetzungsphase dieses Konzepts auch wieder verbessern wird. Dafür spricht übrigens auch die abschließende Bemerkung des Bankmitarbeiters. Durch die „permanente Weiterentwicklung“ des Scoring-Verfahrens ist es nach seiner Aussage möglich, dort auch kurzfristig positive Veränderungen in der wirtschaftlichen Situation des Kreditnehmers einfließen zu lassen, die den Score verbessern können.
Auch die Frage von G., wie es mit der Datensicherheit aussieht, wurde von seinem Gesprächspartner deutlich beantwortet. Danach erfolgt „wie auch bei anderen kundenrelevanten Daten keine Weitergabe. Es sei denn, der Kunde hat einer Weitergabe zugestimmt oder es besteht eine gesetzliche Auskunftspflicht der Bank“.
Michael Vettervetter-finanz@tonline.de