Repetitorium

Hepatitis B

Nach wie vor unterschätzt werden die Gefahren einer Hepatitis B-Infektion. Dementsprechend werden die Möglichkeiten der Impfung immer noch nicht konsequent genug genutzt. Das gilt auch für Angehörige der Heilberufe – inklusive der Zahnärzte und ihrer Praxismitarbeiter/innen.

Rund fünf bis sieben Prozent der Weltbevölkerung sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts mit dem Hepatitis B-Virus (HBV) infiziert. Das entspricht etwa 300 bis 420 Millionen Menschen. Damit gehört die Hepatitis B weltweit betrachtet zu den häufigsten Infektionskrankheiten.

Auch wenn die Mehrzahl der Infektionen Menschen in Entwicklungsländern betrifft, bleibt die Hepatitis B doch in Europa und auch in Deutschland ein relevantes Gesundheitsproblem. Es wird geschätzt, dass hierzulande ebenfalls rund fünf bis acht Prozent der Bevölkerung eine HBV-Infektion durchgemacht haben. Etwa 0,4 bis 0,8 Prozent der Bürger sind Virusträger.

Viele Betroffene wissen jedoch nichts von der Infektion: So wurde nur bei etwa zehn Prozent der rund 500 000 chronisch HBVInfizierten in Deutschland die Diagnose „chronische Hepatitis B“ tatsächlich gestellt und nur circa 10 000 Patienten werden behandelt. Dies erklärt, warum immer wieder öffentlichkeitswirksame Aufklärungskampagnen gestartet werden, um die Bevölkerung verstärkt über die Hepatitis B zu informieren. Ziel solcher Initiativen ist die Früherkennung der Erkrankung bei möglichst vielen Betroffenen, um durch eine adäquate Therapie den späteren Komplikationen vorbeugen und um zugleich das unwissentliche Weitertragen der Infektion unterbinden zu können.

Die Zahl der Hepatitis B-Neuerkrankungen wird für Deutschland mit 50 000 pro Jahr angegeben, wobei 95 Prozent der Betroffenen nicht wissen, wie und wann sie sich infiziert haben.

Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 40 bis 50 Jahren, Männer sind etwa doppelt so häufig von der chronischen Hepatitis B betroffen wie Frauen. Die Mehrzahl der HBV-Infizierten weist einen Migrationshintergrund auf, ist also aus Ländern mit höherer HBV-Inzidenz wie etwa der Türkei sowie Ländern der ehemaligen Sowjetunion und Südeuropa zugezogen.

Gefahr: Leberzirrhose und Leberkrebs

Noch deutlich unterschätzt werden die langfristigen Gefahren der Hepatitis B, was unter anderem auch daran liegen dürfte, dass in den Schlagzeilen vor allem der Hepatitis C Raum gegeben wird. Die Hepatitis B ist jedoch erheblich infektiöser als die Hepatitis C.

Heilt die akute Infektion nicht völlig aus, was bei rund fünf bis zehn Prozent der erwachsenen Infizierten und sogar bis zu 90 Prozent bei HBV-infizierten Säuglingen der Fall ist, so geht sie in eine chronische HBV über. Von einem chronischen Verlauf ist auszugehen, wenn die Ausheilung sechs Monate nach der Ansteckung noch nicht erfolgt ist.

Im Falle einer chronischen Infektion droht jedem dritten Betroffenen die Entwicklung einer Leberzirrhose, wobei von den Patienten mit Leberzirrhose wiederum etwa zehn Prozent ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln. Anders als bei der Hepatitis C kann bei der Hepatitis B der Leberkrebs allerdings auch entstehen, ohne dass sich zuvor eine Leberzirrhose ausgebildet hat.

WHO-Schätzungen zufolge versterben an den Spätkomplikationen der Hepatitis B jedes Jahr weltweit etwa eine Million Menschen.

Hepatitis B – das Virus und seine Übertragung

Beim HBV handelt es sich um ein DNA-Virus, das der Familie der Hepadnaviridae zugeordnet wird. Das Virus, von dem acht verschiedene Genotypen bekannt sind, besteht aus dem DNA-haltigen Kern, der als HBc-Antigen bezeichnet wird (c steht für „core“) und einer lipidartigen Hülle, dem sogenannten Hbs-Antigen (s steht für „surface“).

Die Übertragung erfolgt mit den Körperflüssigkeiten und das am häufigsten über den Blutweg. Von einem Übertragungsrisiko ist folglich bei Verletzungen und beim Sexualverkehr mit Virusträgern auszugehen sowie beim Gebrauch entsprechend verunreinigter Injektions- oder Akupunkturnadeln, bei Tätowierungen und Piercings und theoretisch auch bei diagnostischen und therapeutischen Eingriffen, wenn die notwendigen Hygieneregeln nicht beachtet werden. Am häufigsten ist weltweit betrachtet die perinatale Übertragung. In Deutschland sind dagegen Sexualkontakte die häufigste Infektionsursache. Das HBV ist dabei, so die Angaben der Weltgesundheitsorganisation, rund 50 bis 100fach ansteckender als das HI-Virus, der Erreger von AIDS.

Gelangt HBV in den Körper, so besiedelt das Virus die Leber, wobei die Inkubationszeit bis zu sechs Monate betragen kann. Das Virus ist hochinfektiös und kann sieben Tage außerhalb des Körpers überleben.

Verlauf der Hepatitis B und ihre Diagnostik

Etwa jeder dritte Infizierte reagiert zunächst mit einer akuten Hepatitis, die sich durch eine Gelbsucht zeigt. Ein weiteres Drittel der Patienten macht die Hepatitis ohne Ikterus durch und bei 30 Prozent der Patienten verläuft die akute Infektion sogar asymptomatisch. Heilt sie aus, so lässt sich anhand der Antikörper gegen das Virus (Anti-Hbs und Anti-HBc-IgG) nachweisen, dass der Betreffende eine HBV-Infektion durchgemacht hat. Die jeweilige Person ist dann nicht mehr ansteckend und zudem selbst gegenüber einer erneuten Ansteckung immun.

Patienten mit chronischer HBV können dagegen über ihre Körperflüssigkeit die Infektion weitergeben, wobei das Infektionsrisiko von der Virusmenge im Blut abhängig ist. Liegt die Zahl der Viruskopien bei mehr als 10 000 /ml Blut, so ist eine hohe Infektionsgefahr gegeben.

Die akute Hepatitis B geht üblicherweise mit einer Erhöhung der Leberwerte und speziell der Transaminasen GOT und GPT einher sowie mit einer Erhöhung des Bilirubins. Je höher die Werte ansteigen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer völligen Ausheilung der Akutinfektion.

Die Leberwerte sind bei der chronischen HBV weniger auffällig, wobei zum Teil sogar normale Transaminasen vorliegen. Die Infektion ist jedoch anhand der Virusantigene sowie über die vom Immunsystem gegen diese Antigene gebildeten Antikörper zu diagnostizieren. Das HBs-Antigen (HBsAg) ist meist schon nach sechs Wochen und damit zum Teil schon vor dem Auftreten erster Symptome nachweisbar. Es kommt in der Folge auch zum Auftreten des Antikörpers Anti-HBsAg. Verschwindet dabei das HBs-Antigen, so wird der Prozess als Serokonversion bezeichnet.

Das HBc-Antigen ist nicht im Blut, sondern nur in den Leberzellen nachweisbar, so dass diese Untersuchung nicht zur Routinediagnostik gehört. Anders beim sogenannten HBeAg, dem „envelope“, also dem „Hüllen-Antigen“. Dieses Antigen fungiert bei der Diagnostik als Marker für eine hohe Viruslast und damit für eine hohe Infektiosität. Aber nicht alle Patienten bilden HBeAg, so dass der Umkehrschluss auf eine geringe Infektiosität beim Fehlen des Nachweises nicht statthaft ist.

Exakter lässt sich die Viruslast durch den direkten Nachweis der viralen DNA mittels der PCR-Untersuchung (Polymerasekettenreaktion) ermitteln. Die Bestimmung der HBV-DNA ist zudem als Therapiekontrolle hilfreich.

Die Prognose der Patienten hängt einerseits von der Viruslast ab, andererseits aber auch von der Frage, wie fortgeschritten die Erkrankung ist, wie ausgeprägt der Leberschaden sich darstellt und ob bereits eine Leberzirrhose oder sogar ein Leberzellkarzinom vorliegt.

Die Symptome – Müdigkeit und Gelbsucht

Die akute Infektion macht sich üblicherweise mit Müdigkeit, dem Gefühl der Abgeschlagenheit, Muskel- und Gelenkschmerzen und mit Oberbauchbeschwerden bemerkbar, wobei sich bei einem Drittel der Patienten eine Gelbsucht manifestiert.

Die Symptome sind meist umso ausgeprägter, je später im Verlauf des Lebens die Infektion erfolgt. Umso wahrscheinlicher aber ist dann auch die komplette Ausheilung der Erkrankung mit Elimination des Virus, weil die Symptome ja deutlich auf die Erkrankung hinweisen.

Nur selten kommt es im Zuge der Akutinfektion zu einer fulminanten Hepatitis mit starker Leberzellschädigung, Gerinnungsstörungen, Enzephalopathie und Hirnödem. Tritt eine solche lebensbedrohliche Komplikation auf, so ist das Leben des Betroffenen oftmals nur durch eine Lebertransplantation zu retten.

Bei der chronischen Hepatitis B stehen ebenfalls unspezifische Symptome im Vordergrund. Die Patienten geben Müdigkeit an, eine nachlassende Leistungskraft und gegebenenfalls ein Druckgefühl im Oberbauch. Oftmals aber sind die Beschwerden nur diskret. Die Mehrzahl der Fälle wird daher nicht aufgrund von Symptomen diagnostiziert, sondern bei der Abklärung erhöhter Leberwerte, die zufällig im Rahmen einer Routineuntersuchung oder aufgrund anderer Erkrankungen auffällig wurden.

Antivirale Therapie

Da eine vollständige Heilung der chronischen Hepatitis B in aller Regel nicht möglich ist, besteht das Therapieziel in einer möglichst anhaltenden Suppression der Viruslast, wobei im Idealfall das Virus nicht mehr im Blut nachweisbar ist. Denn es gibt Befunde, dass sich damit die Leberhistologie bessert und dass sich die Gefahr der Entwicklung von Komplikationen wie der Leberzirrhose und des Leberzellkarzinoms so senken lässt.

Die Behandlung aber ist komplex: Sie ist abhängig von der Viruslast und auch vom Krankheitsstadium und der Frage, ob bereits eine Leberzirrhose eingetreten ist. Ist das der Fall, so muss antiviral behandelt werden, bis keine HBV-DNA mehr nachweisbar ist. Ansonsten sollte die Therapie einsetzen, wenn die Viruslast über 104 Kopien/ml liegt, da dann die Karzinomgefahr deutlich ansteigt. Mit der Behandlung soll deshalb stets versucht werden, die Belastung unterhalb dieser Grenze zu halten.

Ist eine medikamentöse Behandlung angezeigt, wird üblicherweise zunächst für 48 Wochen pegyliertes Interferon intravenös verabreicht. Die Therapie ist mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen behaftet: Es kommt regelhaft zu grippeähnlichen Symptomen, Depressionen und auch zu Blutbildveränderungen. Die Interferon-Therapie ist allerdings zeitlich begrenzt und erwirkt bei rund 30 Prozent der Patienten eine HBeAg-Serokonversion.

Eine Alternative zu Interferon stellen orale antiviral wirksame Substanzen dar, die allerdings längerfristig eingenommen werden müssen. Es sind verschiedene Wirkstoffe verfügbar wie die Nukleosidanaloga Lamivudin, ein Wirkstoff, der weniger Nebenwirkungen als Interferon verursacht, dessen Einsatz aber durch die rasche Resistenzbildung limitiert ist, Entecavir, das eine hohe antivirale Potenz besitzt, bei dem aber Kreuzresistenzen zu Lamivudin auftreten, sowie Telbivudin, das ebenfalls eine hohe antivirale Potenz aufweist, aber auch eine niedrige genetische Barriere, was die Resistenzbildung erleichtert. Eine weitere Wirkstoffgruppe sind die Nukleotidanaloga. Hierzu gehören das Adenofovir, das gut verträglich ist und ein geringeres Resistenzrisiko birgt sowie das Tenefovir, das sich bereits bei der HIV-Therapie bewährt hat und eine hohe Resistenzbarriere besitzt.

Treten unter der Therapie Resistenzen auf, so wird üblicherweise eine „Add-on-Therapie“ praktiziert. Dabei wird das Nukleosidanalogon mit einem Nukleotidanalogon mit nicht überlappendem Resistenzprofil kombiniert, um so eine möglichst optimale Wirksamkeit zu gewährleisten.

Lebertransplantation als ultima ratio

Durch die deutlich verbesserten Behandlungsmöglichkeiten ist eine Lebertransplantation aufgrund einer HBV-Infektion heutzutage deutlich seltener notwendig als noch vor einigen Jahren. Ist dennoch eine Organverpflanzung erforderlich, so sollte unbedingt zuvor eine strikte antivirale Therapie erfolgen, um das Virus möglichst zurückzudrängen und damit die Gefahr einer Reinfektion zu minimieren.

Sinnvoll ist zudem eine Reinfektionsprophylaxe mit Antikörpern gegen das Hepatitis B-Virus. Versuchsweise kann trotz der nach der Transplantation notwendigen Immunsuppression auch eine Hepatitis B-Impfung erfolgen in der Hoffnung, so die körpereigene Bildung protektiver Antikörper zu induzieren.

Ernährung bei der chronischen Variante

Die medikamentöse Therapie kann durch allgemeine Maßnahmen unterstützt werden, wobei alles getan werden sollte, um die Leber zu schützen. Selbstverständlich sollte der Verzicht auf Alkohol sein und es sollte insbesondere Normalgewicht angestrebt werden, um nicht durch Übergewicht die Entwicklung einer Fettleber quasi zu provozieren.

Generell ist auf eine fettarme ballaststoffreiche Vollwertkost sowie auf regelmäßige körperliche Aktivität zu achten.

HBV-Impfung

Seit den 80er Jahren gibt es die Möglichkeit der aktiven Immunisierung gegen Hepatitis B mittels eines gentechnisch hergestellten Hepatitis B-Impfstoffs. Geimpft wird dabei mit dem Oberflächenprotein HBsAg. Die Grundimmunisierung erfolgt mittels dreier Einzelimpfungen, wobei die ersten beiden Injektionen im Abstand von vier Wochen erfolgen sollten und die dritte Injektion anschließend nach sechs bis zwölf Monaten.

Von der Ständigen Impfkommission (STIKO) wird unbedingt eine Impfung bei Hepatitis B-gefährdeten Personen im Gesundheitsdienst und das einschließlich der Auszubildenden und des Reinigungspersonals empfohlen. Geimpft werden sollten ferner Personen, die häufig Blut oder Blutbestandteile übertragen bekommen wie etwa Patienten mit Hämophilie, Dialysepatienten, solche mit HIV-Infektion oder Patienten mit chronischer Nieren- und Lebererkrankung. Ratsam ist laut STIKO die Impfung außerdem für Menschen, die engen Kontakt zu HBsAg-Trägern haben, die also mit ihnen innerhalb der Familie oder in Wohngemeinschaften leben. Geimpft werden sollten ferner vorsichtshalber Mitarbeiter in Kindergärten und Kinderheimen, Patienten in psychiatrischen Einrichtungen sowie besondere Risikogruppen wie homosexuell aktive Männer, Prostituierte, Drogenabhängige und länger einsitzende Strafgefangene. Auch bei Reisen in Regionen mit hoher Hepatitis B-Prävalenz ist eine vorsorgliche Impfung ratsam, vor allem bei längeren Aufenthalten oder bei engem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung. Davon abgesehen gibt es eine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Bei Menschen mit hohem Infektionsrisiko – dazu gehören all jene, die in einer medizinischen oder zahnmedizinischen Praxis tätig sind – spricht die STIKO sich außerdem als reine Vorsichtsmaßnahme für eine Wiederimpfung nach etwa zehn Jahren aus.

Die Autorin der Rubrik „Repetitorium“ist gerne bereit, Fragen zu ihren Beiträgenzu beantworten.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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