Leitbild der Freien Berufe aus zahnärztlicher Sicht

Freiberuflichkeit ist aktive Professionspolitik

Der Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Dietmar Oesterreich, hat das Leitbild der Freien Berufe des BFB analysiert. Auf Basis der Grundsatzüberlegungen des Bundesverbandes der Freien Berufe konkretisiert er Ziele für die zahnärztliche Profession und bricht Schwerpunkte, Inhalte und Aufgaben für den Versorgungsalltag herunter. Sein Fazit: Die Identifikation des einzelnen Kollegen mit dem Gesamtbild seines Berufsstandes ist nicht nur ein wichtiger Baustein des eigenen Erfolges. Er dient auch der positiven öffentlichen Wahrnehmung der Zahnärzteschaft in der Gesellschaft.

Der Beitrag hat zum Ziel, den zahnärztlichen Versorgungsalltag, die professionspolitischen Entwicklungen und die Aufgaben der Zahnärztekammern auf Grundlage der vom Bundesverband der Freien Berufe im Frühjahr herausgegebenen Publikation eines allgemein gefassten Leitbildes der Freien Berufe 2009 [3] einer Konkretisierung zu unterziehen.

Besondere Beachtung erfährt die Diskussion um das Leitbild der Freien Berufe durch die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise, die in eine gesellschaftspolitische Diskussion um Wertebegriffe führt. Die Bedeutung des „Vertrauens“ in einer Gesellschaft bedarf in der gegenwärtigen „Vertrauenskrise“ keiner weiteren Erläuterung. Insbesondere hier können die Freien Berufe über ihr Selbstverständnis eine gesellschaftliche Vorbildfunktion übernehmen und vorleben. Ein Anliegen, das jedes Mitglied des Berufsstandes, die professionspolitischen Standortbestimmungen sowie die Funktion und Ausfüllung von Kompetenzen der Zahnärztekammern unmittelbar berührt.

Ausgangssituation

Medizin und damit auch die Zahnmedizin sind Wissenschaften mit einem sozialen Gestaltungsbezug und damit auch Resultat gesellschaftlicher Durchdringung. Gesellschaftliche Wandlungsprozesse beeinflussen nicht nur die Freien Berufe allgemein, sondern auch die zahnärztliche Berufsausübung. Der Zahnarzt steht somit im Zentrum sozialer, politischer, ökonomischer und kultureller Konfliktlagen und Einflüsse.

Bei der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems (Makroebene) zeichnen sich im engeren Sinne folgende wesentlichen Trends ab.

1. Die Patientenorientierung im Gesundheitswesen

2. Maßnahmen der Qualitätsförderung

3. Die zunehmende Bedeutung evidenzbasierter Zahnmedizin und der Versorgungsforschung

Nach Definition des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer ist die Versorgungsforschung [2] folgendermaßen definiert: „Versorgungsforschung ist die wissenschaftliche Untersuchung der Versorgung von einzelnen und der Bevölkerung mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen unter Alltagsbedingungen.“ Versorgungsforschung betrachtet quasi die „letzte Meile“ des Gesundheitssystems (Makroebene) und besitzt somit eine Schlüsselstellung für die Beurteilung, Beeinflussung und Verbesserung von Gesundheitssystemen. Natürlicherweise sind damit die zahnärztliche Berufsausübung und der Zahnarzt selbst in seiner Interaktion mit den Patienten und den Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems Gegenstand dieser Forschungsrichtung (Mikroebene).

Auf einer sich noch zu entwickelnden methodischen Grundlage dieser Forschungsrichtung besitzt auch der zahnärztliche Berufsstand dadurch Möglichkeiten, Erkenntnisse zu gewinnen, die zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der zahnärztlichen Berufsausübung beitragen können. Deswegen hat auch die BZÄK in ihrer Zielausrichtung einen Schwerpunkt auf die Versorgungsforschung gesetzt [4]. Diese Fokussierung unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Bemühungen des Berufsstandes, auf der Basis wissenschaftlicher Methodik und Kriterien, einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Gesundheitssystems zu leisten.

Erkenntnisse, die aus bereits bestehenden Versorgungsforschungsprojekten gewonnen wurden, zeigen einen deutlichen Einfluss auf das Berufsbild des Zahnarztes durch folgende Aspekte:

1. die zunehmende Bedeutung der Qualitätsförderung

2. die zunehmende Bedeutung der evidenzbasierten Medizin/Zahnmedizin

3. die Zunahme veränderter Formen der Berufsausübung

4. die Zunahme der Feminisierung des Berufsstandes

5. die wissenschaftliche Weiterentwicklung insbesondere durch die Präventionsorientierung in der Zahnmedizin

6. die Veränderung zukünftiger Behandlungsbedarfe insbesondere durch den demographischen Wandel

7. die veränderte Erwartungshaltung der Patienten durch Wellness und kosmetische Angebote

8. die zunehmende Auffächerung des Berufsstandes durch Qualifizierung und Arbeitsschwerpunktsetzungen

Aufgaben

Diese Erkenntnisse erfordern nicht nur Reaktionsweisen auf der Ebene des zahnärztlichen Versorgungsalltags (Mikroebene), sondern auch im Rahmen der zahnärztlichen Selbstverwaltung (Mesoebene). Die BZÄK hat diese Entwicklung zum Anlass genommen, die Aufgaben der Zahnärztekammern selbst aber auch an ihren Schnittstellen zu anderen Institutionen je nach Zielgruppen neu zu bestimmen [7]. Diese Neubestimmung war das Ergebnis einer Diskussion um eine aktive Professionalisierungspolitik des Berufsstandes und der Auseinandersetzung mit den oben genannten Faktoren der Veränderung der zahnärztlichen Berufsausübung.

Sowohl im zahnärztlichen Versorgungsalltag als auch bei der Übernahme und Bestimmung zahnmedizinischer Leistungen in Versorgungskataloge spielt die Bewertung nach evidenzbasierten Kriterien im Hinblick auf den Nutzen, aber auch Kosten-Nutzen-Effekte eine zunehmende Rolle. Die Zahnärztekammern und insbesondere die zahnmedizinische Wissenschaft haben im Rahmen ihrer Stellungnahmen und Ausrichtung die Verpflichtung, die Methodik der evidenzbasierten Zahnmedizin stärker zu befördern, aber auch einzufordern. Wissenschaftlichkeit ist nicht nur eine Forderung des Gesetzgebers, sondern Grundlage zahnmedizinischen Handelns. Dies schafft Vertrauen, Legitimation und Identifikation für den Berufsstand.

Auf Grundlage des Leitbildes der Freien Berufe ist nunmehr der Berufsstand gefordert, unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Entwicklungen seine Position im Sinne der Freiberuflichkeit zu bestimmen. In der konkreten Umsetzung bedeutet dies, darzustellen, was zukünftig unter der zahnärztlichen Freiberuflichkeit verstanden wird (Definitionsaufgaben), welchen Grundwerten im Sinne der Stärkung des Vertrauens der Patienten sich der Berufsstand zuwendet (Vertrauensaufgaben), zu welchem kollektiven Selbstverständnis (Identifikationsaufgaben) die Synergie von Selbstverständnis und Grundwert der zahnärztlichen Freiberuflichkeit führt, und schlussendlich die Bedeutung der zahnärztlichen Freiberuflichkeit in unserer Gesellschaft (Legitimationsaufgaben) herauszuarbeiten.

Berufsausübung gewährleisten

Das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde führt in § 1 Abs. 4 aus: „Die Ausübung der Zahnheilkunde ist kein Gewerbe.“ In Konsequenz der Heilberufsgesetzgebung der Länder haben die Landeszahnärztekammern auf Grundlage der Musterberufsordnung der BZÄK Berufsordnungen verabschiedet, die die Freiberuflichkeit des Zahnarztes stützen und verantwortungsbewusst gestalten. Der Zahnarzt hat danach aufgrund besonderer beruflicher Qualifikationen persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig in Diagnose- und Therapiefreiheit tätig zu werden. Auf Grundlage einer Liberalisierung des Berufsrechts ist die Ausübung zahnärztlicher Tätigkeit außerhalb des Praxissitzes auch an weiteren Orten und in unterschiedlicher Abhängigkeit und Kooperation möglich. Prägend für einen freien Beruf ist aber nach wie vor die persönliche Verantwortung und fachlich unabhängige Tätigkeit – auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen.

Betrachtungen, die die wirtschaftliche Selbstständigkeit als notwendige Grundlage freiberuflicher zahnärztlicher Tätigkeit darstellen, treten durch die Entwicklungen und sozialen Umschichtungen im gesamten Berufssystem der modernen Industriegesellschaften aber mehr und mehr in den Hintergrund. Angestellte Zahnärzte müssen somit als Freiberufler mit allen Rechten und Pflichten verstanden werden. Unabhängig hiervon ist der Versorgungsalltag wesentlich von der wirtschaftlich selbstständigen freiberuflichen Praxis geprägt.

Bedingt durch politisch verursachte erschwerte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die Flexibilisierung von Lebensentwürfen und die Feminisierung des Berufsstandes nimmt der Anteil von Zahnärztinnen und Zahnärzten im Angestelltenstatus perspektivisch zu [1, 9, 10]. Aufgabe der Zahnärztekammern ist es, diese Kolleginnen und Kollegen verstärkt in die Diskussion mit einzubeziehen und entsprechende Vertretungsmöglichkeiten zu schaffen. Darüber hinaus gilt es auch, ihre Berufsausübung zu unterstützen und zu fördern, auf ein gedeihliches Miteinander hinzuwirken, um die freiberufliche Berufsausübung zu gewährleisten.

Patientenorientierung und Gemeinwohl stärken

Die Diskussion um das Leitbild der Freien Berufe und dessen konkrete Umsetzung in der Zahnärzteschaft ist ein wesentliches Stück aktiver Professionalisierungspolitik. Eine akademische Profession braucht in ihrer freiberuflichen Berufsausübung ein gesellschaftliches Mandat, das durch eine Reaktion auf den gesellschaftlichen Wandel und die veränderten Werte regelmäßig legitimiert werden muss [11, 17]. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Informationsgesellschaft und einer deutlichen Patientenorientierung im Gesundheitswesen bedarf es erheblicher Anstrengungen, die Kompetenz des Berufsstandes für alle Fragen der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zu erhalten. Fachliche wie auch institutionelle Entscheidungsprozesse sind zukünftig verstärkt transparent zu gestalten und darüber hinaus ist das Engagement des Berufsstandes an gesellschaftspolitischen Veränderungen erforderlich. Eingerichtete Patientenberatungen zur weiteren Abklärung diagnostischer und therapeutischer Empfehlungen des behandelnden Zahnarztes, aber auch eigene vom Berufsstand selbst zur Verfügung gestellte Problemlösungsmöglichkeiten über Gutachter und Schlichtungsstellen, die in ihren Entscheidungsprozessen transparenten Kriterien folgen, sind deutliche Reaktionsweisen des Berufsstandes.

Zukünftig ist insbesondere im Zusammenhang mit den im Rahmen der Selbstverwaltung gebildeten Problemlösungsmöglichkeiten zwischen Zahnarzt und Patient über eine verstärkte Patientenbeteiligung zur Erhöhung der Transparenz der Entscheidungsprozesse nachzudenken. Möglich wäre zusätzlich die Einbindung von Patientenvertretern in die vorhandenen Schlichtungsstellen und Patientenberatungen. Gerade auf dem Feld der Patientenberatung und Patienteninformation nehmen die Angebote deutlich zu und durch Entscheidungen im Rahmen der Sozialgesetzgebung sind neue Institutionen, wie die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), entstanden. Da tendenziell mit neuen gesetzgeberischen Maßnahmen (Patientenrechtegesetz) zu rechnen ist und sich auch auf europäischer Ebene Richtlinien zu den Patientenrechten in der Planung befinden, bedarf es hierzu einer Diskussion in den berufspolitischen Gremien.

Mit der Mitgliedschaft der BZÄK im Aktionsbündnis Patientensicherheit, besitzt der Berufsstand aktuell Einflussmöglichkeiten, mit Erkenntnissen des zahnärztlichen Versorgungsalltags zur Verbesserung der Patientensicherheit beizutragen.

Unweigerlich führt die Diskussion um das Thema Patientensicherheit auch zum Thema des Umgangs mit Behandlungsfehlern beziehungsweise unerwünschten Ereignissen im Rahmen der zahnärztlichen Intervention. Fehlermanagementsysteme auf freiwilliger, nicht justiziabler und anonymer Basis bieten die Möglichkeit, einen transparenten, vertrauensvollen und glaubwürdigen Umgang mit dieser Thematik zu schaffen [12].

Vom Berufsstand entwickelte, wissenschaftlich abgesicherte Patienteninformationen sind nicht nur für den einzelnen Zahnarzt eine wichtige Unterstützung bei der Information und Aufklärung seiner Patienten auf Grundlage vorhandener wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern erfüllen eine wichtige vertrauensbildende Funktion. Sie schaffen Transparenz im diagnostischen und therapeutischen Vorgehen der Zahnärzte und ein klares Bekenntnis zur Wissenschaftlichkeit im zahnärztlichen Versorgungsgeschehen. Auch im Sinne der Gemeinwohlverpflichtung des Berufsstandes als ein Freier Beruf sollten diese kontinuierlich fortentwickelt werden.

Ferner sind die Fokussierungen auf sozialpolitische Problembereiche, die erhebliche fachliche Auswirkungen besitzen, wie die Polarisierung des Erkrankungsrisikos auf Bevölkerungsgruppen in sozial schwierigen Lebenslagen, als auch das Engagement des Berufsstandes in weltweiten humanitären Hilfsprojekten wichtige Felder des Engagements des Berufsstandes. Auch das Aufzeigen von gesundheitspolitischen Lösungsansätzen für zahnmedizinische Herausforderungen durch den demographischen Wandel im Hinblick auf die Alterszahnheilkunde sowie den Bereich der Zahnheilkunde für Menschen mit Behinderungen sind notwendig. Zielgruppenspezifische Präventionsund Versorgungskonzepte sind aus dem Berufsstand heraus zu entwickeln, um Tendenzen von Unter- oder Überversorgung entgegenzuwirken.

Die Zahnmedizin konnte zeigen, dass die Nachhaltigkeit der Präventionserfolge sehr wirksam ist [8, 16]. Die Erfolge der Prävention in der Zahnmedizin waren und sind ein wichtiger Beitrag der Gemeinwohlverpflichtung des Berufsstandes und haben ein ethisch neues Berufsbild des Zahnarztes in der Öffentlichkeit geprägt. Sie verstärken darüber hinaus das kollektive Selbstverständnis des Berufsstandes. Jegliche präventive Aktivitäten sind auch zukünftig an deren Nachhaltigkeit zu messen.

Durch Erkenntnisse der Risikofaktorenmedizin [15] wurde der starke Bezug der Zahnmedizin zu anderen medizinischen Fachbereichen unterlegt und das bisher im Vordergrund stehende Selbstverschuldungsprinzip beim Auftreten oraler Erkrankungen relativiert. In der Erkenntnis, dass Zahnmedizin ein integraler Bestandteil des medizinischen Fächerkanons darstellt [13], ergibt sich für den Berufsstand verstärkt die Herausforderung, die Bedeutung der Zahnmedizin für die allgemeine gesundheitliche Situation und die Lebensqualität der Bevölkerung herauszustellen. Forschungsaktivitäten in dieser Hinsicht bedürfen der Unterstützung des Berufsstandes und sichern somit die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Ausbildung auf Hochschulniveau und die Bedeutung der Zahnmedizin generell im Gesundheitssystem.

Durch diese Entwicklungen wird verdeutlicht, dass der Freie Beruf Zahnarzt nicht ausschließlich auf gesundheitspolitische Entscheidungen reagieren darf, sondern von sich aus heraus notwendigerweise selbst Aktivitäten entfalten sollte, die in ihrer Konsequenz politische Aktivitäten auslösen und durch Versorgungsforschungsansätze kritisch begleitet werden können.

Gleiches gilt für alle Fragen der Qualitätssicherung, die als Reaktion auf gesellschaftliche Wandlungsprozesse insbesondere für Gesundheitsberufe eine besondere Bedeutung besitzen. Dies sind Prozesse, die einerseits durch Selbstverpflichtung des Berufsstandes aktiv bestimmt und angegangen werden können, oder andererseits – wie etwa im SGB – eher fremdbestimmt unter Verlust der Zuständigkeit, Kompetenz und Legitimation ablaufen. Qualitätssicherung muss somit ein für den Berufsstand selbstbestimmter und für die Öffentlichkeit transparent dargestellter Schwerpunkt sein. Im Rahmen der Selbstverwaltung der Zahnärztekammer besitzt die Qualitätssicherung einen außerordentlichen hohen Stellenwert [6]. Sie umfasst unter anderem die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Zahnärzte sowie der zahnärztlichen Mitarbeiter(innen), die Entwicklung von Qualitätsmanagementsystemen, Überprüfungen nach der Röntgenverordnung, Empfehlungen zum Hygienesystem der zahnärztlichen Praxis bis hin zu Auslegungsfragen der zahnärztlichen Gebührenordnung. Die Zahnärztekammern als freiberufliche Selbstverwaltung stehen nicht nur im Spannungsverhältnis von Freiheit und Pflicht, sondern haben durch ihre gesetzlich fixierte Gemeinwohlverpflichtung die Interessen des Berufsstandes mit den Interessen der Bevölkerung sowie gesellschaftlichen Wandlungsprozessen in Einklang zu bringen. Dies erfordert einen politisch aktiven Umgang, vorurteilslose Beobachtung von gesellschaftlichen Trends, aber auch einen intensiven Diskussionsprozess in den Gremien selbst.

Berufspflichten fortentwickeln

Auch Berufspflichten, niedergelegt in den Berufsordnungen als selbstbestimmtes Satzungsrecht der Zahnärztekammern auf Grundlage der Heilberufsgesetzgebung, unterliegen Wandlungsprozessen. In den Berufsordnungen sind insbesondere ethische Verpflichtungen, bezogen auf das Individuum (den Patienten), festgelegt und bedürfen einer ständigen Fortentwicklung. Zu empfehlen ist daher die Formulierung eines berufsumfassenden „ethical code“ durch die BZÄK, zu dem sich die Zahnärzte spätestens ab Eintritt in das Berufsleben bekennen (Selbstverpflichtung). Damit trägt die Zahnärztekammer wesentlich dazu bei, ein kollektives Selbstverständnis im Sinne einer Identifikationsaufgabe herzustellen, an dem individuelle Entscheidungen des einzelnen Zahnarztes, aber auch Entscheidungen der Gremien und berufspolitische Konzepte gemessen werden müssen. Diese Aufgabe ist unter den zunehmenden Diversifizierungstendenzen des Berufsstandes eine wichtige Funktion der Zahnärztekammer und bestimmt maßgeblich das Außenbild des gesamten Berufsstandes. Eine berufsethische Diskussion und Erziehung sollte bereits während der universitären Ausbildung, zum Beispiel in der Berufskundevorlesung, beginnen. Reaktionsweisen des Berufsstandes auf gesundheitspolitische und gesundheitsökonomische Herausforderungen sind hieran zu messen und geben Rückhalt und Glaubwürdigkeit in der Argumentation des Berufsstandes. Nur wenn es gelingt, ein Gesamtbild in der Öffentlichkeit zu schaffen, das transparent und nachvollziehbar bleibt, besitzt der gesamte Berufsstand politische Möglichkeiten der Einflussnahme.

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Rahmen der Berufspflichten ist das Unterlassen beziehungsweise das Verbot der Duldung berufswidriger Werbung. Unter berufswidriger Werbung wird irreführende, anpreisende und vergleichende Werbung verstanden. Höchstrichterliche Rechtsprechung legitimiert das Werbeverbot für Ärzte/Zahnärzte mit dem wichtigen Hinweis auf Schutz der Bevölkerung. Es gilt das Vertrauen des Patienten darauf zu erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen durchführt oder Medikamente verordnet. Grundsätzlich soll sich die ärztliche/zahnärztliche Berufsausübung nicht primär an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Vor diesem Hintergrund wird ausdrücklich am Patientenbegriff festgehalten. Bestrebungen, die Bezeichnung Patient (die das besondere ärztliche Vertrauensverhältnis zu Arzt und Zahnarzt zum Ausdruck bringt) durch den vornehmlich ökonomisch definierten Kundenbegriff zu ersetzen, wird eine deutliche Absage erteilt. Das Werbeverbot beugt einer unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes/Zahnarztberufes vor. Allerdings muss für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben.

Diese Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass das ehemals strikte Werbeverbot einer Liberalisierung unterworfen wurde. Trotz dieser Liberalisierungstendenzen gilt es für die Kammern im Rahmen der Überwachung der Berufspflichten eine ständige Bewertung der vorgenommenen werbenden Aktivitäten der Zahnärzte vorzunehmen und ebenso unter Nutzung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und des Heilmittelwerbegesetzes berufswidrige Werbung im Interesse der Wahrung der Freiberuflichkeit zu verfolgen.

Aus-, Fort- und Weiterbildung stärken

Mit den oben genannten Ausführungen ist eine hohe Qualität und Verlässlichkeit in den zahnmedizinischen Ausbildungsstandards verbunden. Die wissenschaftliche Weiterentwicklung wie auch die zukünftigen Herausforderungen an die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung erfordern eine Novellierung der Approbationsordnung für Zahnmedizin.

Mit der im breiten berufspolitischen Konsens entwickelten Vorlage des Entwurfs der Approbationsordnung hat der Berufsstand eine wesentliche Grundlage zur Qualitätssicherung zahnmedizinischer Leistungserbringung erbracht. Die Zahnärztekammern besitzen somit ein sehr hohes Interesse daran, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte, die in den Versorgungsalltag eintreten, hierfür ausreichend gerüstet sind. Die Sicherung der Freiberuflichkeit geht somit wesentlich einher mit der Forderung nach einer hohen Qualität der Ausbildung. Das Ablehnen eines Bachelor und Master im Rahmen der universitären Ausbildung ist somit auch aus der Wertediskussion um die Freiberuflichkeit abzuleiten. Das Absenken der Ausbildungsqualität käme somit einem Angriff auf die Freiberuflichkeit gleich, was zu einem deutlichen Absinken der Wertstellung des zahnärztlichen Berufsstandes und zu einem Vertrauensverlust bei den Patienten führte. Forderungen seitens der Politik nach einer hohen Qualität zahnmedizinischer Leistungen setzen somit eine Anerkenntnis der Zahnärzte als Freiberufler voraus. Darüber hinaus ist die hohe Qualität in der Ausbildung wesentliche Grundlage für die in der Verantwortung der Zahnärztekammern liegende Qualität in der Fort- und Weiterbildung.

Diversifizierungstendenzen im Berufsstand werden maßgeblich geprägt durch die postgraduale Qualifizierung des Zahnarztes. Grundsätzlich ist der Zahnarzt verpflichtet, sich lebenslang kontinuierlich fortzubilden, hat die Möglichkeit, nach dem Heilberufsgesetz und der Weiterbildungsordnung der Kammer eine Weiterbildung zu absolvieren und zusätzlich auf Grund der Hochschulrahmengesetzgebung postgraduale Masterqualifikationen zu erwerben. Diese fachliche Weiterentwicklung des Berufsstandes wird überlagert durch die gesundheits- systemimmanente Verteilungsdiskussion.

Grundsätzlich ist der allgemeinzahnärztlich tätige Zahnarzt wesentlicher Träger der zahnärztlichen Versorgung der Gesamtbevölkerung. Wissenschaftliche Weiterentwicklungen erfordern zusätzliche und transparente sowie qualitätsgesicherte Qualifizierungen (unter Umständen mit Vorgaben der Zahnärztekammern) in einzelnen Fachbereichen, die im Rahmen von Tätigkeitsschwerpunkten in den Praxen umgesetzt werden. Inwieweit wissenschaftliche Erkenntnisse zwangsläufig dazu führen, neue Weiterbildungsgebiete im Sinne von Fachzahnarzt- oder Zusatzbezeichnungen zu schaffen, bedarf nicht nur eines Blickes auf die zunehmenden Wissensbestände in der Zahnmedizin, sondern ebenso einer Würdigung der hohen Qualitätsanforderung an die derzeitigen Weiterbildungsgebiete. Die Diskussion (Generalist versus Spezialist) muss somit ebenso aus Sicht der Freiberuflichkeit und seiner identifikationsstiftenden Funktion geführt werden. Dies bedeutet, dass trotz Diversifizierung die zahnärztliche Berufsausübung im Sinne des Zahnheilkundegesetzes das prägende Element für den gesamten Berufsstand sein muss. Die kontinuierliche Gestaltung und Anpassung der Weiterbildungsordnung an künftige Anforderungen ist somit wichtiger Bestandteil einer aktiven Professionalisierungspolitik des Berufsstandes.

Gebührenordnung novellieren

Ein wichtiges berufspolitisches Thema derzeit ist die Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Trotz der zunehmenden Angebote zur Patienteninformation in der breiten Öffentlichkeit, aber auch durch den Berufsstand selbst, bleibt es bei einem Wissensvorsprung des Zahnarztes und in der Regel lässt sich die Qualität der Leistungserbringung durch den Patienten naturgemäß nur eingeschränkt beurteilen. Vor diesem Hintergrund ist die Festlegung einer Gebührenordnung, die einen Interessenausgleich zwischen dem Zahnarzt und dem zur Zahlung Verpflichteten darstellt, in ihrer Gebührenhöhe als auch im Hinblick auf die Leistungsinhalte sinnvoll. Dies setzt allerdings voraus, dass einerseits die Gebührenhöhe nach transparenten betriebswirtschaftlichen Kriterien bestimmt wird und andererseits aufgrund des wissenschaftlichen Sachstandes auch die Leistungsinhalte beschrieben werden. Dies bietet dem Patienten wie auch dem Zahnarzt die nötige Transparenz und Sicherheit für eine regelgerechte Leistungserbringung und -honorierung. Darüber hinaus sichert es die Unabhängigkeit des freiberuflichen Zahnarztes. Die berufsethische Verpflichtung, die der Zahnarzt der Individualität des Patienten schuldet, bedarf ergänzend der Möglichkeit der freien Vereinbarung. Öffnungsklauseln, die diese Individualität vernachlässigen sind in einer Gebührenordnung dagegen nicht nur ordnungspolitisch verfehlt, sondern widersprechen den Grundsätzen von Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit eines Freien Berufes. In der Diskussion des vorliegenden Novellierungsentwurfs des BMG ist die Beachtung des Charakters eines Freien Berufes stärker erforderlich.

Leistungserbringung im Team unterstützen

Zahnärztliche Tätigkeit ist auf das engste mit einer hohen Qualifikation zur Ausübung der Zahnheilkunde verbunden. Persönliche Leistungserbringung bedeutet für den Zahnarzt die individuelle Betreuung seines Patienten auf Grundlage der vorhandenen Befunde beziehungsweise der Diagnose, der wissenschaftlichen Erkenntnisse, der eigenen Erfahrungen und der Erwartungshaltung des Patienten. Da der Zahnarzt gefordert ist, den Patienten auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnis zu betreuen, ist als Handlungsrahmen der Einbezug wissenschaftlicher Stellungnahmen sowie Leitlinien zu empfehlen, wobei individuelle Behandlungssituationen zu berücksichtigen sind. Es besteht also kein Widerspruch zwischen Leitlinienentwicklung und individueller Patientenversorgung, sondern beide Kategorien hat der Zahnarzt selbst im Rahmen der Verpflichtung gegenüber seinem Patienten einzubeziehen und umzusetzen. Sowohl die individuelle Verpflichtung gegenüber seinen Patienten als auch die Verpflichtung zur Wissenschaftlichkeit seines Handelns folgen dem Berufsethos und den Berufspflichten, die der Zahnarzt mit Erteilung der Approbation anerkennt.

Das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde umreißt nicht nur klar die Grenzen der Ausübung der Zahnheilkunde, sondern definiert darüber hinaus in § 1 Abs. 5 konkret den Umfang und die Voraussetzung zur Delegation zahnärztlicher Leistungsbestandteile. Der Zahnarzt bestimmt somit in seiner Praxis auf Grundlage dieses Gesetzes den Umfang der Delegation an sein dafür unter seiner Verantwortung stehendes qualifiziertes Personal. Seiner Verantwortung unterliegt es, für entsprechende Qualifikation, deren Überprüfung und die Kontrolle der Leistungserbringung zu sorgen. Im Rahmen der Aufgabenstellung der Zahnärztekammern sorgen diese für eine qualitätsgesicherte Aus- und Fortbildung auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes und der durch die Aufsichtsbehörden genehmigten Fortbildungs- und Fortbildungsprüfungsordnungen.

Ein hohes Niveau der Aus- und Fortbildung zahnärztlicher Mitarbeiter schafft gute Voraussetzungen für den Einsatz entsprechend qualifizierten Personals, entlässt den Zahnarzt selbst aber nicht aus der Entscheidungsverantwortung. Der “Delegationsrahmen zahnmedizinische Fachangestellte der BZÄK“ [5] stellt somit eine Interpretation des Berufsstandes auf Basis des Gesetzes zur Ausübung der Zahnheilkunde dar. Vor dem Hintergrund der Norm des Gesetzes zur Ausübung der Zahnheilkunde und des Berufsbildungsgesetzes gilt es, zukünftig verstärkt und bundesweit konsequent einen einheitlichen Rahmen für die Aus- und Fortbildung durchzusetzen. Dies schafft somit nicht nur entscheidende Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Verantwortung des einzelnen Zahnarztes, sondern ist auch wesentlicher Bestandteil der Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Hand der Selbstverwaltung des Freien Berufes.

Fachliche Unabhängigkeit bewahren

Freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit bedeutet nicht absolute Freiheit, sondern eine Freiheit, die mit Approbationserteilung in öffentlich-rechtliche Pflichten eingebettet ist. Die Umsetzung dieser öffentlich-rechtlichen Pflichten auf Grundlage der Heilberufsgesetzgebung der Länder erfolgt in den Berufsordnungen der Zahnärztekammern. So darf eine therapeutische Entscheidung nicht auf Grundlage einer Vergütung oder sonstiger wirtschaftlicher Vergünstigungen für bestimmte Empfehlungen für Heil- und Hilfsmittel erfolgen. Besondere Bedeutung erfährt dieser Bereich in der derzeitigen Diskussion um die Gründung von Genossenschaften mit persönlicher rechtlicher und finanzieller Beteiligung. Hier bedarf es gerade aus der Sicht der Freiberuflichkeit einer besonderen Sensibilität und Bewertung der Aktivitäten im Berufsstand.

Wie eingangs dargestellt, ist die zahnärztliche Tätigkeit zunehmend auch in abhängiger Beschäftigung beziehungsweise unterschiedlichen Kooperationsformen zu beobachten. Die Verantwortung des Zahnarztes, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig bei seinem Patienten tätig zu werden, darf dadurch weder eingeschränkt noch tangiert werden. Insbesondere bei Gesellschaften, die die Ausübung der Zahnheilkunde bezwecken, muss es daher Ziel sein, dass die Gesellschaft von einem Zahnarzt geführt wird, und dass eine ökonomische Gewinnerzielung nicht das freiberufliche Leistungsethos überlagert. Die Kodifizierung dieser Verpflichtung in der Berufsordnung soll ausschließlich ökonomisch ausgerichtete Gesellschaftsformen vermeiden helfen und dadurch einem Vertrauensverlust der Patienten vorbeugen.

Nach dem Zahnheilkundegesetz ist die „Ausübung der Zahnheilkunde die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnis gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten“, wobei „als Krankheit jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen ist“. Diese fachlichen Grundsätze des zahnärztlichen Aufgabengebietes sollten aus Sicht der freiberuflichen Berufsauffassung professionspolitisch fundiert werden. Neue Trends im Wellnessbereich und kosmetische Erwartungen der Patienten führen in Grenzbereiche der Gesetzesinterpretation [14]. Zukünftige Grenzziehungen müssen sowohl richterliche Entscheidungen, fachliche Expertisen als auch berufspolitische Standortbestimmungen berücksichtigen. Eine kosmetische und auf Wellnessbereiche zentrierte zahnärztliche Tätigkeit berührt neben haftungsrechtlichen Aspekten gewerbliche Gesichtspunkte, die den Charakter eines freien Berufs konterkarieren. Sie führt zudem zu einem Werte- und Vertrauensverlust aus Sicht der Patienten.

Fazit

Das vom Bundesverband der Freien Berufe im Frühjahr 2009 verfasste Leitbild der Freien Berufe 2009 bietet eine ausgezeichnete Grundlage, auch innerhalb der Zahnärzteschaft eine Neubewertung ihres Selbstbildes vorzunehmen. Als Grundlage für eine aktive Professionalisierungspolitik bietet das Leitbild zahlreiche Ansätze und bildet die Klammer für die Wahrnehmung und die Darstellung der Bedeutung der Freien Berufe insgesamt. Den Zahnärztekammern kommt bei dieser Gestaltung eine besondere Bedeutung zu. Von ihrer Zielausrichtung wird wesentlich das Bild des freiberuflichen Zahnarztes bestimmt werden. Aufgrund klarer Diversifizierungstendenzen und zunehmender Restriktion im Rahmen der zahnärztlichen Berufsausübung bedarf es auch zukünftig der aktiven Gestaltung des Selbstbildes des Berufsstandes und einer einheitlichen Professionsauffassung. Der einzelne Zahnarzt wird mehr denn je von der aktiven Ausgestaltung dieses Rahmens abhängig sein und hat dabei entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten über seine Selbstverwaltung. Die Identifikation des einzelnen Zahnarztes mit dem Gesamtbild des Berufsstandes ist somit nicht nur ein wichtiger Baustein seines eigenen beruflichen Erfolgs, sondern dient auch der positiven öffentlichen Wahrnehmung des Berufsstandes in unserer Gesellschaft.

Dr. Dietmar OesterreichVizepräsident der BundeszahnärztekammerChausseestraße 1310115 Berlin

• Literatur beim Verfasser

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