Geschlossene Immobilienfonds

Anlage mit Aufmerksamkeitszwang

sg
Seitdem der Gesetzgeber bei den geschlossenen Fonds die Steuervorteile weitgehend gestrichen hat, zählt bei den Anlegern allein die Rendite. Viele Initiatoren locken die Kapitalgeber deshalb mit großen Versprechungen. Für die Kunden aber ist es nach wie vor schwierig, sich ein eigenes Urteil über die Seriosität der häufig intransparenten Angebote zu verschaffen.

Helmut W. Falks psychologische Kenntnisse machten ihn in den Neunzigerjahren zu einem der größten Anbieter von geschlossenen Immobilienfonds. Er packte die Menschen bei einer ihrer stärksten Schwächen, der Gier. Anleger, darunter viele (Zahn-) Ärzte, die ihr Kapital so gewinnbringend wie möglich anlegen wollten, verfielen den attraktiven Versprechungen, die Falk am Ende nicht halten konnte. Probleme mit der Vermietung lösten Ende 2004 die existenzielle Krise aus. Die Ausschüttungen sanken und eine Steuergesetzänderung im gleichen Jahr bereitete zusätzliche Schwierigkeiten. Davon betroffen waren 80 geschlossene Immobilienfonds mit einem Wert von 3,2 Milliarden Euro. Die Gruppe meldete 2005 Insolvenz an. Das Ende vom Lied: Mehr als 2 000 Gerichtsverfahren, die jetzt zu Ende gehen. Betroffen davon sind rund 3 000 Anleger. Auf Verlangen des Insolvenzverwalters Josef Nachmann mussten sie einen Teil der Ausschüttungen wieder zurückzahlen.

Von diesem Schock hat sich so mancher Anleger noch nicht wieder erholt. Denn kaum einem Anteilseigner ist wirklich klar, dass er auf die Ausschüttungen, die geschlossene Fonds leisten, kein verbrieftes Recht hat. Rechtsanwalt Ralph Veil von der Münchner Kanzlei Mattil & Kollegen erklärt: „Ausschüttungen können zurückgefordert werden, denn es sind keine Dividenden. Letztere darf ich behalten.“ Das gilt ebenfalls für die bei den Falk-Fonds geleisteten Zahlungen. In diesem Sinne haben die meisten Oberlandesgerichte auch entschieden. Eine Ausnahme ist das Urteil des Oberlandes- gerichts Karlsruhe. In seinem Urteil weist es darauf hin, dass im Prospekt der (falsche) Eindruck vermittelt wurde, der Anleger dürfe das Geld in jedem Fall behalten. Es kommt zu dem Schluss, dass der Sparer wohl kaum Anteile zeichnen würde, wenn er wüsste, dass er die Ausschüttungen zurückzahlen muss. Darüber soll nun der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden. Ralph Veil sieht schon allein in der Bezeichnung der Zahlungen eine Verwirrung für den Anleger: „Der Begriff Ausschüttung ist immer der gleiche: Dividendenzahlungen und die Ausschüttungen eines offenen Immobilienfonds darf ich behalten. Für geschlossene gilt das aber nicht.“

Produkt nicht verstanden

Vielleicht entscheidet der BGH ja zugunsten der Anleger. Doch Beatrix Boutonnet, Expertin für geschlossene Fonds, sieht die Schuld für finanzielle Katastrophen wie bei den Falk-Fonds und in ähnlichen Fällen neben den Initiatoren auch bei den Vertrieben und Anlegern. Sie wohnte regelmäßig den Prozessen um die Falk-Fonds bei und kam zeitweise aus dem Staunen nicht heraus: „Wenn Anleger befragt wurden, stellte sich häufig heraus, dass sie den Fonds-Prospekt nur bis Seite drei gelesen haben. Sie hatten das Produkt und vor allem die Probleme nicht verstanden. Anstatt den Anwalt oder den Steuerberater zu fragen, verließen sie sich allzu sehr auf den Vermittler. Deren Vorbildung ist aber oft ebenfalls nicht geeignet, so komplexe und komplizierte Produkte zu vertreiben. Eine vernünftige Regulierung, wie derzeit in Arbeit, ist daher dringend notwendig.“

Den glänzenden Prospekt vor Augen und die hohen Renditeerwartungen im Kopf schenken viele Sparer, darunter so mancher Zahnarzt, dem versierten Verkäufer nur allzu gerne Glauben. Sie setzen ihre Unterschrift unter einen Vertrag, mit dem sie große Anteile ihres Vermögens in fremde Hände geben. Ulrich Rieck, Steuerberater bei der Kanzlei VRT Linzbach, Löcherbach und Partner in Bonn, kennt genügend Fälle aus seiner täglichen Praxis: „Bei diesen Summen geht es nicht um 10 000 Euro. Viele Mandanten, darunter auch Ärzte, vertrauen diesen Fonds schnell mal 100 000 Euro und mehr an.“

Britische Fonds

Diesem Geld dürften inzwischen viele Gutgläubige nachtrauern. Denn zum einen hat der Gesetzgeber 2005 beinahe alle Steuervorteile gestrichen und zudem hat die Finanzkrise dafür gesorgt, dass gewerbliche Immobilien im Wert sinken und die ehemals hohen Mieten bei neuen Vertragsabschlüssen kaum mehr zu erreichen sind oder der Mieter sie – wie im Fall Arcandor – nicht mehr zahlen kann. Das bedeutet, dass die Renditen sinken. Schlimmer betroffen sind zum Teil die Anteilseigner britischer Fonds. Denn deren Verträge beinhalten manchmal eine Klausel, die bei deutschen Fonds unüblich ist. Die „Loan-to-Value-Klausel“ tritt in Kraft, wenn der Wert einer Immobilie sinkt und die mit der Kredit gebenden Bank vereinbarte Beleihungsgrenze überschritten wird. Das trifft zurzeit den IVG Euroselect14. Fondsobjekt ist die berühmte Londoner „Gurke“, ein Wolkenkratzer des britischen Stararchitekten Norman Forster. IVG hat den Tower auf der Höhe des Immobilienbooms gekauft, zum 20-Fachen der Nettojahresmiete. Die Fremdkapitalquote darf 67 Prozent nicht übersteigen. Der drastische Preisverfall der Immobilien in der Londoner City sorgt jetzt dafür, dass das Eigenkapital des Fonds aufgestockt werden muss. Deshalb werden die Ausschüttungen in Höhe von 5,5 Prozent für 2009 und 2010 auf einem Treuhandkonto eingefroren. Steigt der Wert des Wolkenkratzers wieder, wird ausgezahlt.

Risiken abschätzen

Risiken wie die oben beschriebenen lauern in jedem Fonds. Nur Anleger, die die möglichen Folgen einschätzen können und ihre eigene finanzielle Situation genau kennen, sollten sich überhaupt auf geschlossene Fonds einlassen. Statt den schönen Worten des Vermittlers Glauben zu schenken, sollten sich Anleger erst einmal darüber klar werden, worauf sie sich bei der Zeichnung der Anteile geschlossener Immobilienfonds einlassen.

Sie beteiligen sich in der Regel als Kommanditist an einer GmbH & Co. KG. Diese Firma möchte eine Immobilie erwerben. Dazu sammelt der Initiator so lange Geld ein, bis er das gewünschte Kapital beisammen hat. Dann wird der Fonds geschlossen. Anleger können sich auf diese Weise an Investitionen beteiligen, die sie allein niemals bewältigen könnten. Die Mindesteinlage beginnt meist bei 10 000 Euro. Mit dem Geld kauft der Fonds eine gewerbliche Immobilie und vermietet sie. Geschlossene Fonds agieren auf dem sogenannten grauen Kapitalmarkt. Das heißt, sie unterliegen nicht der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Hat der Investor seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt, liegt das Geld für einen langen Zeitraum – circa zehn bis 20 Jahre – fest. Während dieser Zeit bekommt er seinen Anteil an den Ausschüttungen, die idealerweise aus Mieteinnahmen, Wertzuwächsen und Verkaufserlösen bestehen. Die zu erwartenden Renditen liegen zwischen sechs und zehn Prozent.

Renditen-Risiko-Beziehung

Dabei gilt wie immer in der Geldanlage: je höher die Renditen desto höher das Risiko. Expertin Beatrix Boutonnet warnt deshalb vor Betrügern: „Die Kunden packt die Gier. Sie wollen möglichst hohe Renditen und gleichzeitig Steuern sparen. Deshalb fallen sie immer wieder auf Betrüger herein, die mit utopischen Angeboten locken.“

Erweist sich das Fondsobjekt als solide finanziert und liegt ein langjähriger Mietvertrag mit einem seriösen Mieter vor, fallen die Renditen zwar nicht so hoch aus, dafür dürften sie aber sicher sein. Vorsicht ist angesagt, wenn auf dem Hochglanzprospekt das Siegel der BaFin allzu auffällig platziert ist. Die Aufsichtsbehörde prüft zwar den Prospekt, aber nur auf die formale Gestaltung. Das Angebot an sich wird nicht geprüft. Insofern hat die Beurteilung kaum Aussagekraft.

Steuerberater Rieck weist noch auf einen weiteren Knackpunkt hin, die Kosten: „Niemand würde Anteile von einem offenen Immobilienfonds kaufen, der mit einem Ausgabeaufschlag von 15 Prozent behaftet ist, bei den geschlossenen Fonds fragt keiner danach.“ Dabei belaufen sich die Anlagesummen schnell mal auf 50 000 oder 100 000 Euro. Viele Investoren über- sehen, dass automatisch 7 500 beziehungsweise 15 000 Euro einfach weg sind für Provisionen. Insgesamt belaufen sich die weichen Kosten, wozu auch Zinsen, Treuhand- und Steuerberatergebühren und vieles andere gehören, auf rund 20 Prozent. Das heißt von 100 Euro wandern nur etwa 80 Euro in die Anlage.

Ausstieg meist verwehrt

Viele Anleger sind sich nicht bewusst, dass sie die Risiken einer unternehmerischen Beteiligung tragen. Das heißt, dass sie mit Verlusten rechnen müssen, wenn zum Beispiel Mieter ausfallen oder die Immobilie an Wert verliert – wie während der vergangenen Krisenmonate häufig geschehen. Auch für die nächsten beiden Jahre rechnen Experten noch mit weiteren Ausfällen. Ein Ausstieg aus der Beteiligung ist nur selten möglich. Zwar gibt es einen sogenannten Zweitmarkt. Doch fällt es besonders in dieser Zeit schwer, einen Abnehmer für seine Anteile zu finden. Boutonnet gibt sich optimistischer: „Handelt es sich um einen sehr guten Fonds, finden sich auch Käufer dafür.“

Eine andere Chance, aus der Beteiligung entlassen zu werden, gibt es nicht. Sparer sollten also vorher abklären, dass sie auf das eingesetzte Kapital lange Jahre verzichten können.

Das zugkräftige Verkaufsargument „Steuerersparnis“ existiert seit 2005 eigentlich nicht mehr. Damals schob der Gesetzgeber der Möglichkeit, bei den Beteiligungen Verluste geltend zu machen, einen Riegel vor. In Deutschland setzen Fondsinitiatoren deshalb vorwiegend auf Renditeaspekte. Allenfalls genehmigt der Fiskus die Verrechnung von Anfangsverlusten mit späteren positiven Erträgen aus demselben Fonds. Verkauft der Fonds ein Objekt nach Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist, bleibt der Veräußerungsgewinn steuerfrei. Mehr Steuerspareffekte bieten Fonds, die im Ausland investieren. Die Besteuerung erfolgt meist in dem Land, in dem die Immobilie sich befindet. Häufig fallen die Abgabenvorschriften dort günstiger aus, so dass die Ausschüttungen weitgehend steuerfrei gutgeschrieben werden.

m.endruweit@netcologne.de

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