Die postoperative Hypersensibilität
In erster Linie sind Zähne mit okklusionstragenden Seitenzahnrestaurationen betroffen, unabhängig davon, ob es sich uma direkte Kompositrestaurationen oder um adhäsiv befestigte zahnfarbene Inlays handelt. Das Auftreten einer postoperativen Hypersensibilität ist deshalb so unangenehm, weil eine Therapie im eigentlichen Sinne nicht möglich ist und die betreffende Restauration entfernt werden muss, falls die Missempfindungen nicht nach einiger Zeit spontan abklingen. Im Mittelpunkt dieses Beitrags sollen daher die Ursachen der postoperativen Hypersensibilität und ihre pathogenetischen Mechanismen sowie – daraus abgeleitet – Möglichkeiten der Vermeidung stehen.
Häufigkeit, Symptomatik, Differenzialdiagnostik
In kontrollierten klinischen Studien lag die Häufigkeit postoperativer Hypersensibilitäten bei Verwendung von Etch-and-Rinse-Bondingsystemen bei 10 bis 15 Prozent [Yaman et al., 2003; Chan et al., 2004]. Über die Häufigkeit ihres Auftretens in niedergelassenen Praxen liegen keine validen Daten vor. Leitsymptom der postoperativen Hypersensibilität ist ein kurzer, stechender Schmerz, der unmittelbar nach der Behandlung beziehungsweise nach dem Abklingen der Lokalanästhesie auftritt, wenn die betreffende Restauration beim Kauen okklusal belastet wird. Gelegentlich tritt die Schmerzreaktion auch bei Entlastung auf. Eine Überempfindlichkeit gegenüber Kältereizen kann hinzukommen. Da sich die Aufbissschmerzen in der Regel unmittelbar nach dem Legen der Restauration beziehungsweise nach Abklingen der Lokalanästhesie bemerkbar machen, kann die Diagnose „postoperative Hypersensibilität“ in den meisten Fällen schon aus der Anamnese eindeutig abgeleitet werden.
Differenzialdiagnostisch muss die postoperative Hypersensibilität von Schmerzen endodontalen Ursprungs abgegrenzt werden, um unnötige Wurzelkanalbehandlungen zu vermeiden. Von Schmerzen bei symptomatischer Pulpitis unterscheidet sich die postoperative Hypersensibilität dadurch, dass der schuldige Zahn von den Patienten genau angegeben werden kann, während er bei einer Pulpitis meist nur schwer eindeutig zu identifizieren ist. Von der Aufbissempfindlichkeit bei akuter apikaler Parodontitis lässt sich die postoperative Hypersensibilität durch die positive Reaktion auf den Kältetest und die meist fehlende Perkussionsempfindlichkeit abgrenzen. Zur Sicherung der Diagnose kann ein Aufbisstest (Holzkeil, linsenförmiger Gummipolierer) hilfreich sein. Postrestaurative Schmerzen können auch dann auftreten, wenn die betreffende Restauration einen perfekten Randschluss aufweist (Abbildung 1). Schmerzen bei Kontakt mit (gegenüber Dentinliquor) hyperosmolaren Lösungen sind ein Indiz dafür, dass die betreffende Restauration einen Randspalt aufweist. Die postrestaurative Überempfindlichkeit hält nicht selten mehrere Monate lang an. Es besteht die Möglichkeit einer spontanen Rückbildung, allerdings in sehr variablen Zeiträumen. Sofern eine spontane Rückbildung nicht erfolgt, hängt die Dauer der postoperativen Hypersensibilität schlussendlich davon ab, wie lange der Patient die Missempfindungen toleriert, bevor der Zahnarzt die schuldige Restauration schließlich entfernt.
Ätiologie und Pathogenese
Verantwortlich für die postoperative Hypersensibilität im Zusammenhang mit adhäsiven Restaurationen sind Spalten zwischen der Restauration und dem Dentin am Kavitätenboden beziehungsweise an den Kavitätenwänden, sei es durch eine mangelhafte Primäradaptation oder durch eine Ablösung des Komposits vom Kavitätenboden als Folge der Polymerisationsschrumpfung (Abbildung 2). Verursacht wird die Spaltbildung durch ein Versagen der Dentinhaftung, speziell bei Verwendung minderwertiger Bondingsysteme, bei fehlerhafter Verarbeitung des Bondingsystems, bei einer Kontamination der Kavität während der Bonding-Applikation und/oder zu hohen Schrumpfungskräften bei der Polymerisation des Komposits. Gelingt es nicht, die durch die Konditionierung (Ätzung) des Dentins eröffneten Dentinkanälchen mit dem Bondingsystem zu versiegeln, kann sich ausströmender Dentinliquor in den Spalträumen zwischen Komposit und Dentin ansammeln, möglicherweise begünstigt durch einen bei der Kompositschrumpfung erzeugten Unterdruck. Wenn die betreffende Restauration okklusal belastet wird, werden die Spalträume unter der Restauration komprimiert und der Dentinliquor von dort in die Tubuli gepresst. Die dadurch ausgelösten raschen intratubulären Flüssigkeitsverschiebungen führen nach der hydrodynamischen Theorie [Brännström und Atström, 1972] zur Reizung von A-δ-Fasern in der Pulpa, deren Ausläufer in der Nähe der Odontoblasten enden, und die dort als Mechanorezeptoren kleinste Veränderungen des lokalen Gewebedrucks registrieren (Abbildung 3). Auch Temperaturwechsel können die beschriebenen schmerzauslösenden Flüssigkeitsverschiebungen verursachen. Die beschriebenen Ursachen liefern auch eine Erklärung für das gelegentlich beobachtete spontane Verschwinden postoperativer Aufbissbeschwerden. So können die intratubulären Flüssigkeitsverschiebungen dadurch allmählich reduziert werden, dass die Dentinkanälchen durch Proteinausfällung und/oder durch Sklerosierung eingeengt werden [Pashley, 1985]. Auch die Bildung von irregulärem Reizdentin kann den Flüssigkeitsverschiebungen entgegenwirken.
Schonende Restaurationstechnik
Zur Vermeidung einer postoperativen Hypersensibilität müssen mehrere Aspekte berücksichtigt werden. Zunächst sollte – unabhängig von der Art der Restauration – die postoperative Pulpitis möglichst gering gehalten werden, da die Reizschwelle der A-δ-Fasern durch den erhöhten Gewebsdruck bei einer Pulpitis herabgesetzt wird [Kim, 1990]. Die Pulpa reagiert auf jede restaurative Maßnahme mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Entzündung. Das Ausmaß dieser postrestaurativen Pulpitis ist abhängig vom Zustand der Pulpa vor der Restauration (Karies, Trauma, undichte Restauration), vom Präparationstrauma und von der Beschaffenheit der Restauration (Randschluss, Eindringen von Bakterien, toxische Materialbestandteile) [Murray et al., 2008].
Maßnahmen zur Pulpitisprophylaxe wirken somit indirekt auch der postoperativen Hypersensibilität entgegen. Hierzu zählen eine Substanz schonende Kavitätenpräparation, eine ausreichende Wasserkühlung der Präparationsinstrumente, die Vermeidung einer Dentinaustrocknung und eine gute Randschlussqualität der Restauration. Selbstlimitierende Methoden der Kariesentfernung, welche selektiv das infizierte Dentin entfernen, nicht infiziertes sklerosiertes Dentin dagegen erhalten, zum Beispiel Enzymlösungen [Ahmed et al., 2008], könnten sich günstig auf die Vermeidung postrestaurativer Schmerzen auswirken. Abbildung 4 gibt einen Überblick über das Zusammenwirken der genannten Faktoren bei der Ätiopathogenese der postoperativen Hypersensibilität.
Risiken der Etch-and-Rinse-Technik
Voraussetzung für die Versiegelung der Dentinwunde ist eine vollständige, lückenlose Filmbildung durch das Adhäsiv, wobei dieses eine dichte, nicht permeable Schicht bilden muss. Somit spielen die Auswahl und die korrekte Verarbeitung des Bondingsystems für die Prävention der postoperativen Hypersensibilität eine wichtige Rolle. Das Risiko einer postoperativen Hypersensibilität wird entscheidend von der Art der Schmierschichtentfernung bestimmt. So ist bekannt, dass die Dentinätzung mit Phosphorsäure bei Anwendung sogenannter Etchand-Rinse-Bondingsysteme zu einer rapiden Erhöhung der Dentinpermeabilität führt [Pashley et al., 1983; Haller et al., 1992] (Abbildungen 5 und 6). Der Ausstrom von Dentinliquor birgt nicht nur das Risiko einer Flüssigkeitsansammlung zwischen Dentin und Komposit, sondern auch das einer unvollständigen Hybridschichtbildung und einer Hemmung der Polymerisation des Adhäsivs. Gleichzeitig begünstigt eine erhöhte Dentinpermeabilität die Diffusion von Bakterientoxinen und von toxischen Materialbestandteilen zur Pulpa. Die Dentinpermeabilität ist Pulpa-nah größer als Pulpa-fern [Garberoglio und Brännström, 1976]. Deshalb empfiehlt es sich bei Verwendung von Etchand-Rinse-Systemen, Pulpa-nahe Kavitätenabschnitte vor dem Kontakt mit Phosphorsäure durch eine Unterfüllung, zum Beispiel aus einem kunststoffmodifizierten Glasionomerzement (zum Beispiel Vivaglass Liner, GC Fuji Lining LC), zu schützen [de Souza Costa et al., 2002].
Eine fehlerhafte Verarbeitung beeinträchtigt die Wirksamkeit von Etch-and-Rinse-Bondingsystemen. Durch zu lange Ätzung des Dentins wird die Demineralisationstiefe des Kollagengeflechts erhöht, in welches die Monomere von Primer und Adhäsiv möglicherweise nicht vollständig infiltrieren [Wang und Spencer, 2004]. Das Dentin sollte daher nicht länger als 10 bis 15 Sekunden mit Phosphorsäure geätzt werden. Zu einer unvollständigen Monomerinfiltration (Abbildung 7) kommt es auch dann, wenn das Dentin nach dem Abspülen des Ätzgels zu stark getrocknet wird [Pashley et al., 1993; Pashley et al., 1994].
Bei Etch-and-Rinse-Systemen wird daher die Moist-bonding-Technik empfohlen, um den Kollaps der Kollagenfasern zu verhindern [Kanca, 1992a]. Bondingsysteme mit Aceton als Lösungsmittel (zum Beispiel Prime&Bond NT) verlieren auf trockenem Dentin [Kanca, 1992b] erheblich an Haftkraft, wodurch das Risiko einer Kompositablösung vom Kavitätenboden und damit einer postoperativen Hypersensibilität stark erhöht wird. Im Falle einer versehentlichen Dentintrocknung wird das sogenannte Rewetting empfohlen [Tay et al., 1997]. Darunter versteht man die Wiederbefeuchtung des Dentins, zum Beispiel mit einem wassergetränkten Microbrush, um die kollabierten Kollagenfasern wieder aufzurichten. Für das Rewetting kann anstelle von Wasser auch ein glutaraldehydhaltiger Desensitizer verwendet werden (zum Beispiel Gluma Desensitizer oder SysTemp Desensitizer) [Ritter et al., 2000]. Die darin enthaltenen Monomere (zum Beispiel HEMA, 2-Hydroxyethylmethacrylat) unterstützen die Wiederaufrichtung des Kollagens. Das Glutaraldehyd bewirkt eine Proteinausfällung und somit eine Einengung des funktionellen Durchmessers der Tubuli [Schüpbach et al., 1997]. Die schmerzauslösenden intratubulären Flüssigkeitsverschiebungen werden dadurch blockiert. Manche Bondingsysteme (zum Beispiel Gluma Comfort Bond + Desensitizer) enthalten Glutaraldehyd, um durch den beschriebenen Mechanismus das Risiko einer postoperativen Hypersensibilität von vornherein zu minimieren.
Erhöhte Vorsicht bei One-bottle-Adhäsiven
Die Praxis zeigt, dass die angestrebte lückenlose Filmbildung mit Mehrschritt-Bondingsystemen, bei denen der hydrophile Primer und das hydrophobe Adhäsiv in getrennten Fläschchen enthalten sind, zuverlässiger gelingt als mit Bondingsystemen, bei denen Primer und Adhäsiv in einem Fläschchen zusammengefasst sind, den sogenannten Primer-Adhäsiven oder Onebottle-Adhäsiven. Bei letzteren bilden die Forderung nach lückenloser Filmbildung einerseits und die nach vollständiger Verdunstung des Lösungsmittels mit Druckluft andererseits einen Widerspruch, der in der praktischen Anwendung häufig nicht zu lösen ist. Bei Verwendung von One-bottle-Adhäsiven ist außerdem zu beachten, dass diese saure Bestandteile enthalten, welche die Polymerisation selbsthärtender Aufbaukomposite entlang der Kontaktfläche inhibieren (Abbildung 8). Dadurch wird die Dentinhaftung chemisch härtender Komposite in Verbindung mit One-bottle-Adhäsiven im Vergleich zu lichthärtenden Kompositen drastisch reduziert [Sanares et al., 2001; Tay et al., 2003; Molle et al., 2007]. Dieses Problem wurde auch bei dualhärtenden Kompositen festgestellt, wenn an tiefen Stellen die für die Photopolymerisation erforderliche Lichtdosis nicht erreicht wird. Leider haben sich die zur Lösung des Problems angebotenen Self-cure- oder Dual-cure-Aktivatoren als wenig wirksam und damit als unbrauchbar erwiesen. Bestehen Zweifel bezüglich der Kompatibilität zwischen einem chemisch beziehungsweise dual härtenden Komposit und einem Adhäsiv, so wird empfohlen, das lichtgehärtete Adhäsiv im Sinne eines Linings mit einer dünnen Schicht Flow-Komposit abzudecken und erst nach dessen Lichthärtung das Aufbaukomposit zu applizieren.
Selbstkonditionierung als Alternative
Berichten zufolge treten postoperative Überempfindlichkeiten bei selbstkonditionierenden Bondingsystemen seltener auf als bei Dentinätzung mit Phosphorsäure [Unemori et al., 2004]. Die weniger aggressive Dentinkonditionierung mit maleinsäurehaltigen Primern beziehungsweise mit sauren Monomeren (Abbildung 9) hält den Ausstrom von Dentinliquor in Grenzen [Haller et al., 1992; Hashimoto et al., 2004]. Dazu trägt auch die Hybridisierung der Smear Plugs bei, so dass insgesamt das Risiko einer unvollständigen Dentinversiegelung bei selbstkonditionierenden Bondingsystemen geringer ist als bei Etch-and-Rinse-Systemen [Chersoni et al., 2004]. Dieser Effekt ist allerdings bei selbstkonditionierenden Zwei-Schritt-Systemen (zum Beispiel Clearfil SE Bond, AdheSe) deutlicher ausgeprägt als bei All-in-one-Adhäsiven. Diese bewirkten keine Herabsetzung, in Einzelfällen sogar eine Erhöhung der Dentinpermeabilität gegenüber der unbehandelten Schmierschicht [Chersoni et al., 2004]. Aufgrund der geringeren Erhöhung der Dentinpermeabilität ist bei selbstkonditionierenden Systemen auch die Monomerdiffusion in die Pulpa in der Regel geringer als bei Etch-and-Rinse-Systemen [Rathke et al., 2007]. Für das bekanntermaßen seltene Auftreten postoperativer Schmerzen bei dem Bondingsystem Syntac spielen gleich mehrere der bisher genannten Faktoren eine Rolle: die Tatsache, dass es sich um ein Mehrschrittsystem handelt, die milde Dentinkonditionierung mit einem maleinsäurehaltigen Primer (bei Verzicht auf die Phosphorsäure-Ätzung des Dentins) und der Gehalt an Glutaraldehyd.
Bedeutung der Restaurationstechnik
Wichtigstes Ziel bei der Vermeidung der postoperativen Hypersensibilität muss es sein, die Ablösung des Komposits vom Kavitätenboden zu verhindern. Manche Autoren vertreten die Auffassung, dass die Restaurationstechnik für die Vermeidung der postoperativen Hypersensibilität wichtiger ist als die Wahl des Bondingsystems [Perdigao et al., 2003]. Von entscheidender Bedeutung ist es, die Schrumpfungsspannungen bei der Polymerisation des Komposits möglichst gering zu halten. Dies gilt umso mehr, als schrumpfungsfreie Komposite bis heute nicht zur Verfügung stehen. Bei der direkten Restaurationstechnik kann zu hohen Schrumpfungsspannungen durch eine dicke Adhäsivschicht („flexible cavity wall“), durch Verwendung eines Flow-Komposits als Kavitätenliner (Abbildung 10), durch Anwendung einer geeigneten Schichttechnik sowie durch eine Kombination dieser Maßnahmen entgegengewirkt werden [Perdigao et al., 1996]. Die Softstart-Polymerisation bewirkt einen verzögerten Anstieg der Schrumpfungsspannungen, was die Wahrscheinlichkeit, dass der Komposit-Dentin-Verbund diesen standhalten kann, erhöht [Nalcaci et al., 2005].
Optimale Dentinhaftung bei indirekter Restauration
Bei der Adhäsivbefestigung zahnfarbener Inlays ist zu bedenken, dass die Lichtintensität beim Durchstrahlen des Inlays stark reduziert wird. Dadurch besteht die Gefahr, dass die an der Unterseite des eingesetzten Werkstücks wirksame Lichtdosis für eine adäquate Polymerisation nicht ausreicht [El-Mowafy et al., 1999]. In eigenen Messungen betrug die Dentinhaftung von Befestigungskompositen bei Durchstrahlung einer zwei Millimeter beziehungsweise vier Millimeter dicken Keramikscheibe nur etwa 40 bis 50 Prozent der Dentinhaftung bei direkter Lichthärtung des Befestigungskomposits. Diese Problematik kommt vor allem bei Inlaypräparationen mit zervikalen Dentinstufen zum Tragen (Abbildung 11). Zur Lösung dieses Problems wurden verschiedene Vorschläge gemacht, unter anderem die Verwendung dualhärtender Bondingsysteme. Deren chemische Härtung verläuft jedoch zu langsam, so dass die Aushärtung des Adhäsivs noch nicht abgeschlossen ist, wenn die Polymerisationsschrumpfung des Befestigungskomposits einsetzt. Die von einigen Autoren vorgeschlagene Vorhärtung des Adhäsivs kurz vor dem Einsetzen des Inlays birgt die Gefahr einer Filmbildung, mit der Folge, dass das Inlay nicht mehr in die Kavität passt. Eine Lösung des Problems bietet die sogenannte Dual-bonding-Technik [Paul und Schärer, 1997]. Dabei wird das Dentin gleich nach der Präparation und vor der Abformung mit einem (selbstkonditionierenden) Bondingsystem versiegelt. Vorteile dieser Technik sind eine frühzeitige Abdichtung der Dentinwunde und eine optimale Aushärtung des Adhäsivs. Letzteres sollte vor der Abformung beim Finieren von den Schmelzrändern entfernt werden. Weiterhin ist für eine Inaktivierung der Adhäsivoberfläche, zum Beispiel mit Spraywasser, zu sorgen, damit sich das Kunststoffprovisorium nicht mit dem Adhäsiv verbindet.
Diese Technik löst jedoch nicht das Problem einer unvollständigen Aushärtung des Adhäsivs bei zahnfarbenen Inlays mit zervikalen Dentinstufen (Abbildung 11), wo das Freifinieren der Ränder vor der Abformung erneut zu einer Dentinfreilegung führen würde. Für Inlays/Onlays mit zervikalen Dentinstufen hat sich eine selektive Variante der Dual-bonding-Technik sowohl im In-vitro-Test [Haller et al. 2003] als auch klinisch bewährt. Nach Entfernung des Provisoriums und vorsichtiger mechanischer Reinigung der Dentinstufe (zum Beispiel mit einem langsam rotierenden, feinkörnig belegten Diamantfinierer) wird die gesamte Kavität konditioniert und mit Primer behandelt. Danach wird das Adhäsiv zunächst nur gezielt, also selektiv, auf die Dentinstufe appliziert (Abbildung 12 a), zu dünner Schicht verblasen und mit Licht ausgehärtet (Abbildung 12 b). Erst danach wird das Adhäsiv auf alle Kavitätenwände appliziert (Abbildung 12 c) und das Inlay mit Befestigungskomposit eingesetzt.
Prävention der Post-OP-Hypersensibilität
Auch nach dem Zementieren von Restaurationen mit säurehaltigen Zementen können Zähne über einen mehr oder weniger langen Zeitraum kälteempfindlich sein. Diesbezüglich vermutete Unterschiede zwischen Zinkphosphatzement und Glasionomerzement konnten in kontrollierten klinischen Studien nicht bestätigt werden [Kern et al., 1996]. Bereits das Abnehmen des Provisoriums und die weiteren Manipulationen (Säubern des präparierten Zahnes, Anprobe des Werkstücks) werden meist als sehr unangenehm empfunden. Die Empfindlichkeit präparierter Zähne und die postoperative Hypersensibilität nach Zementierung können ebenfalls durch den Einsatz der oben erwähnten glutaraldehydhaltigen Desensitizer und die dadurch erzielte intratubuläre Dentinversiegelung herabgesetzt werden [Felton et al., 1991]. Die intratubuläre Art der Dentinversiegelung bietet den Vorteil, dass die auf Friktion beruhende Retention der Restaurationen nicht beeinträchtigt wird [Johnson et al., 1998; Wolfart et al., 2003]. Im Gegensatz dazu kann die Stumpfversiegelung mit Adhäsiven dazu führen, dass die Rauigkeiten auf der Stumpfoberfläche eingeebnet werden und dadurch die Abzugskraft der Kronen verringert wird [Johnson et al., 2004].
Zusammenfassung
Postoperative Hypersensibilitäten nach Anwendung adhäsiver Restaurationstechniken treten bei selbstkonditionierenden Zwei-Schritt-Systemen weniger häufig auf als bei Etch-and-Rinse-Systemen, von denen Zwei-Schritt-Präparate (One-bottle-Adhäsive) tendenziell ein höheres Risiko aufweisen als klassische Dreischritt-Präparate. Vor einer Dentinätzung mit Phosphorsäure sollten pulpa-nahe Areale mit einem (lichthärtenden) Glasionomerzement abgedeckt werden. Glutaraldehydhaltige Primer beziehungsweise Primer-Adhäsive können dank der von ihnen verursachten Proteinausfällung in den Dentintubuli das Risiko einer postoperativen Hypersensibilität mindern. Was die Adhäsivbefestigung zahnfarbener Inlays betrifft, so ist auf eine gründliche Aushärtung des Adhäsivs zu achten. Für eine frühzeitige Dentinversiegelung mit maximaler Aushärtung des Adhäsivs kann die Dual-bonding-Technik empfohlen werden. Der Randschluss an zervikalen Inlayrändern im Dentin lässt sich durch ein selektives Dual bonding an der zervikalen Stufe optimieren. Für Aufbaurestaurationen aus chemisch beziehungsweise dualhärtendem Komposit sollten weder Zwei-Schritt-Etch-and-Rinse-Systeme noch selbstkonditionierende Bondingsysteme verwendet werden. Zur Herabsetzung der Empfindlichkeit präparierter Zähne kann die Behandlung der Kronenstümpfe mit glutaraldehydhaltigen Desensitizern empfohlen werden.
Prof. Dr. Bernd Haller,Department für Zahnheilkunde,Klinik für Zahnerhaltungskundeund Parodontologie,Albert-Einstein-Allee 1189081 Ulmb.haller@uniklinik-ulm.de