Orientierung für Patienten

Marke statt No-Name

Im Gesundheitswesen mangelt es dem Patienten an Transparenz. Da kommt es nicht von ungefähr, dass bei einer Umfrage 86 Prozent der Befragten einen „Ärzte-TÜV“ wünschten (Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2006). Gut drei Viertel möchten Informationen von den Krankenkassen über die Qualität von Ärzten und Krankenhäusern. Diese Zahlen verdeutlichen vor allem eines: den Wunsch nach zuverlässiger Orientierung. Hier setzt die Markenpraxis an und gibt dem Patienten das, was er sucht.

Der Kampf um Aufmerksamkeit, Patienten und Gewinne wird zunehmend anstrengender. Die Menschen sind verunsichert, suchen nach Sinn und Orientierung. Klar, dass die Bedeutung von Marken zunimmt, denn erfolgreiche Marken schaffen Nutzen für alle Beteiligten. Marken machen Sinn, und sie schaffen Sinn. Der emotionale Mehrwert von Marken liefert das Material für Zugehörigkeit und Abgrenzung, Vertrauen und Sicherheit. Und reduziert gleichzeitig auch die Komplexität einer unübersichtlichen Welt. So sind Marken gleichzeitig Identitätsressource und Orientierungshilfe.

Immer wieder werden Marketing-Experten gefragt: Wie wird aus einer Zahnarztpraxis eine Marke? Welche Faktoren bestimmen den Erfolg einer Markenpraxis? Es ist nicht das eingesetzte Geld, das entscheidet. Sondern zuallererst der Wille zur eigenen Marke. Hinzu kommen eine klare, am besten empirisch bestätigte Strategie sowie eine konsequente Ausführung.

Der Erfolg einer Praxis-Marke ist an drei Grundvoraussetzungen geknüpft: ihre Identität, ihre Präsenz und Kontinuität. Eine Marke muss ihrem Wesen treu bleiben, sich aber auch dem Rhythmus des Zeitgeistes anpassen. Deshalb ist die hohe Schule der Markenführung ein Balance-Akt zwischen Bewahren und Verändern.

Was ist eine Praxis-Marke? Marken sind mentale Konstrukte. Sie haben keine Wirklichkeit außerhalb des menschlichen Geistes. Das unterscheidet sie von Produkten. In den menschlichen Geist gelangen sie durch Kommunikation. Deshalb kommt dem Erscheinungsbild, dem Umgang mit dem Patienten und der kontinuierlichen Präsenz in den Medien ein hoher Stellenwert zu. Kommunikation macht eine Zahnarztpraxis zur Marke. Stete Präsenz schafft Bekanntheit und mit der Bekanntheit stellen sich Vertrautheit und Nähe ein.

Markenführung für eine Zahnarztpraxis läuft nach einer klaren Struktur ab. Ausgehend von der Markenstrategie, die im besten Fall empirisch unterlegt ist, erhält diese in einem Markendesign Gestalt. Die Markenkommunikation vermittelt die Botschaft der Praxis auf verschiedenen Ebenen: intern hin zum Team, extern hin zum Patienten. Markenprozesse konzentrieren sich auf die direkte Interaktion zwischen Patient und Praxis.

Die veränderten Rahmenbedingungen durch medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritt, leere Kassen und eine alternde Gesellschaft lassen neben dem problemgeplagten Gesundheitswesen einen chancengetriebenen Gesundheitsmarkt entstehen. In diesem Kontext wird häufig die Frage nach Patient und Praxisklient aufgeworfen. Die Basis ist die asymmetrische Rollenverteilung zwischen Patient und Zahnarzt – der eine hat Angst, der andere Ahnung. Wenn beispielsweise dem Patienten nicht nur vom Lohnstreifen etwas genommen wird, sondern es auch noch an den eigenen Geldbeutel geht, wird ihm sein Beitrag viel bewusster. Wenn Geld direkt über denn Tresen geht, wie etwa bei der Praxisgebühr, wird der Empfang zur Kasse. Eine Aura von Kaufen und Warentausch, die den Kunden im Patienten weckt und somit sein Verlangen nach stärkerem Mitreden, entwickelt sich. Im von Heilmittelgesetz und Berufsordnung erlaubten Rahmen entstehen neue Marketingaufgaben für Zahnärzte.

Der Zahnarzt darf seine Praxis stärker als bisher als lebendiges Soziotop begreifen, in dem die Qualität der Leistung durch viele Faktoren für den Klienten erfahrbar wird. Erfahrbar beispielsweise in der Art der Kommunikation, der Effizienz der Praxisorganisation, der Qualität der Atmosphäre. Wie bei Marken aus anderen Bereichen gilt: Menschen nehmen ganzheitlich wahr. Ihre Einstellungen und Empfehlungsfreudigkeit zu und für einer Praxismarke werden durch bewusste und unbewusste wahrgenommene Signale und Reize geprägt.

Markenführung kann helfen diese Wahrnehmung zu steuern. Die Struktur der Markenführung ist vergleichbar mit einer zahnärztlichen Behandlung, die lange halten soll. Nach einer ausführlichen Anamnese und Diagnose erstellt der Zahnarzt die Behandlungsplanung. Nach der Behandlung werden regelmäßig Kontrolltermine und Prophylaxe notwendig sein, um die Langlebigkeit der Arbeit zu sichern.

Analyse der Basisfakten

So wie der Zahnarzt Anamnese und Diagnose für den richtigen, patientengerechten Behandlungsplan braucht, so braucht die Markenstrategie die Empirie respektive die Meinungsumfrage. Für die Wirklichkeit gibt es keinen Ersatz. Ohne eine fundierte Umfrage basiert die Strategie nur auf einer subjektiven Einschätzung. Für die professionelle Markenführung braucht man empirisches Wissen über Umfeld, Patienten und Praxis-Image.

„Images existieren nicht im luftleeren Raum, sondern nur in Bezug auf bestimmte Zielgruppen. Akute Patienten beispielsweise bewerten bestimmte Leistungen anders, als Vorsorgepatienten und diese anders als Patienten, die Privatleistungen in Anspruch nehmen“, sagt Elena Pérez, Marktforscherin und Geschäftsführerin von Resultate. Die Marken-Analyse, speziell für Zahnarztpraxen entwickelt, setzt sich zusammen aus der Analyse der Fremdwahrnehmung und der Eigenwahrnehmung einer Zahnarztpraxis. Je nachdem, an wem sich die Praxis ausrichtet, werden unterschiedliche Zielgruppen in der Meinungsumfrage berücksichtigt.

Die Richtung kennen

Mit dem herausgedampften empirischen Wissen ist die tatsächliche und relevante Basis für die Markenstrategie geschaffen. Die individuelle DNA-Struktur der Praxismarke wird definiert, ebenso werden andere Merkmale bestimmt mittels fachlichem Leistungsanspruch, Positionierung, Einzigartigkeitsmerkmal, Nutzen für Patienten und Werten, die die Praxis für bestimmte Zielgruppen begehrenswert und interessant machen. Eine Kommunikationsarchitektur wird entwickelt, so dass ein langfristig tragfähiger Markenanspruch mit einer alleinstellenden Position im konkurrierenden Umfeld entsteht.

Klassische Fallen und Fehler in der Markenführung sind die Definition einer Praxis über begriffliche Allgemeinplätze. „Freundlich“, „kompetent“ oder „qualitativ hochwertig“ sind Begriffe, die häufig von Praxen verwendet werden, um sich zu positionieren. Das erschwert die Bildung eines klaren inneren Profils. Allgemeinplätze sind Ausweichplätze, denn es existiert kein handfestes Wissen zur Außenwirkung der Praxis. Stattdessen müssen die jahrelange Erfahrung und Meinungen vom gesamten Team zugrunde gelegt werden.

Patienten sind zwar hervorragende Informanten, wenn es um ihre Emotionen und Wünsche handelt, wie aber erfolgreiche Praxisführung funktioniert, davon verstehen sie eher wenig. Gewonnene Erkenntnisse durch Patientenumfragen zu Freundlichkeit, Service und Öffnungszeiten sind zu oberflächlich, um über Erfolgsursachen konkrete Rückschlüsse zu erlauben. Wer diese Umfrage fehlinterpretiert, läuft Gefahr, Belanglosigkeiten zu kommunizieren oder nur scheinbar entbehrliche Aktivitäten der Praxis aufzugeben, weil deren Beitrag zum Erfolg übersehen wurde.

Oft geschieht dies mit der unbewussten Anpassung an die Wettbewerber. Man hat Angst, allein dazustehen und zieht mit – ob es passt und sinnvoll ist oder nicht. Nach dem Motto: „Wenn es gut ist für die andere Praxis, dann ist es auch gut für meine Praxis“, wird nicht automatisch ein konkreter Beitrag für den Praxiserfolg geleistet.

Design der Markenpraxis

Wie wird eine Praxis sichtbar, erlebbar? Die Identität einer Marke prägt sich durch ihre visuelle Kommunikation, Gestaltungselemente, verwendete Bilder und hervorgerufene Assoziationen. In Form einer Bildersprache schärft sich das Erscheinungsbild (unter Verwendung von Logo, Schrift, Farbe, Formen; Gestaltungsraster), das Praxis-Profil, weiter und macht sie dadurch erst für Patienten erlebbar.

Die kreative Entwicklung des Markendesigns leitet sich aus der Markenstrategie ab. Die definierten Kommunikationsmuster erleichtern die Wiedererkennung, die korrekte Markenzuordnung und die Erinnerung der Praxismaßnahmen.

Bekanntheit mit Effizienz

In der nächsten Stufe, mit der Markenkommunikation, übertragen sich Strategie und Praxis-Design in einen markenprägenden Kommunikationsauftritt. Praxisbroschüre, Geschäftspapiere, Anzeigen, Informationsmaterialien, Pressemappe, Veranstaltungsmittel, Internetauftritt – durchgängig gestaltet und kontinuierlich umgesetzt arbeiten sie am ökonomischsten. Basieren alle internen und externen Maßnahmen auf einem einheitlichen „Kommunikationsmuster“, welches ihnen eine typische Handschrift verleiht, ist die Effizienz der Maßnahmen besonders hoch.

In der Außen-Kommunikation gibt es Erdrutsch-Potenzial. Vor zwei Jahren noch hatten die meisten Ärzte den Mitarbeitern die wichtigste Werbewirkung zugesprochen. Für 60 Prozent der deutschen Ärzte sind mittlerweile Marketingmaßnahmen für ihre Praxis wichtig oder sehr wichtig. Vor einem Jahr betonte knapp die Hälfte der Ärzte die Bedeutung von Praxismarketing (Studie „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit“, Stiftung Gesundheit und der Gesellschaft für Gesundheitsmarktanalyse).

Wichtigstes Marketinginstrument für die Arztpraxis ist die Internetpräsenz. Sie umfasst neben der eigenen Homepage auch Einträge in Onlineverzeichnissen. Über zwei Drittel der Ärzte führten sie bei der Frage nach den wichtigsten Marketingmaßnahmen an.

Ein Implantat schweigt. Eine keramische Füllung schweigt. Was sie zu sagen haben, müssen die Praxismaßnahmen sagen. Die Praxismarke ist nicht die zahnmedizinische Leistung. Die Praxismarke ist eine Kommunikationsleistung. Botschaften und ihre Inhalte müssen den Empfänger, Ex-Patienten, Patienten und potenzielle Patienten erreichen und von ihnen verstanden werden. Doch wo und wie werden Patienten am besten erreicht? Welche Kommunikationsmittel- und Medien sollten für welche Maßnahmen wann eingesetzt werden? Wie ist es zu schaffen, dass Patienten an allen Kontaktpunkten mit der Praxismarke ein einheitliches Markenerlebnis erfahren? Erfolgreiche Markenführung braucht klare und konsistente Kommunikation. So kann sie den Aufbau einer gewinnbringenden Außenwahrnehmung fördern – dem guten Image.

Mitarbeiter als „Marke zum Anfassen“

Wie man Markenstrategien in praktische Handlungen und Umgangston herunterbricht, wird unter dem Begriff „Markenprozesse“ subsummiert. Mitarbeiter sind die Marke zum „Anfassen“. Real, existent und interaktiv.

Die beste Praxismarke, die tollste Positionierung wird kaum zum Erfolg führen, wenn die Praxisorganisation mehr bremst als sie bringt. Wenn die Mitarbeiter im „Workflow“ nur „Work“ haben, und wenig „Flow“. Eine effiziente Praxisorganisation entsteht nicht auf dem Papier. Sie ist ein lebendiger Prozess. Von Zeit zu Zeit braucht er frische Impulse, sonst setzt er Speck an. Hirnspeck. Motivationsspeck. Den „Das-haben-wirschon-immer-so-gemacht-Speck“. Impulse, die dem entgegenwirken, können von den Mitarbeitern kommen. Denn die wissen, wo die Bremsklötze sitzen – menschliche und organisatorische. Meistens wissen sie auch, wie alles wieder in Fahrt kommen kann. Damit eine Praxismarke nicht an Wirkung, Strahlkraft und Glaubwürdigkeit verliert, muss die Kommunikation zum Patienten hin auch auf der persönlichen Ebene funktionieren. Eine Praxis, die sich in der lokalen Zeitung als serviceorientiert darstellt und den Patienten am Empfang nicht einmal mit einem Blick begrüßt, erschwert ihre Wahrnehmung als serviceorientiert. Oder der Zahnarzt, der unnahbar auftritt und andere Menschen sehr distanziert behandelt, darf sich nicht wundern, wenn seine Patienten sich als „Fußvolk“ fühlen. Wenn eine eigene Marken-Kultur den Platz einer allgemeinen Praxis-Kultur einnimmt, werden die Mitarbeiter zu den wichtigsten Botschaftern der Marke. Regelmäßige Teambesprechungen, die mindestens einmal die Woche stattfinden, und eine konstruktive Konfliktkultur sind Maßnahmen, die Mitarbeiter motivieren können. Die Praxismarke soll von denen getragen werden, die sie leben müssen: den Mitarbeitern.

Zeit für bildhafte Zeichen

Arbeit macht Arbeit. Gute Arbeit macht mehr Arbeit. Markenarbeit macht Mehrwert. Eine Gewinn bringende Praxismarke aufzubauen, ist eine Kunst, die von Wollen und Können kommt. Das ist zu schaffen. Nicht von heute auf morgen. Marken entstehen über Jahre, in denen man beständig an ihrem Image arbeitet – mit Kontinuität eine emotionale Bindung zum Patienten aufbaut und sie tief in seinem Kopf und Herzen verankert. Neuropsychologisch ausgedrückt: Eine Praxismarke ist dann eine starke Marke, wenn sie sich als bildhaftes Zeichen im limbischen System möglichst vieler Menschen eingenistet hat.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Sabine NemecOberdorfstr. 4763505 Langenselboldwww.snhc.de

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