Geplatzter Stapellauf
Eigentlich wollten die drei Krankenkassen die Stimmabgabe via Internet bei der nächsten Sozialwahl im Jahr 2011 ausprobieren, zunächst nur in Hamburg. Der virtuelle Urnengang sollte aber auch ein Testlauf für Parlamentswahlen sein. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2009 ließ den Testballon platzen. Die Karlsruher Richter erklärten den Einsatz von Wahlcomputern für verfassungswidrig. Begründung: Die Transparenz bei der elektronischen Wahl sei nicht konstant gewährleistet, die Stimmenauszählung für die Bürger nicht überprüfbar. „Beim Einsatz von elektronischen Wahlgeräten müssen die wesentlichen Schritte von Wahlhandlung und Ergebnisermittlung zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können. Die Notwendigkeit einer solchen Kontrolle ergibt sich nicht zuletzt im Hinblick auf die Manipulierbarkeit und Fehleranfälligkeit elektronischer Wahlgeräte“, heißt es im Urteil. Und weiter: „Während bei der herkömmlichen Wahl mit Stimmzetteln Manipulationen oder Wahlfälschungen unter den Rahmenbedingungen der geltenden Vorschriften, ..., kaum – oder jedenfalls nur mit erheblichem Einsatz und einem präventiv wirkenden sehr hohen Entdeckungsrisiko – möglich sind, kann durch Eingriffe an elektronisch gesteuerten Wahlgeräten im Prinzip mit relativ geringem Aufwand eine große Wirkung erzielt werden.“
Riskantes Experiment
Enttäuschung bei Barmer, TK und DAK. Sie hatten sich von der Möglichkeit, dass Bürger ihre Stimme per Computer bequem von zuhause abgeben können, eine höhere Beteiligung an der Wahl versprochen – 2005 hatte sie bei lediglich 30 Prozent gelegen. Aufgrund der rechtlichen Lage ist ihnen die Premiere allerdings zu heikel geworden. Das Risiko, die Sozialwahl im Falle einer Anfechtung wiederholen zu müssen, ist den Kassen zu groß. Schon vor vier Jahren waren sie beim Bundesrechnungshof in die Kritik geraten, weil der Urnengang 50 Millionen Euro gekostet hatte.
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte W.I.E.N. von 2002 bis 2006 mit 5,2 Millionen Euro gefördert und ab 2003 Geld in die Entwicklung von voteremote bei T-Systems gesteckt. Da mittelfristig eine Verwertungsperspektive fehlt, will die Telekom-Tochter die Arbeit an dem Projekt nun einstellen.
Im Wirtschaftsministerium bedauert man die juristische Entwicklung. Der Vorsitzende der „Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung“ (provet), Alexander Roßnagel, hatte für voteremote eine TÜV-Zertifizierung angestrebt. Der Computerzeitschrift „c’t“ sagte er, dass IT-Experten stellvertretend für die Bürger die Kontrolle des Wahlvorgangs übernehmen sollten, da die Überprüfung der Onlinewahlen besondere Fachkompetenzen erfordere. Voraussetzung sei allerdings, dass die externen Dienstleister sich im Vorfeld bei einer staatlichen Behörde akkreditieren und ihre Technik nach den gängigen ISO-Sicherheitsstandards prüfen lassen.
Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net