Epidermolysis bullosa
Die EB tritt in allen Rassen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:50 000 – 1:500 000 auf. Weltweit zählt man rund 350 000 Erkrankte. In der europäischen Bevölkerung beträgt die Prävalenz aller EB Formen etwa 25 / 1 Million. In Deutschland gibt es zwischen 2 000 bis 4 700 Erkrankte; zirka 1 000 sind schwer betroffen [Volz et al., 2007]. Die Symptome der EB sind vielfältig und reichen von milder Blasenbildung bis hin zu schweren tödlichen Formen. Bei schweren Formen erreichen die Patienten meist nur das dritte Lebensjahrzehnt. Größe und Gewicht jugendlicher Patienten liegen signifikant unter dem gleichaltriger [Bork et al., 2008]. Ihre Prognose ist wesentlich abhängig von einer adäquaten Ernährung und damit vom Zustand des Gebisses.
Klassifikation der EB und Pathogenese
Die EB wird nach klinischen, genetischen und vor allem ultrastrukturellen Kriterien klassifiziert. Das erste Klassifikationsschema stammt aus dem Jahr 1962 [Pearson, 1962]. Die aktuelle Klassifikation wurde 2007 auf dem „Third International Consensus Meeting on Diagnosis and Classification of EB“ erarbeitet [Fine et al., 2008]. Sie berücksichtigt die morphologisch lokalisierbaren Spaltungsebenen in der Haut (Elektronenmikroskopie / Immunfluoreszenz), den molekulargenetischen und den klinischen Befund (Tabelle 1, Abbildung 1).
Vier Hauptgruppen sind abgrenzbar:
• Epidermolysis bullosa simplex: intraepidermale (epidermolytische) Blasenbildung,
• Epidermolysis bullosa junctionalis: epidermal-dermale, junktionale oder intra lamina lucida (junktiolytische oder lamina lucidolytische) Blasenbildung,
• Epidermolysis bullosa dystrophica: subepidermale oder sub-lamina densa (dermolytische) Blasenbildung.
• Gemischte Gruppe (Kindler-Syndrom)
Morphologie und Molekularbiologie
Epidermolysis bullosa simplex (EBS)
EBS ist die häufigste, mildeste, nicht vernarbende Form mit überwiegend autosomal dominantem Erbgang. Die klinisch verschiedenen EBS-Typen (Köbner, Weber-Cockayne, Dowling-Meara, EBS mit fleckiger Pigmentierung) zeigen Mutationen der Keratingene K5 oder K 14, die die Basalzellkeratine 5 und 14 kodieren. Es kommt zur Blasenbildung durch Zerreißung der Basalzellen. Bei den sehr seltenen suprabasalen EBS-Typen kommt es zur Zerreißung im Stratum granulosum beziehungsweise zur Akantholyse (Tabelle1). Beim rezessiv vererbten EBS mit Muskeldystrophie besteht eine Störung des Hemidesmosomenproteins Plectin, beim EBS-Typ ohne Muskeldystrophie eine K14-Mutation [Mitsuhashi und Hashimoto, 2003; Fine et al., 2008].
Epidermolysis bullosa junctionalis (EBJ)
Alle EBJ werden autosomal-rezessiv vererbt. Elektronenmikroskopisch entwickelt sich die Zerreißung zwischen den Basalzellen und der Basalmembran in der Lamina lucida.
Die EBJ werden in zwei große Subtypen unterteilt:
• Epidermolysis bullosa junctionalis gravis (letalis), Typ Herlitz
Die EBJ-letalis-Typ Herzlitz geht mit frühzeitigem Tod einher und beruht auf Mutationen des Laminin-5-Genes (Laminin 332 – neue Nomenklatur).
• Epidermolysis bullosa junctionalis, Typen Non-Herlitz und andere Formen
Unter den EBJ-Typen Non Herlitz und anderen Formen werden benigne EB mit guter Prognose zusammengefasst, die sich im klinischen Verlauf unterscheiden. Mutationen bestehen beim Laminin-5- und Typ-XVII-Kollagen-Gen und bei der EBJ mit Pylorus-Atresie beim α6ß4-Integrin-Gen [Mitsuhashi und Hashimoto, 2003; Fine et al., 2008].
Epidermolysis bullosa dystrophica (EBD)
Die Gruppe der EBD wird in autosomal dominante Formen (Cockayne-Touraine-Typ, Pasini-Typ) und autosomal rezessive Formen mit generalisierten mutilierenden Läsionen (Hallopeau-Siemens-Typ) oder in Typen mit lokalisierten Veränderungen unterteilt. Ultrastrukturell sind die Verankerungsfibrillen (anchoring fibrils) mit Typ-VII-Kollagen als Hauptprotein verändert beziehungsweise fehlen durch COL7A1-Genmutationen [Mitsuhashi und Hashimoto, 2003; Fine et al., 2008].
Morphologische und molekulare Diagnostik
Die frühe klinische Unterscheidung der EB-Typen ist schwierig, da Babys mit Blasen übersät geboren werden und sich die typischen Sekundärmerkmale und Symptome erst ausbilden. Bei ungestörter Wundheilung ist zur Diagnosefindung eine Hautbiopsie selbst bei Neugeborenen möglich. An Kryoschnitten werden mittels Immunfluoreszenzmikroskopie (Antigen-Mapping) die Blasenbildungsebene und das betroffene Protein beziehungsweise die Verteilung spezifischer Markerproteine bestimmt. Daraus kann der EB-Subtyp erschlossen werden, wie das Fehlen von Laminin 5 bei EBJ Herlitz oder von Kollagen VII bei EBD Hallopeau-Siemens. Die Elektronenmikroskopie zeigt auffällige Ultrastrukturen, wie veränderte Keratinfilamente, Hemidesmosomen und Verankerungsfibrillen. Die molekulargenetische Mutationsanalyse ergibt die exakte Diagnose und erlaubt die genaue Typisierung schon im Neugeborenenalter beziehungsweise auch schon im Rahmen der pränatalen Diagnostik. Zur Bestimmung des Erbganges ist die Familienanamnese wichtig, insbesondere auch die Frage nach Minimalbefall (Zahn-, Nagelanomalien ohne Blasen) bei Familienmitgliedern [Schumann et al., 2001; Mitsuhashi und Hashimoto, 2003; Fine et al., 2008].
Klinische Verlaufsformen
Epidermolysis bullosa simplex
EBS manifestiert sich bei Geburt oder in der frühen Kindheit. Prädilektionsstellen sind Handinnenflächen und Fußsohlen. Warme Umgebungstemperaturen fördern die Blasenbildung (summer blistering). Weitere Symptome fehlen. Mundschleimhautveränderungen können vereinzelt in Subtypen auftreten. Die Zahnentwicklung ist normal. Lediglich im Subtyp mit fleckiger Pigmentierung können Erosionen der Mundschleimhaut, Hypo- und Anodontie auftreten [Bork et al., 2008; Fine et al., 2008; Voigtländer V, 1998].
Epidermolysis bullosa junctionalis gravis (letalis) – Typ Herlitz
Mit Geburt tritt eine massive Blasenbildung an Haut und Schleimhäuten auf, gefolgt von großflächigen, schlecht heilenden Erosionen und Bildung von Granulationsgewebe an Fingerspitzen, Gesäß und perioral. Nageldystrophien und Zahnschmelzdefekte sind weitere Kennzeichnen. Durch Flüssigkeits- und Proteinverlust sowie systemische Infektionen überleben diese Kinder nur selten die ersten Lebensjahre. [Bork et al., 2008; Fine et al., 2008; Voigtländer V, 1998].
Epidermolysis bullosa junctionalis - Typen Non-Herlitz und andere Formen
Diese Gruppen der EBJ umfassen Formen, die trotz Blasen bereits ab Geburt und variabler teils ausgeprägter Symptomatik, nicht letal verlaufen. Die generalisierten Non-Herlitz-Formen zeigen oft Schleimhaut und gastrointestinale Beteiligung, eine leichte Hautatrophie, Nageldystrophien, Zahnschmelzdefekte und Alopezie. Die genannten Symptome können auch bei den lokalisierten Formen auftreten; typisch ist dort aber der späte Beginn. Die EBJ mit Pylorusatresie zeigt Blasenbildung an Schleimhaut und Haut. Die Atresie kann chirurgisch behoben werden. [Bork et al., 2008; Fine et al., 2008; Voigtländer V, 1998].
Epidermolysis bullosa dystrophica generalisata hereditaria Typ Hallopeau-Siemens
Als schwerste Form gehört die EBD-Typ Hallopeau-Siemens mit einer geschätzten Inzidenz von 1:200 000 zu den häufigen Epidermolysen, insbesondere in Regionen mit hoher Konsanguinität. Kennzeichnend sind frühe Blasenschübe, ausgedehnte Erosionen und Ulzera. Diese heilen unter flächenhafter Narbenbildung mit Hautatrophien und Milien ab (Abbildung 2). Finger und Zehen wachsen zusammen (Synechien) und erstarren in Beugekontrakturen (Abbildung 3). Immer finden sich Nageldystrophien beziehungsweise frühzeitiger Nagelverlust (Abbildung 4). Die Schleimhäute, insbesondere die Mundschleimhaut, sind regelmäßig betroffen. Gefürchtet sind narbige Stenosen (Kehlkopf, Ösophagus). Die Symptomatik beginnt unmittelbar nach der Geburt bei Einsetzen der mechanischen Belastung der Mundschleimhaut durch das Saugen. In der Folge kommt es zu Vernarbungen der Wangenschleimhaut (abgeflachtes Vestibulum), der Lippen (periorale Strikturen mit eingeschränkter Mundöffnung) und der Zunge mit Ankyloglossie und atrophischer Zungenschleimhaut (Abbildung 5) (Schildkrötenzunge). Die Dentition ist verzögert beziehungsweise Zähne bleiben retiniert. Die Zähne sind dysplastisch mit massiven Schmelzdefekten und stark kariesanfällig. Fehlernährung (Kohlenhydratund säurereiche Kost) begünstigt die Entwicklung kariöser Läsionen bei erschwerter Nahrungsaufnahme. Als Folge der Fehlernährung zeigen die Kinder einen Wachstums- und Entwicklungsrückstand. Die intellektuelle Entwicklung ist gut. Aufgrund der Beugekontrakturen der Finger, Syndaktylien und Adduktionskontrakturen des Daumens sind Mundhygienemaßnahmen durch die Patienten selbst nur schwer möglich (Abbildung 3). Normales Zähne bürsten kann Blasenbildung auslösen. Parodontitis und nachfolgender Zahnverlust können zur Kieferatrophie führen.
Die Narbenfelder sind als Präkanzerosen zu werten, auf deren Boden sich Plattenepithelkarzinome entwickeln können. Die Lebenserwartung ist wegen zahlreicher Komplikationen (Sekundärinfektionen, Amyloidose, Sepsis, Blutungen aus Erosionen) herabgesetzt [Bork et al., 2008; Fine et al., 2008; Voigtländer V, 1998].
Epidermolysis bullosa dystrophica Typ Non-Hallopeau-Siemens
Varianten des Non-Hallopeau-Siemens-Typs kommen als generalisierte, lokalisierte und inverse Form vor. Bei der generalisierten Form bestehen Blasen ab Geburt und heilen narbig ab. Milien sind sichtbar. Die klinische Ausprägung variiert, ist aber milder als beim Hallopeau-Siemens-Typ, da Syndaktilien und Mutilationen fehlen. Die Mundschleimhaut ist mit Blasen und Erosionen beteiligt, woraus narbige Stenosierung resultiert. Weitere Symptome sind Nageldystrophien und Zahnschmelzhypoplasien. Atrophien und Narben können auch erst im fortgeschrittenen Alter erscheinen. Bei der inversen Form treten schlecht heilende großflächige Blasen und Erosionen an Stamm, Axillen, Leisten und Genitoanalregion auf. Die Akren sind fast nie beteiligt [Bork et al., 2008; Fine et al., 2008; Voigtländer, 1998].
Dominante Epidermolysis
bullosa dystrophica
Autosomal-dominant vererbte EBD sind unter anderem die schwer verlaufende, generalisierte Form Typ Cockayne-Touraine mit hypertrophen Läsionen und die lokalisierte Form mit fast ausschließlichem Befall der Akren (Typ Pasini). Hier bilden sich permanente, elfenbeinfarbige, bis 15 mm große Papeln auch in der Mundhöhle am Gaumen [Bork et al., 2008; Fine et al., 2008; Voigtländer, 1998].
Interdisziplinäres Management und Therapie
Therapieziel der EB-Behandlung ist eine möglichst normale Lebensqualität der Patienten, denn eine kausale Therapie der EB – einschließlich der Gentherapie – ist derzeit noch nicht bekannt [Ferrari et al., 2006]. Zahlreiche Maßnahmen sind therapeutisch und prophylaktisch wirksam. Neben der heimatnahen interdisziplinären Betreuung durch Hautarzt, Hausarzt, Kinderarzt ist eine Anbindung an ein spezialisiertes Zentrum sinnvoll. Dort erfolgt im erweiterten interdisziplinären Team – Hautarzt, Kinderarzt, Intensivmediziner, Chirurg, Zahnarzt, Wundpflegeteams, Physio-, Ergotherapie, Ernährungsberatung – die koordinierte längerfristige Behandlungsplanung.
Die Lokaltherapie von Haut (und Schleimhaut) ist Teil der täglichen Behandlung. Besonders wichtig sind die Vermeidung von Trauma und Hitze, regelmäßige Hautpflege (häufiges Einfetten), frühzeitige Eröffnung der Blasen und desinfizierende Lokalbehandlung. Topische Antibiotika sollten bei Sekundärinfektion und externe Steroide bei Ekzematisierung nur kurzfristig eingesetzt werden. Beim Verbinden der Hautdefekte haben sich zum Beispiel Fettgazen oder silikonbeschichtete Gitterverbände sowie selbsthaftende Binden und Schlauchverbände bewährt. Eine chirurgische Behandlung kann bei den stenosierenden und mutilierenden EB (Hallopeau-Siemens-Typ) notwendig werden, insbesondere zur Lösung der Synechien (Cave! Keine Intubationsnarkose!). Die vorsichtige Bougierung von Ösophagusstenosen ist möglich. In schweren Fällen muss eine perkutane endoskopische Gastrostomie erfolgen, um langfristig die Ernährung der betroffenen Patienten zu sichern. Die Identifizierung der ursächlichen Mutationen, das umfangreiche Wissen der EB-Pathomechanismen und die schnelle Entwicklung der molekularen Technologien werden in Zukunft neue kausale Therapieansätze ermöglichen, zum Beispiel in Form der Übertragung ex vivo genetisch reparierter Keratinozytentransplantate [Ferrari et al., 2006].
Zur Optimierung der Versorgung dieser Patienten wurden Netzwerkstrukturen aufgebaut, dadurch ist ein besserer Austausch von Behandlungszentren untereinander, aber auch zum Patienten möglich. Es besteht auch ein enger Kontakt zu Selbsthilfegruppen (IEB-DEBRA-Germany) [Bruckner-Tuderman et al., 2007].
Zahnärztlich-chirurgische Behandlungsaspekte
Da bei vielen Formen der EB Mundschleimhaut und Zähne mitbeteiligt sind (Tabelle 1), stellt die zahnmedizinische Betreuung einen essenziellen Bestandteil der Gesamtbehandlung dar, wobei die Behandlung schwerer Erkrankungsformen spezialisierten Zentren vorbehalten bleibt [Finke et al., 1996]. Hauptaufgabe des Zahnarztes ist die Reduktion von Karies und Gingivitis, um Schmerzfreiheit zu erzielen und damit Voraussetzungen für eine optimale Nahrungsaufnahme zu schaffen. An erster Stelle steht die Verhinderung traumatischer Läsionen der Mundschleimhaut (Tabelle 2) durch abgebrochene, kariös zerstörte, scharfkantig gewordene Zähne oder defekten Zahnersatz, bei der Behandlung selbst oder bei der Aufnahme grober Nahrung. Neu aufgetretene Blasen und Erosionen verstärken die Vernarbung der Mundschleimhaut.
Zur Zahnpflege sollten nur weiche Zahnbürsten verwendet werden und die Gingiva dabei nur so wenig wie möglich traumatisiert werden. Mundspülungen mit lauwarmem Wasser nach jeder Mahlzeit helfen, Nahrungsmittelreste zeitnah zu entfernen und Karies vorzubeugen. Sie beschleunigen auch die Abheilung von Erosionen.
Zur Prophylaxe und Behandlung von kariösen Defekten ist ein regelmäßiges, enges und sehr sorgfältiges Recall nötig. Narbige Strikturen der Mundschleimhaut, Synechien der Finger und Beugekontrakturen bei Patienten mit schweren EB-Formen (Hallopeau-Siemens, Herlitz) schränken die eigene Mundhygienefähigkeit sehr stark ein. Plaque sollte deshalb professionell entfernt und eine ausreichende Fluoridierung bis in das Erwachsenenalter hinein durchgeführt werden.
Die zahnärztliche Behandlung, insbesondere zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen, und die Anfertigung von Zahnersatz müssen vor allem bei den schweren Verlaufsformen sorgfältig geplant werden. Bei der EBD gravis (Hallopeau-Siemens) sind für den Zahnarzt neben der Verletzlichkeit der oralen Schleimhaut eine Mikrostomie (Abbildung 5) sowie eine verringerte Vestibulumtiefe von Bedeutung. Diese Symptome erfordern im Einzelfall eine sehr individuelle Abwandlung der üblichen Vorgehensweise bei der zahnärztlichen Behandlung (Tabelle 3). Die Wange sollte nur mit dem Finger abgehalten und die Mundwinkel mit Vaseline geschützt werden. Meist ist die Verwendung von Kinderinstrumenten und kleinen, in der HNO-Heilkunde üblichen, Spiegeln erforderlich. Abformungen können mit laborgefertigten individuellen Löffeln oder mit weichen konfektionierten Löffeln vorgenommen werden. Watterollen sollten längs halbiert und vor Entfernung unbedingt vollständig mit Wasser durchfeuchtet werden.
Bei der Infiltrationsanästhesie muss die Nadel tief eingestochen werden, um eine Trennung der Hautschichten zu verhindern und damit das Risiko der Blasenbildung zu vermindern. Es sollte bevorzugt ein kleines Depot des Anästhetikums gesetzt und gegebenenfalls später nachinjiziert werden. Es empfiehlt sich, Behandlungstermine so zu legen, dass in der Zwischenzeit Läsionen an Mundwinkeln und Mundschleimhaut heilen können. Zur Unterstützung der Wundheilung und Vermeidung von Infektionen der traumatisierten Areale ist die Anwendung von Chlorhexidin sinnvoll.
Bei der Zahnextraktion ist ebenfalls möglichst atraumatisch vorzugehen. Dazu sollte viel Zeit eingeplant werden und äußerst vorsichtig vorgegangen werden, da jede stärkere Berührung der Lippen und Mundschleimhaut Blasen hervorruft. Generell ist bei diesen Patienten aber die Wundheilung nicht gestört. Auch hier hat sich die Applikation von reichlich Vaseline oder Bepanthen ®-Creme auf die Lippen bewährt. Eine Lokalanästhesie in den Mundwinkel bei geringer Mundöffnung vermeidet die äußerst schmerzhafte Berührung bei Extraktion in hinteren Kieferabschnitten. Bei stark eingeschränkter Mundöffnung ist die Leitungsanästhesie im Unterkiefer von extraoral oder mit der intraoralen Technik nach La Guardia möglich. Die Zahnentfernung erfolgt mit kleinsten Instrumenten – Hebel, Desmotom, Wurzelheber – und kleinen Kinderzangen. Häufig kann nur mit dem Hebel gearbeitet werden, da Zangen meist gar nicht in die Mundhöhle passen. Bei der Extraktion mehrerer Zähne in Reihe ist es sinnvoll, von vorn nach hinten zu extrahieren, um Platz und Sicht zu schaffen. Empfehlenswert ist die Behandlung unter Sedierung mit Midazolam, so kann sich der Patient nicht an den Eingriff erinnern. Dies erfordert allerdings eine postoperative Überwachung des Patienten. Aus eigener Erfahrung in der Betreuung von EB-Patienten haben wir bisher die Behandlung in Lokalanästhesie und Sedierung mit Midazolam der Sanierung in Vollnarkose vorgezogen, im Gegensatz zum radikal chirurgischen Vorgehen in Vollnarkose [Stavropoulos und Abramowicz, 2008; Becker et al., 2004]. Damit entfällt das Risiko der Traumatisierung der Trachealschleimhaut mit den entsprechenden schwerwiegenden Folgen.
Zusammenfassung
Epidermolysis bullosa (EB) umfasst eine Gruppe von erblichen Erkrankungen mit durch Trauma ausgelöster Blasenbildung. Ursache sind durch Genmutation bedingte Veränderungen von Strukturproteinen von Epidermis und Basalmembran-Zone der Haut. EB werden nach immunpathologischen, ultramorphologischen, molekulargenetischen und klinischen Befunden unterteilt. Neben Haut und Schleimhaut können sie mit Zahndysplasie, Muskeldystrophie, Syndaktylie, Oesophagusstenosen oder Pylorusatresie assoziiert sein. Das klinische Bild reicht von früh letalen Formen mit ausgeprägtem Befall bis zu milden lokalisierten Formen oder zu oft verkannten Minimalläsionen ohne Blasenbildung. Die Minimalformen können in verschiedenen ärztlichen Fachbereichen primär zu erkennen sein. Die Diagnostik dieser seltenen Erkrankung ist heute bereits sehr früh präzise möglich. Eine kausale Therapie ist derzeit trotz gentherapeutischer Ansätze noch nicht bekannt. Die symptomatische Behandlung und ein optimal abgestimmtes interdisziplinäres Management sind daher wichtig. Der Schleimhautbefall bei schweren Formen, wie Epidermolysis bullosa dystrophica, führt bei fast allen dieser Patienten zu Einschränkungen in der Zahnpflege und bei der Nahrungsaufnahme mit folgender massiver Gebisszerstörung. Im Rahmen der interdisziplinären medizinischen Betreuung spielt daher die zahnmedizinische Sanierung eine sehr große Rolle.
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Günter LauerDr. med. Annett MüllerKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieUniversitätsklinikum Carl Gustav Carus DresdenTechnische Universität DresdenFetscher Str. 7401307 Dresdenguenter.lauer@uniklinikum-dresden.deannett.mueller@uniklinikum-dresden.de
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Typische Veränderungen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich
Mikrostomie mit deutlicher Behinderung der Mundöffnung
Vernarbtes Vestibulum
Vernarbte Wangenschleimhaut
Vernarbte, unförmige, schwer bewegliche Zunge („Schildkrötenzunge“)
Verkürztes Zungenbändchen
Erosionen an Gingiva, Wangenschleimhaut, Gaumen, Pharynx
Gingivitis
Mineralisationsstörungen
Karies
Sprechstörungen
Stark eingeschränkte Mundhygiene
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Praktische Tipps bei der Behandlung von EB-Patienten
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Oberstes Ziel: Traumatisierung des Weichgewebes möglichst gering halten
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– Wange mit Finger abhalten
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– Mundwinkel mit Vaseline oder Bepanthen schützen
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– Infiltrationsanästhesie in Mundwinkel
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– Watterollen längs halbieren und unbedingt vor dem Entfernen vollständig mit Wasser durchtränken
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– Kleine Instrumente:
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• Hebel; Desmotom; kleinste Kinderzangen; Kinderturbine; kleine Spiegel, z. B. HNO-Kehlkopfspiegel.
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– Infiltrationsanästhesie:
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• Nadel tief einstechen, um Trennung der Schleimhautschichten bzw. Risikoder Blasenbildung zu minimieren; zunächst kleines Depot setzen, dann nachspritzen.
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– Abformung:
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• Laborgefertigte, individuelle Löffel oder weiche, konfektionierte Fluoridie-rungsschiene benutzen
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