Parlamentarischer Abend für Menschen mit Behinderungen

Gemeinsamer Einsatz für einen guten Weg

Schon die Initiative sprach für sich: Die CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Rolf Koschorrek und Dr. Hans Georg Faust hatten mit Unterstützung der Bundeszahnärztekammer zu einem Abend über das Thema „Mundgesundheit von Menschen mit Behinderungen“ in die Parlamentarische Gesellschaft in Berlin geladen. Zwei Fachvorträge motivierten zu intensiver Diskussion. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Politiker, Krankenkassen, Ärzte und Zahnärzte waren sich einig, Hindernisse und Erschwernisse in der Behandlung dieser Patienten gemeinsam forciert anzugehen.

BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich war über die große Resonanz und die bereitwilligen Absichtserklärungen auf dem Parlamentarischen Abend erfreut: „Das zeugt von einem wachsenden Problembewusstsein für diese versorgungspolitische Herausforderung.“ Jetzt seien konkrete Handlungsansätze für die besonderen Behandlungsbedarfe in diesem Bereich notwendig. Eine Forderung, die nach den in die Thematik einstimmenden Vorträgen von Oesterreich und der stellvertretenden Vorsitzenden der AG-Behindertenbehandlung im Berufsverband deutscher Oralchirurgen Dr. Imke Kaschke auch die teilnehmenden Vertreter aus Politik, Ärzte- und Zahnärzteverbänden und Krankenkassen teilten. „Hier haben wir einen Stein ins Rollen gebracht“, ist der BZÄK-Vizepräsident überzeugt.

Kein Randgruppenproblem

Eingeladen hatten fachkundige Politiker: die CDU-MdB’s Zahnarzt Dr. Rolf Koschorrek und der Facharzt für Anästhesie Dr. Hans Georg Faust – er ist gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag – waren ohnehin für das wichtige präventive und berufsethische Handlungsfeld sensibilisiert. Immerhin geht es hier keineswegs um eine Randgruppenproblematik: Laut statistischem Bundesamt gibt es in Deutschland etwa 6,6 Millionen amtlich anerkannte Schwerbehinderte. Vor allem bei verminderten motorischen, aber auch geistigen Fähigkeiten ist das eine relevante Hochrisikogruppe, die besondere Behandlungsausrichtungen nötig macht. Imke Kaschke, die seit Jahren auch im Management von Healthy Athletes der Special Olympics Deutschland agiert, weiß, dass durch umfassende Präventionsprogramme in Behinderteneinrichtungen ein signifikanter Kariesrückgang und ein Anstieg primär gesunder Gebisse möglich ist.

Wie das beispielhaft funktionieren kann, präsentierte Kaschke am Beispiel des Arbeitskreises zahnärztliche Behindertenbehandlung der Zahnärztekammer Berlin: Das Engagement der Zahnärzte reicht hier von gruppenprophylaktischen Maßnahmen auch jenseits des 18. Lebensjahres über Fortbildungsmaßnahmen für die Betreuer in Wohnheimen bis zu praktischen Anleitungen der Bewohner selbst. Das bis zum Jahr 2009 durch den Berliner Senat finanzierte Modellprojekt weist deutlich positive Ergebnisse aus. Imke Kaschke verdeutlichte aber auch die definitiven Probleme, mit denen die Zahnärzte sich bei der Behandlung von Patienten mit Behinderungen konfrontiert sehen: Höherer Zeitaufwand, kleinere Behandlungsintervalle, ein deutlich höherer Personalaufwand, oft notwendige medikamentöse Vorbehandlung, oftmals eine Behandlung in Allgemeinanästhesie und Sedation, aber auch besondere Planungsgrundsätze, die nicht immer mit den Vorgaben der gesetzlichen Krankenkassen vereinbar sind, insbesondere auch die Problematik der Finanzierung zahnärztlicher Propylaxe bei Patienten nach dem 18. Lebensjahr sind die Hemmnisse, die weitere Fortschritte in der Behandlung dieser Risikogruppe in Frage stellen. Kaschke ist ohnehin überzeugt, dass sich die besonderen Maßnahmen nicht nur für die Patientengruppe lohnt, sondern sich mittelbar auch eine langfristige Kostenersparnis für die Versicherungsträger ergibt. Also ein Ansatz für eine klassische Win-win-Situation aller Beteiligten, vorausgesetzt die gesetzlichen Rahmenbedingungen stehen und die erfolgreichen Modellprojekte können zum Standard des Praxisalltags avancieren.

Ein besonderer Aufwand

Oesterreich verdeutlichte die Ziele des auch ethisch gesellschaftsrelevanten Einsatzes der Zahnärzteschaft: Die Verbesserung der Mundgesundheit und Vermeidung von Folgeerkrankungen ermögliche eine Verbesserung der Lebensqualität und damit der Integration, Rehabilitation und sozialen Akzeptanz von Menschen mit Behinderungen. Ihnen müsse die Teilhabe am medizinischen Fortschritt offen stehen.

Erreicht werden könne das durch kontinuierliche präventionsorientierte Betreuung, durch Gruppen- und Individualprophylaxe über die GKV-Beschränkungen hinaus, durch Berücksichtigung der Besonderheiten in der zahnärztlichen Versorgung, beispielsweise über einen Zuschlag, aber auch bei kombinierter ärztlich-zahnärztlicher Versorgung (zum Beispiel Allgemeinanästhesie), letztlich vor allem auch durch eine spezielle Versorgung außerhalb des Budgets.

Einig zeigten sich gerade die anwesenden Politiker, dass sie selbst dafür sorgen müssten, dass diese Initiativzündung auch in der kommenden Legislaturperiode fortbesteht.

Aus vertragszahnärztlicher Sicht wies der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer darauf hin, dass die spezifischen Probleme in der Behandlung solcher Risikogruppen mit dem Bundesgesundheitsministerium erörtert werden müssen: „Hier ist keine Wirtschaftlichkeit in der Behandlung gewährleistet.“ Da müsse der Gesetzgeber Farbe bekennen und entsprechend notwendige Grundlagen schaffen.

Gemeinsam mit der Politik und vereinzelt zustimmenden Aussagen aus Kreisen der Versicherer war erkennbar, dass man dennoch auf einem guten Weg sei. Dietmar Oesterreich: „Jetzt müssen weitere gemeinsame Schritte von Standespolitik, Wissenschaft und Politik folgen.“ Das Ziel hatten zumindest an diesem Abend nicht nur die Zahnärzte, sondern alle klar vor Augen: der nachhaltige und wirkungsvolle Einsatz für die Belange dieser Patientengruppe.

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