Erinnerungen an Buchenwald oder die Aluminiumprothese
Nach veröffentlichten Berichten ehemaliger Lagerinsassen, insbesondere des späteren Zahnarztes Dr. Erhart Glaser, existierte eine zahnärztliche Ambulanz mit drei Behelfsstühlen, an denen sich sechs Zahnärzte zur fast ausschließlichen Schmerzbehandlung abwechselten. Das Grundinstrumentarium – Sonde, Spiegel, Pinzette – war für jeden Behandler einmal vorhanden. Notdürftige Füllungen mit Zement und Reparaturen von Zahnersatz sind belegt, dürften aber die Ausnahme gewesen sein. In Einzelfällen wurde auch mit der Konstruktion von Aluminiumprothesen aus alten Löffeln experimentiert.
Weitgehend unbekannt ist allerdings, dass sich gleichzeitig im Lager auch Häftlinge als Laien ohne Fachberatung mit der Herstellung von Zahnersatz befasst haben.
Prothese als Andenken
1987 wurde dem Verfasser eine Aluminiumprothese mit einem Exposé des Herstellers übergeben. Diesen Zahnersatz hat ein ehemaliger Lagerinsasse, der als Schlosser zur Wartung der Militärfahrzeuge eingesetzt war, im Lager angefertigt und unter hohen Risiken in einer Garage eingegliedert. Der abgebildete Ersatz wurde von 1947 bis 1951 getragen und ist nach dem Ableben des Prothesenträgers dem Hersteller als Andenken zurückgegeben worden. Diese Prothese konnte unter Zuhilfenahme eines noch vorhandenen Prothesenfragmentes hergestellt werden. Auch die Halterung des Gummisaugers wurde offenbar dem alten Ersatz entnommen. Die Abformung erfolgte mit Fensterkitt. Gegossen wurde in Formsand mit Aluminiumsresten aus den geschleiften benachbarten Gustloff-Werken.
Nach dem Exposé wurden ein Dutzend Prothesen, auch ohne Zuhilfenahme vorhandenen Zahnersatzes, angefertigt.
Neben der Gedenkstätte Buchenwald wird seit 1990, räumlich getrennt, auch an das sowjetische Speziallager Nr. 2 erinnert. Die Aluminiumprothese wurde mit dem Exposé des Herstellers 2009 dieser Gedenkstätte zur Aufbewahrung übergeben.
Prof. Dr. Dr. Wolfgang MüllerNottlebener Weg 799092 Erfurt