Gemischte Gefühle
„Viele Aspekte der Gesundheitspolitik werden auch in Zukunft national geregelt bleiben. Aber vieles wird in Europa entschieden und darum müssen wir uns gemeinsam kümmern“, so Liese. Als Beispiele nannte er den Regelungsvorschlag zur Stärkung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Versorgung, das europäische Arzneimittelrecht sowie die umstrittene Revision der EU-Arbeitzeitrichtlinie mit ihren unmittelbaren Folgen für die Arbeitszeitgestaltung in Krankenhäusern und Rettungsdienstsstellen. Seit Mitte März versuchen das Europaparlament und der Rat der Arbeits- und Sozialminister, sich im Vermittlungsverfahren auf eine Neufassung der aus dem Jahr 1993 stammenden Richtlinie zu einigen.
Unnötige Administration
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Jörg Hoppe verwies insbesondere auf die geplante EU-Richtlinie zu Organspenden und -transplantationen. Die BÄK fürchte, so Hoppe, dass der von der EU-Kommission vorgelegte Regelungsentwurf die bewährten Strukturen in der deutschen Transplantationsmedizin durch unnötigen administrativen Aufwand gefährden könnte. Dies gelte es im weiteren Gesetzgebungsprozess zu verhindern, betonte der BÄK-Präsident.
Dennoch, das machte der Vorsitzende des Ethikrates der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), Eugen Engels, deutlich, kann Deutschland hinsichtlich des Umgangs mit Organspenden noch einiges von anderen Ländern lernen. Anders als der Deutsche Ärztetag und das Bundesgesundheitsministerium spricht sich die ÄKWL beispielsweise dafür aus, öffentlich über eine Widerspruchslösung zu diskutieren, wie sie etwa in Spanien oder Österreich praktiziert werde.
Der Präsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Hans-Günter Friese, warf der Europäischen Kommission hingegen „überbordende Liberalisierungsbestrebungen“ im Gesundheitswesen vor. „Die EU-Kommission befindet sich im Hamsterrad des Wettbewerbs, um mit der Globalisierung mithalten zu können“, so Friese. Als absolut inakzeptabel bezeichnete er den von Industriekommissar Günter Verheugen vorgelegten Richtlinienvorschlag zur Information der Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel durch die Industrie. „Die Richtlinie läutet eine desolate Entwicklung ein, die zu einer Trivialisierung von Arzneimitteln unter Ausschaltung der fachlichen Kompetenz der Heilberufe führt“, so Friese.
Für den Wettbewerb mit Leistungserbringern aus anderen EU-Ländern sieht der Landesgeschäftsführer der Barmer Ersatzkasse in Siegen die deutschen Ärzte und Zahnärzte gleichwohl gut gerüstet. „Die Versorgung in Deutschland ist gut, sonst würden sich mehr Patienten im Ausland behandeln lassen“, so Kuss. So habe die Barmer im Jahr 2007 lediglich 40 Millionen Euro bei einem Gesamtvolumen an GKV-Leistungen von 166 Milliarden Euro für Auslandsbehandlungen aller Art aufbringen müssen.
Petra SpielbergChristian-Gau-Straße 2450933 Köln