Gesundheitliche Konsequenzen des Klimawandels

Wenn die Malaria typisch deutsch wird

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Schon jetzt hat der Klimawandel Auswirkungen auf unsere Gesundheit: Fauna und Flora ändern sich, was neue Allergene auf den Plan ruft und die Inzidenz und Prävalenz von Allergien steigen lässt. Außerdem haben Allergien durch die veränderte Blühfolge von Bäumen, Gräsern und Kräutern längst das ganze Jahr über Saison. Hitzewellen können für viele Menschen problematisch werden. Auch ein verändertes Krankheitsspektrum, wie ein Vormarsch der Malaria bis in europäische Gefilde, wird diskutiert.

Seit Jahren zeichnet sich ein Klimawandel ab, der nicht nur die Eisberge zum Schmelzen bringt, sondern nachhaltige Auswirkungen auch auf die Gesundheit der Menschen in unseren Breitengraden hat. Eine Folge der Klimaveränderungen sind steigende Temperaturen, eine veränderte Niederschlagsverteilung und, nicht zuletzt dadurch mitbedingt, eine deutliche Zunahme extremer Wetterereignisse (siehe auch Beitrag zum Gewitter in zm 14). 

Starke Hitzeaber auch Kältewellen, Dürreperioden sowie ungewöhnlich starke Regenfälle sind eine Konsequenz, die schon jetzt jedes Jahr zahlreiche Menschenleben fordert: So erlebte Europa nach Angaben des regionalen WHO-Büros im Jahre 2003 eine massive Hitzewelle, die viele Todesfälle zur Folge hatte. Im Jahr zuvor kamen bei 15 großen Überschwemmungen 250 Menschen zu Tode, eine Million Menschen waren insgesamt betroffen. Die WHO befürchtet neben extremen Unwettern zunehmende Gesundheitsgefahren durch Parasiten und die durch sie übertragenen Erkrankungen.

Allergien haben jetzt ganzjährig Saison

Ein besonderes Problem stellen die Allergien dar: Je wärmer es im Jahresdurchschnitt wird, umso nachhaltiger ändern sich die Vegetationsperioden der Pflanzen, deren Jahreszyklus primär von der Tageslänge und von der Umgebungstemperatur abhängig ist. Steigt die Temperatur, werden Pollen von Frühblühern wie Birke, Erle und Haselnuss deutlich früher im Jahr freigesetzt. Andererseits senden viele Spätblüher und vor allem Kräuter, beispielsweise der Beifuß, ihre Pollen weitaus länger als bisher und zum Teil bis in den späten Herbst hinein über das Land.

Die Konsequenzen dieser Entwicklung schildert Dr. Michael Barczok vom Bundesverband der Deutschen Pneumologen: „Während der Heuschnupfen früher vor allem saisonal auftrat, leiden viele Allergiker nun fast das ganze Jahr über unter allergischen Beschwerden.“ Kurzum: Bei Niesen, Husten und Atemnot muss praktisch das ganze Jahr über daran gedacht werden, dass solche vermeintlichen Erkältungsbeschwerden in Wirklichkeit Ausdruck einer allergischen Rhinitis sein können.

Folgen des Klimawandels

Dass die Auswirkungen des Klimawandels konkrete Folgen haben, machen Beobachtungen über die letzten vier bis fünf Jahrzehnte deutlich: In dieser Zeit haben sich der erste Gesang von Vögeln, ihre Eiablage und auch die Rückkehr der Zugvögel im Frühjahr deutlich vorverlegt. Schmetterlinge erscheinen früher im Frühjahr, Amphibien laichen um Wochen früher ab und der Austrieb und die Blüte von Pflanzen erfolgen zeitiger im Jahr als noch vor einigen Jahrzehnten. Konkret berichten Biologen über eine Vorverlegung von Blattentfaltung und Blüte der Pflanzen um 1,4 bis sogar 3,1 Tage pro Dekade in Europa.

Für Allergiker können diese Veränderungen fatal sein: „Sie bedeuten konkret verlängerte Expositionszeiten, was bei der allergischen Rhinitis das Risiko für einen Etagenwechsel, also für die Entwicklung eines Asthma bronchiale, steigert“, sagt der Ulmer Pneumologe. Denn werden die Atemwege länger mit den Pollen konfrontiert, so wandern mehr und mehr Entzündungszellen in die Schleimhaut ein. Die Inflammation verstärkt sich, und aus dem vermeintlich harmlosen Heuschnupfen entwickelt sich ein manifestes Asthma. Getriggert wird dies laut Barczok zusätzlich durch den steigenden CO2-Gehalt der Atmosphäre. Dieser führt zu einer Zunahme der Biomasse und damit auch zu einer Zunahme der umherfliegenden Pollen. Schätzungen gehen davon aus, dass sich der CO2-Gehalt in der Luft in der industrialisierten Welt bis zum Jahre 2050 noch verdoppeln wird.

Neuer Pollenflugkalender – neue Allergene

Die langfristigen Konsequenzen dieser Entwicklung sind noch unklar, aber auch die heutige Situation ist schon bedrohlich genug. Sie hat bereits dazu geführt, dass im vergangenen Jahr ein neuer Pollenflugkalender erarbeitet werden musste, der die veränderten Blühzeiten der Pflanzen berücksichtigt.

In den Pollenflugkalender mussten zudem neue Allergene aufgenommen werden. Denn: Wenn sich das Klima wandelt, können sich hierzulande auch Pflanzen und Tierarten verbreiten, die früher nicht heimisch waren. Dass diese Befürchtung längst Realität ist, zeigt das Beispiel des Traubenkrauts (Ambrosia artemisiifolia), einem dem Beifuß ähnlichen Gewächs mit hohem allergenem Potenzial. Die Pflanze, die auch einfach Ambrosia, Ragweed, Beifuß-Ambrosie oder Wilder Hanf genannt wird, stammt aus Nordamerika und breitet sich inzwischen mit unglaublicher Geschwindigkeit in deutschen Gärten aus. Das „neue Unkraut“ ist mittlerweile so verbreitet, dass die Test-Kits der Allergie-Diagnostik erweitert werden mussten. „Auf Ambrosia zu testen, gehört bei der Abklärung allergischer Erkrankungen inzwischen mit zur Routine“, so Barczok.

Dabei erleben wir derzeit erst den Anfang der Veränderungen, die der Klimawandel uns bescheren wird. Dieser schreitet nach Angaben des Verbandes Deutscher Pneumologen schneller voran, als noch vor einigen Jahren angenommen.

Dazu ein paar Zahlen:

• In den vergangenen 100 Jahren ist die durchschnittliche Temperatur um 0,74 °C gestiegen. Allein in den vergangenen 30 Jahren aber sind vor allem die Winter im Mittel um 1,5 °C wärmer geworden.

• Die Lufttemperatur wird den Schätzungen zufolge weiter zunehmen: Im Sommerhalbjahr wird die mittlere Tagestemperatur zum Beispiel in Bayern bei 15 °C liegen, im Winter bei 3,5 °C.

• Die Zahl der Sommertage mit Temperaturen über 25 °C wird voraussichtlich von derzeit durchschnittlich 32 auf etwa 50 steigen, während sich gleichzeitig die Zahl der Tage mit Minustemperaturen drastisch reduziert.

• Das Jahr 2000 war mit einer Jahresmitteltemperatur von 9,9, °C das wärmste Jahr des Jahrhunderts in Deutschland.

• Die Erderwärmung führt zum Abschmelzen der Gletscher und damit zum Anstieg der Meeresspiegel. Diese stiegen zwischen 1900 und 2000 um durchschnittlich 18,5 Zentimeter.

Weniger Frühfrostschäden sind eine Konsequenz des Klimawandels, über die die Landwirtschaft sich hierzulande freuen dürfte. Erkauft wird dieser vermeintliche Vorteil durch ein höheres Risiko für Hochwasser und Überschwemmungen sowie durch Veränderungen in Fauna und Flora mit dem Auftreten neuer, bislang hier unbekannter Schädlinge und Allergene.

Eichenprozessionsspinner auf dem Vormarsch

Ein Beispiel aus der Tierwelt hierfür ist der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea), ein Nachtfalter aus der Familie der Zahnspinner (Notodontidae), der seine Eier vor allem an Eichen ablegt. Im Herbst entwickeln sich daraus Raupen, die fünf bis sechs Entwicklungsstadien bis zu ihrer Verpuppung durchlaufen. Bei der Häutung der Raupen werden kleine Brennhaare freigesetzt, die weit verweht werden und massive allergische Symptome im Bereich der Haut und auch im Bereich der Atemwege verursachen können.

Der Eichenprozessionsspinner breitet sich derzeit von den Niederlanden und Belgien kommend vor allem am linken Niederrhein aus sowie von Österreich ausgehend im Süden Deutschlands. Inzwischen sind aber auch bereits das Frankenland sowie Hessen von der Plage betroffen. „Bei Allergikern muss deshalb zunehmend hinterfragt werden, ob sie sich in Regionen mit vielen Eichen aufgehalten haben, wenn akut massive allergische Symptome auftreten“, sagt Lungenfacharzt Barczok.

Parallel zur sich ändernden Verbreitung des Eichenprozessionsspinners sind auch bei anderen Tierarten Veränderungen der Lebensräume zu beobachten: So fressen Rüsselkäfer, die bislang nur in den Tropen gedeihen konnten, zunehmend auf Mallorca Palmen kahl, und die ursprünglich aus Afrika stammende braune Hundezecke breitet sich längst auch in Südeuropa aus. In warmen Jahreszeiten wird der Parasit auch schon diesseits der Alpen gefunden. Er kann die Babesiose, auch Hundemalaria genannt, und die Ehrlichiose, das durch Rickettsien bedingte Zeckenfieber, übertragen.

Gelbfieber zwischen Rhein und Weser

Damit nicht genug: Zunehmend wird in unseren Breitengraden auch vor Malaria, Leishmaniose, Gelbfieber und vor dem West-Nil-Virus gewarnt. Auch, wenn ein solches Szenario derzeit übertrieben klingen mag, so ganz von der Hand zu weisen sind solche Bedrohungen nicht. Denn Malariafälle gab und gibt es in Deutschland immer wieder. Sollte es durch den Klimawandel, wie befürchtet wird, zu einer Zunahme der Sumpfgebiete hierzulande kommen, könnte dies tatsächlich dem Malaria-Erreger Plasmodium und der übertragenden Stechmücke Anopheles Tür und Tor in Deutschland öffnen.

Auch die in Asien und Afrika beheimatetet Stechmücke Aedes, die das Chikungunya-Fieber, das Dengue-Fieber und das Gelbfieber überträgt, könnte sich bei veränderten klimatischen Bedingungen in Europa wohl fühlen, sich vermehren und dazu betragen, dass die bislang vermeintlichen Tropenkrankheiten zunehmend auch zwischen Rhein und Weser zum Gesundheitsproblem werden.

Wichtige Parameter:

Temperatur, Feuchtigkeit

Hitze- und Dürreperioden, Überschwemmungen und die veränderte Blühfolge der Pflanzen sind direkte Folgen des Klimawandels. Die globale Erwärmung dürfte langfristig auch indirekte Folgen haben, die derzeit kaum abzuschätzen sind. Denn sie bedingt eine veränderte Ausbreitung von sogenannten Vektoren, also von Krankheitsüberträgern wie Insekten und Nagetieren. Viele Tiere sind hinsichtlich ihrer Verbreitung von Umweltfaktoren abhängig. Zum Beispiel brauchen Insekten oft Wasser zur Eiablage und damit zur Vermehrung. Ganz allgemein haben das Wasservorkommen sowie die Temperatur, die Bodenbeschaffenheit und etwa die Verbreitung von Wäldern Einfluss auf die Fauna und damit auf Vektoren.

Welch enorme Rolle die Temperatur dabei spielt, zeigt bereits die Tatsache, dass in Gewässern abgelegte Mückenlarven sehr viel schneller reifen, wenn die Temperatur des Wassers etwas höher ist. Eine höhere Umgebungstemperatur sorgt nicht nur für eine raschere Reifung und damit für eine forcierte Vermehrung, die Tiere saugen auch schneller und damit mehr Blut, was wiederum die Übertragungswahrscheinlichkeit von Krankheitserregern steigert. Zugleich verkürzt sich die Inkubationszeit der Parasiten in den Tieren, was ebenfalls die Ausbreitung von Erkrankungen forciert.

Ebenso wie die Temperatur hat auch die Niederschlagsmenge Einfluss auf das Überleben von Vektoren und ihren Parasiten: So können zum Beispiel vermehrte Niederschlagsmengen in Kombination mit einer höheren Umgebungstemperatur die Bedingungen für Brutstätten steigern und über diesen Weg der weiteren Ausbreitung bislang exotischer Krankheitserreger in unsere Breitengraden den Weg bahnen.

Malaria

In vielen Diskussionen um den Klimawandel wird rasch das Schreckgespenst der Malaria in Deutschland an die Wand gemalt. Die Erkrankung wird durch die Stechmücke Anopheles übertragen und zeichnet weltweit für 400 bis 500 Millionen Infektionen und für rund eine Million Todesfälle verantwortlich. Sie wird durch einzellige Parasiten, die zu den Sporozoen gehörenden Plasmodien, verursacht. 170 Arten der Plasmodien sind bekannt, wobei vier Arten beim Menschen Malaria auslösen können. Der Mensch dient den Plasmodien dabei als Zwischenwirt. Die mit dem Mückenstich über den Speichel der Tiere abgesonderten Erreger werden mit dem Blutstrom in die Leber transportiert, wo sie zu Merozoiten heranreifen. Diese gehen in den Blutkreislauf über und infizieren Erythrozyten, in denen sie sich teilen und vermehren. Bei der Freisetzung der Erreger aus den Blutzellen kommt es zu den typischen Fieberanfällen, wobei die infizierten Menschen durch das begleitende Schwitzen für die Stechmücken offenbar besonders attraktiv sind, ein Phänomen, das die Übertragung der Erkrankung begünstigt.

Die von der Anopheles-Mücke übertragenen malariaauslösenden Plasmodien kommen vor allem in tropischen und subtropischen Regionen vor – aber auch in gemäßigtem Klima. Ideale Bedingungen finden die Insekten bei einer Umgebungstemperatur von 20 bis 30 °C, wobei ausreichende Niederschläge wichtig sind, damit es geeignete Brutstätten gibt.

Bereits seit Jahren ist zu beobachten, dass die Malaria in Gebieten Fuß fasst, in denen sie bis dato nicht vertreten war. Beispiele sind Teile der USA, der früheren Sowjetunion sowie Hochlandgebiete in Afrika, in denen die Malaria früher nicht heimisch war. Der Klimawandel ist nur eine Ursache der weiteren Verbreitung der Erkrankung. Zum Tragen kommt außerdem die Zunahme der Bevölkerungsdichte, was eine Übertragung durch die Mücke offenbar einfacher macht, die zunehmenden Resistenzen gegen Medikamente und auch der steigende Tourismus sowie Flüchtlingsbewegungen, die ebenfalls die Verbreitung erleichtern.

In Modellrechnungen wurde versucht, das Ausbreitungsrisiko der Malaria bei einer globalen Erwärmung zu fassen. Das Ergebnis: Bei einem Temperaturanstieg um 3 bis 5 °C, wie er bis zum Ende dieses Jahrhunderts durchaus realistisch ist, dürfte sich das Malariarisiko in tropischen Regionen verdoppeln und in gemäßigten Gebieten sogar mehr als verzehnfachen. Europa dürfte direkt von dieser Entwicklung betroffen sein, da zu erwarten steht, dass hierzulande durch den Klimawandel und den damit verbundenen Temperaturanstieg die untere Temperaturgrenze für die Entwicklung der Plasmodien überschritten wird. Inwieweit solche Szenarien Realität werden, hängt allerdings auch von Gegenmaßnahmen bei der Bekämpfung der Anopheles-Ausbreitung ab, deren Auswirkungen in den Modellrechnungen zwangsläufig nicht berücksichtigt werden können.

Dengue-Fieber

Eine Erkrankung, die neben der Malaria bei Diskussionen um den Klimawandel immer wieder ins Feld geführt wird, ist das Dengue-Fieber. Verursacht wird die Infektionskrankheit durch Viren, und zwar durch Flaviviren, wobei die Krankheitserreger analog wie bei der Malaria durch Stechmücken auf den Menschen übertragen werden.

Vor allem durch Berichte von Krankheitsfällen in den USA und in Australien rückt das Dengue-Fieber zunehmend in das öffentliche Interesse. Ähnlich wie bei der Malaria kann durch die weitere Verbreitung der Stechmücken ein Zusammenhang zum Klimawandel bestehen, die geographische Ausbreitung hat allerdings durchaus auch andere Gründe. Diese liegen in der in vielen Regionen zunehmenden Bevölkerungsdichte, in der zunehmenden Urbanisierung und in Phänomenen wie Tourismus und Migration.

Borreliose und FSME

Als Folge einer globalen Erwärmung wird häufig auch ein Anstieg der durch Zecken übertragenen Krankheiten, wie der Lyme-Borreliose sowie der FSME, der Frühsommer-Meningoenzephalitis, befürchtet. Die derzeitigen milden Winter begünstigen die Überlebensraten der Zecken und von deren Wirtstieren, insbesondere der Nagetiere. Durch den späteren Winterbeginn und das frühere Einsetzen des Frühjahrs bei zugleich im Durchschnitt milderen Temperaturen in den Wintermonaten sterben die Zeckenpopulationen nicht mehr ab und müssen im folgenden Frühjahr nicht mehr neu aufgebaut werden, was zwangsläufig das Übertragungsrisiko steigert. „Wir gehen davon aus, dass sich in den nächsten 50 Jahren die Durchschnittstemperatur weiter um etwa 1,2 °C erhöht“, so Professor Dr. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Das kann nach seinen Angaben die Bedingungen für die Vermehrung von Zecken noch weiter verbessern.

Christine VetterMerkenicher Straße 22450735 Köln

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