Differentialdiagnose der chronischen Sinusitis maxillaris

Kieferhöhlenkarzinom auf Basis eines invertierten Papilloms

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Ein 82-jähriger Patient stellte sich mit einem erstmals vor rund acht Wochen bemerkten, seit drei Wochen zunehmenden Taubheitsgefühl im Bereich der linken Wange und Oberlippe zunächst in einer Klinik für Innere Medizin vor, nachdem sein Allgemeinzustand unter Appetitlosigkeit und Schwächegefühl deutlich eingeschränkt war. Unter Annahme einer cerebralen Ischämie erfolgte dort die stationäre Aufnahme zur weiterführenden Diagnostik. Eine NNH-Aufnahme zeigte das Bild einer linksseitigen Sinusitis maxillaris mit kompletter Verschattung (Abbildung 1). Die anderen Nasennebenhöhlen stellten sich frei dar. Die nachfolgende MRT-Untersuchung erbrachte keinen Nachweis eines frischen cerebralen Insultes. Es zeigte sich jedoch eine ausgedehnte, destruierend wachsende Raumforderung der linken Kieferhöhle, die bereits die Orbita infiltriert hatte und auch kontinuierlich in die Nasenhaupthöhle vorwuchs (Abbildung 2).

Unter dem Verdacht einer Neoplasie der Kieferhöhle wurde der Patient anschließend zur weiteren Therapieplanung unserer Klinik zugewiesen. Die gebietsbezogene radiologische Basisdiagnostik ergab keine dentogenen infektiösen Ursachen. Allerdings war auch auf dem Ortho-pantomogramm eine einseitige Verschattung im Bereich der linksseitigen Kieferhöhle erkennbar (Abbildung 3), die typischerweise ohne andere Informationen als Sinusitis gedeutet worden wäre. Die erweiterte radiologische Diagnostik mittels Computertomographie zeigte dann das gesamte Ausmaß des Tumorgeschehens in der linken Kieferhöhle mit Arrosionen der Kieferhöhlenwände linksseitig und Einbruch in die Orbita, den Siebbeinkomplex und den Retromaxillärraum (Abbildungen 4a+b). Regional zeigten sich in der Sonographie mehrere vergrößerte zervikale Lymphknoten. Zur Diagnosesicherung wurde eine Biopsie im Bereich der vestibulären Kieferhöhlenwand vorgenommen. Abbildung 5 zeigt den Durchbruch der Tumormassen durch die Kieferhöhlenwand. Korrespondierend zum klinischen Aspekt eines papillomatösen Gewebes (Abbildung 6) wurde der Befund in der Schnellschnitt-Diagnostik zunächst als invertiertes Papillom gewertet. Die weitere Aufarbeitung des Gewebes ergab dann aber das Bild eines gut differenzierten, verhornenden Plattenepithelkarzinoms (Abbildung 7).

Der Patient konnte sich unter voller Information über die Belastungen einer kurativ intendierten, multimodalen Therapie mit radialchirurgischer operativer Sanierung und nachfolgender Radio-Chemotherapie letztlich nicht zu einem radikal-chirurgischen Vorgehen entschließen, sondern entschied sich gemeinsam mit seinen Angehörigen zu einem palliativen Vorgehen.

Diskussion

Das invertierte Papillom ist ein benigner Tumor und zählt mit einem Anteil von 0,5 bis 4 Prozent und einer jährlichen Inzidenz von 0,75 bis 1,5/100 000 zu den eher seltenen Tumoren des Nasen- und Nasennebenhöhlensystems. Am häufigsten tritt dieser Tumor bei Männern in der fünften und sechsten Lebensdekade auf, in der Regel (91 bis 99 Prozent der Fälle) unilateral. Seinen Ursprung hat das invertierte Papillom meistens an der lateralen Wand der Nasenhaupthöhle, kann aber auch dem Nasenseptum oder den Nasennebenhöhlen, und dort vorzugsweise dem Sinus maxillaris, entspringen [Salmone et al., 2008]. Obwohl es sich bei dem invertierten Papillom um einen benignen Tumor handelt, wird das klinische Verhalten doch durch ein lokal aggressives, destruierendes Wachstum mit großem Invasionspotential [Oikawa et al., 2003], häufigen Rezidiven [Vrabec, 1994] und vor allem durch eine relevante Tendenz zur malignen Entartung (7,1 und 3,6 Prozent) [Buchwald Bradley, 2007] geprägt.

Die Entwicklung des invertierten Papilloms und auch die Transformation zum invasiven Karzinom bleibt typischerweise lange symptomlos und ist auch bei manifesten Karzinomen oft nur mit unspezifischen Beschwerden (Druckschmerz) verbunden, die patienten- und behandlerseitig zumeist als rezidivierende Rhinosinusitiden interpretiert werden. Die Besonderheit des „einseitigen Schnupfens“ wird als Alarmsymptom in der Regel nicht bewusst wahrgenommen. Die für einen Kieferhöhlenkarzinom charakteristischen Symptome wie spontane, einseitige Blutungen, foetide Sekretion, Sensibilitätsstörungen des N. infraorbitalis oder Bulbusmotilitätsstörungen sind Zeichen der weit fortgeschrittenen Erkrankung, die dann häufig bereits an der Grenze der kurativen Behandlungsoptionen steht [Salmon et al., 2008].

Die zentrale Problematik des invertierten Papilloms, aber auch des Kieferhöhlenkarzinoms, liegt in der diagnostischen Abgrenzung von entzündlichen Sinusitiden. Diese Abgrenzung betrifft speziell die Zahnheilkunde, da im Gegensatz zur „beidseitigen“, zumeist durch Funktionsstörungen der osteomeatalen Einheit verursachten Erkrankung, die „einseitige“ Sinusitis maxillaris recht häufig dentogenen Ursprungs ist. Patienten mit beidseitigen Sinusitiden werden daher ganz überwiegend primär dem hals-nasen-ohrenärztlichen Fachgebiet zugeleitet, während Patienten mit einseitigen Sinusitiden sehr häufig zunächst in der zahnärztlichen oder MKG-chirurgischen Praxis vorgestellt werden. Gerade bei der „einseitigen“ Sinusitis maxillaris stellt sich aber regelmäßig die Frage der Abgrenzung zum Kieferhöhlenkarzinom (oder invertierten Papillom), vor allem, wenn sich keine eindeutigen Ursachen für eine dentogen entzündliche Pathogenese finden. Auch im aktuellen Fall finden sich im OPG nur sehr diskrete röntgenmorphologische Zeichen des destruierenden Tumors (unscharfe KH-Wandungen im Seitenvergleich), die fehlenden dentogenen Ursachen (zahnloser Patient) einer einseitigen Sinusitis geben aber in jedem Fall Anlass zu weiteren Überlegungen und erweiterter Diagnostik.

Therapeutisch steht beim invertierten Papillom die chirurgische Entfernung im Vordergrund, wobei die hohe Rezidivtendenz ein radikales chirurgisches Vorgehen rechtfertigt. Die Behandlung des fortgeschrittenen Kieferhöhlenkarzinoms erfordert praktisch immer multimodale Therapiekonzepte.

Mit der Erweiterung der Röntgendiagnostik durch die digitale Volumentomographie rückt die Kieferhöhle mit ihren pathologischen Befunden in das unmittelbare Blickfeld der zahnärztlichen Diagnostik. Damit überträgt sich dann aber auch die Verantwortung für das Erkennen relevanter pathologischer Befunde der Kieferhöhle auf das Fachgebiet der Zahnheilkunde.

Dr. Cristian T. RäderProf. Dr. Dr. Martin Kunkel Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus Bochum-LangendreerIn der Schornau 23-2544892 Bochumcristian.raeder@rub.demartin.kunkel@rub.de

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