Geschichte der Implantologie in Deutschland

Vom Extensionsimplantat zur Hightech-Schraube

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Die zahnärztliche Implantologie ist seit Langem nicht mehr aus dem Therapiespektrum der Zahnheilkunde wegzudenken. In den vergangenen 30 bis 40 Jahren hat sich auf diesem Gebiet eine Entwicklung vollzogen, die man durchaus als eine der bedeutendsten in der Zahnmedizin bezeichnen kann. Was sich dabei an wissenschaftlichen und praxisnahen Ergebnissen ergeben hat, ist mutigen Pionieren zu verdanken, die aus der Empirie Implantate in die Kiefer der Patienten eingesetzt haben [13,35,52,53,70,87].

Wer aber erinnert sich noch daran, welche Probleme es gegeben hat und wie lang und beschwerlich der Weg war, wenn er heute Implantate mit höchsten ästhetischen Ansprüchen einsetzt? Es ist gerade mal eine zahnärztliche Generation vergangen, seit zwischen Zahnärzten und Wissenschaftlern die Auseinandersetzung darüber entbrannte, ob überhaupt Fremdkörper (Abbildung 6), insbesondere metallische, in die Kiefer der Patienten eingesetzt werden dürften. Füllungstherapien, Brücken oder andere prothetische Leistungen in den Mündern der Patienten – das sei etwas völlig anderes, so merkten die Kritiker an, als wenn Zahnersatz auf metallischen Pfosten im Kiefer abgestützt wird [3,22,26,51,69].

In den Anfangsjahren begann unter den implantologisch tätigen Zahnärzten eine Auseinandersetzung um die Präferenz der Osseointegration [1,8] oder der fibroossären Einscheidung [22,23] sowie um die Frage, welches biokompatible Material zu bevorzugen sei. Es boten sich hier Keramik (Abbildung 8) [4,20.80,92] oder Metall (Abbildung 6) an. Auch stellte man sich die Frage, wie Implantate mit natürlichem Zahnbestand denn zu versorgen seien.

Viel Diskussion um die Osseointegration

Bereits 1966 beschrieb Brånemark als erster Wissenschaftler den Begriff „Osseointegration“, der in die internationale Nomenklatur eingegangen ist (Abbildung 1) [7,9]. Schröder verstand unter dem Begriff „funktionelle Ankylose“ im Gegensatz zu Brånemarks „Osseointegration“ die dauerhafte funktionelle Belastung des Knochens mit dem Implantat (Abbildung 2). Ihre Untersuchungen markieren den Beginn der modernen zahnärztlichen Implantologie [17,30,31,73].

Die fibroossäre Einscheidung wurde in den USA insbesondere durch Linkow in Verbindung mit Blattimplantaten favorisiert (Abbildungen 4+5), was zu einer heftigen Auseinandersetzung sowohl über das Design wie die Oberfläche führte. Die fibroossär eingeschiedenen Extensionsimplantate gehörten dennoch zu den ersten erfolgreich inserierten Implantaten überhaupt [22,23,52,53].

Nach einer großen Zahl von Tierversuchen wurden neue Erkenntnisse oder Versuchsdesigns mit diversen Materialien diskutiert [6,11,30,69,78,80], wobei heutige Prioritäten wie Frühbelastung, kongruente Implantatbettaufbereitung, Verblockung oder gar implantologischer Erfolg völlig anders bewertet wurden. Bei den Extensionsimplantaten wurde zum Beispiel mit der Turbine oder dem Schnelllaufwinkelstück eine Rille in den Knochen gefräst, die weit davon entfernt war, was wir heute unter knochenkongruenter oder atraumatischer Implantatbettaufbereitung verstehen. Hitzeentwicklung oder Denaturierung des Knochens waren unvermeidlich [49,56,84].

Der Erfolg in der Implantologie war mehr von Zufälligkeiten oder von einem außerordentlich hohen chirurgischen Geschick geprägt als von programmierbarem Erfolg (Abbildung 7), obwohl auch heute noch Blattimplantate oder andere Extensionsimplantate ihre Funktion erfüllen [53,54,62].

Subperiostale Implantate

Grafelmann ist es zu verdanken, dass die Idee von Linkow nach Deutschland importiert wurde [22,23]. Er war es auch, der die erste Deutsche Implantologische Gesellschaft gegründet hat, die heute noch als älteste europäische Vereinigung in der Implantologie gilt. Unter seiner Führung und der der DGZI (Deutsche Gesellschaft für Implantologie) nahm dieser neue Fachbereich in Deutschland einen großen Aufschwung, wenngleich die Kritiken an der fibroossären Einscheidung und dem daraus resultierenden großen Knochenverlust nach Entfernung von Extensionsimplantaten nicht verstummen wollten [35,54,56,63,84].

Wenn die Indikation für Blattimplantate aufgrund zu geringer Platzverhältnisse nicht mehr gegeben war [12,82], so blieb immer noch die Möglichkeit der subperiostalen Implantation [14], ein Verfahren, das auf Dahl, einen schwedischen Zahnarzt, zurückgeht, dem für die Umsetzung seiner Idee die Approbation entzogen wurde. Er erhielt sie dann später jedoch wieder zurück.

Die subperiostalen Implantate gingen von der Voraussetzung aus, dass das Periost eine ausreichende Festigkeit aufweist und das Gerüst auf dem Knochen dauerhaft stabil zu lagern vermag, um als Basis für herausnehmbaren oder gar festsitzenden Zahnersatz zu gelten. In Deutschland waren es insbesondere Kanitz [36] und Myska, die sich der subperiostalen Implantologie verschrieben haben, wobei Myska mit einer Schraubenfixation des subperiostalen Gerüstimplantats eine Kombination zwischen enossaler und subperiostaler Implantation empfahl [61,63].

Der große chirurgische Aufwand, die erhebliche Belastung des Patienten, das Abdruckverfahren direkt über den offenen Knochen, sowie erhebliche zahntechnische Anforderungen, ein Gerüst spannungsfrei auf dem Knochen zu fertigen, ließen nur wenige Zahnärzte dieses Verfahren wählen. Dazu kam ein zweiter chirurgischer Aufwand, um das Gerüst dann schließlich einzusetzen. Heute ist die subperiostale Implantologie nur mehr Geschichte.

Enossale Implantate

Die ersten enossalen Implantate waren in ihrer Indikation als Spätimplantate anzusehen [8,9,52], das heißt, sie wurden erst dann als Therapiemöglichkeit gewählt, wenn keine andere konventionelle Therapieform mehr umgesetzt werden konnte oder aber die Patienten auf herausnehmbaren Zahnersatz verzichten wollten. Auch die Fixation totalen Zahnersatzes (Abbildungen 3,12,13,21) war eine bedeutende Indikation [1,4]. Der Gedankenansatz der Spätimplantation hatte zur Folge, dass der Alveolarfortsatz qualitativ und quantitativ eine schlechte Ausgangslage hatte [12,82], so dass schmale Blätter oder Schrauben geringeren Durchmessers inseriert werden mussten (Abbildungen 4,5,6,9,13,14) [63,70,79,87].

Einerseits wurde die geringe Quantität des Alveolarfortsatzes bei den Blättern durch die Länge kompensiert. Die geringe Breite konnte andererseits auch mit kleinvolumigen Schrauben implantologisch versorgt werden. So entwickelten sich ausschließlich Schrauben mit einem geringen Durchmesser, die Chercheve [13] und Tramonte [89] in Frankreich und Italien erstmalig auf den Markt brachten und in Deutschland durch Heinrich eingeführt wurden [6,27]. Noch kleiner waren die Nadelimplantate, die in Form eines Tripodes für Einzelzahnkronen (Abbildungen 11+19) eingesetzt wurden, oder als Nadelstraßen mit einem Goldsteg verbunden zur Fixierung von Totalprothesen dienten [66].

Pruin favorisierte seine Nadelimplantation (Abbildung 15) aus Tantal [28,66], während Kirschner die transdentale Fixation oder die Fixierung eines traumatisch verlorengegangenen Frontzahnes durch einen keramischen „Kirschner-Stift“ (Abbildung 8) beschrieb. Beide Fixationsmöglichkeiten betrachteten den Zahn als Eintrittspforte in den Knochen. Durch die künstliche Verlängerung der Wurzel (Abbildung 15) erhielt der Zahn neue Stabilität [41]. Ein Verfahren, das auch heute noch verschiedentlich in den Praxen erfolgreich eingesetzt wird.

Die Sofortimplantation

Schulte war dann der erste, der die Idee der Sofortimplantation 1977 weltweit inaugurierte [25,75]. Das Tübinger Sofortimplantat war ein Keramikimplantat (Abbildung 16), das im Auftrag der Landesregierung Baden-Württembergs im Rahmen eines Sonderforschungsprogramms 1975 entwickelt wurde. Sein implantologischer Ansatzpunkt war, erstmalig sofort nach der Extraktion eines Zahnes, ein Implantat in die Alveole zu setzen. Mit einer knochenkongruenten Fräsung bereitete er nach der Extraktion ein Implantatbett auf, so dass zahnanaloge Implantate, im gleichen Durchmesser des Zahnes, eingesetzt werden konnten. Die Geburt der großvolumigen Implantate war damit vollzogen [16,76].

Schulte konnte beweisen, dass die Insertion der Implantate in die leere Extraktionsalveole den Alveolarkamm erhält. Das Weichgewebe lagert sich der keramischen Oberfläche an. Hart- oder weichgewebliche Atrophien waren nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß zu beobachten [77]. Materialbedingte Probleme der Aluminiumimplantate (Abbildung 23) ließen die Kritiker einer Sofortimplantation nicht verstummen. Wurde das Implantat in die Knochenkavität eingeklopft, ging es bisweilen durch den Kompressionsdruck des Gewebes wieder verloren. Die Zementierung einer Krone mit einem kleinem Metallstift in den keramischen Körper hinein schuf Sollbruchstellen (Abbildung 17). Wenn allerdings die Implantate osseointegriert waren, worüber es wissenschaftlich gesehen keinen Zweifel gab, war die Entfernung außerordentlich schwierig und mit einem sehr großen Knochendefizit verbunden (Abbildung 18) [89].

Mit der Entwicklung der Sofort- und der Spätimplantation waren zwei gegensätzliche Therapieansätze geschaffen, die heftig diskutiert wurden und Auslöser für einen dauerhaften wissenschaftlichen Disput über Abbauerscheinung, Osseointegration, Materialfragen, Biokompatibilität der Werkstoffe und letztlich prothetische Rekonstruktionsmöglichkeiten waren.

Ideenreichtum kam aus der Praxis

Es waren in erster Linie die niedergelassenen Zahnärzte, die mit immer neuen Ideen oder chirurgischem Geschick über Implantaterfolge berichteten [69,89]. Diese Nische der Zahnmedizin, von einigen Kollegen als „Rotlichtbezirk“ der Zahnmedizin bezeichnet, hatte auch einen gesundheitspolitischen Aspekt. Je mehr über Erfolge in der Implantologie berichtet wurde, desto stärker wurde der Wunsch der Patienten. Und damit stellte sich die Frage der Bezuschussung durch gesetzliche Krankenkassen und/oder private Versicherungsgesellschaften.

Implantologie erhält politische Anerkennung

1988 wurde die Implantologie erstmalig in die heute noch gültige Gebührenordnung aufgenommen und erhielt damit nach ihrer wissenschaftlichen Anerkennung 1982 durch die DGZMK [88] auch ihre sozialpolitische Bedeutung. Es kam die Zeit der Einigungsbestrebungen und Leitlinien für die Implantologie, die von vielen als Marktlücke angesehen wurde. Schulte, Krekeler und Hartmann (Abbildung 27) forderten einen einzigen Verband für die Implantologie. Diese Chance wurde vertan. Unter der Führung von Tetsch und Spiekermann wurde eine Konsensuskonferenz einberufen, um einen Abgleich der Standards zu erzielen, die wissenschaftlichen Ergebnisse einzubinden und ihre Aussagen fortzuschreiben [85].

Die Frage nach der Biokompatibilität

In den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts war die Diskussion um die Biokompatibilität noch nicht ausgestanden. Brånemark [8,9] hatte zwar Titan als Werkstoff vorgeschlagen, das aufgrund seiner Oberfläche die Osseointegration fördert . Tantal und Aluminiumoxydkeramik erfüllten aber die Bedingungen ebenso [17,20]. Jedoch im Design gab es unterschiedliche Ansätze, einerseits die Blätter, andererseits Schrauben mit einer hohen primären Stabilität und Zylinder, die in den Knochen hineingeklopft wurden (Abbildungen 4,5,8) [5,70,92] Es war die Zeit der großen Entwicklungen, die aber auch vielfach eine Einbahnstraße waren [11,36,41,42,64,90].

Mit der Vorstellung der Intramobilität haben Koch und Kirsch (Abbildung 25) einen anderen wesentlichen Beitrag zur Implantologie geleistet [37,38,40,44]. In das Implantat wurde ein Kunststoffteil mit einer Schraube befestigt, so dass die Beweglichkeit des Zahnhalteapparats beim Kaudruck nachvollzogen werden konnte, eine Entwicklung, die viele neue Erkenntnisse gebracht hat. So übernahm der Puffer den Kaudruck und leitete ihn in das Implantat hinein (Abbildung 26), womit sowohl die Innengeometrie wie auch die äußere Oberfläche den Kaudruck übernahmen und das osseointegrierte Implantat vor Überlastungen schützten [31,40,60,67,91].

Die Verbindung des natürlichen Restzahnbestands mit Implantaten wurden über Brücken oder eher seltener als Einzelzahnversorgung gelöst, da das Vertrauen auf einen dauerhaften Verbund der Implantate mit dem Knochen nicht sehr groß war [2,19]. Wenngleich Schröder, Kirsch und Donath [17,19,39,73,74] mit der Plasmaflamebeschichtung eine Oberflächenvergrößerung (Abbildung 20) mit dem Ziel einer größeren Anlagerungsfläche für den Knochen empfahlen, ging die Diskussion über die richtige Oberfläche weiter, obwohl Ledermann den Nachweis führen konnte, dass beim Eindrehen von Schrauben Titanpartikel (Abbildung 24) in die umliegende Knochensubstanz abgeschert werden [30,47,63,71]. Er hatte zuvor die Sofortbelastung von interforaminär eingesetzten Schraubenimplantaten in Unterkiefer wissenschaftlich nachgewiesen (Abbildungen 20+21). Unter besonderen Voraussetzungen war damit neben der Einheilungsphase von einem Viertel- bis einem halben Jahr auch die sofortige Belastung von Implantaten möglich [46,47]. Diesem Wissenschaftler ist auch eine neue Oberfläche zu verdanken, die gestrahlt und geätzt wird und damit eine subtraktive Oberflächenvergrößerung zum Ergebnis hatte, anstelle der (additiven) Plasmaflamebestahlung. Heute ist diese gestrahlte und geätzte Oberfläche bei allen Implantaten wiederzufinden und wird als Grundlage der weiteren Entwicklung mit reduzierter Einheilung oder bioaktiven Komponenten herangezogen.

Der eigentliche Durchbruch für die Einzelkronenversorgung aber kam mit der Sofortimplantation durch Schulte [75,86]. Bei der Extraktion von einwurzeligen Zähnen konnte nach Implantation nur eine Einzelkrone eingesetzt werden. Damit begann der eigentliche Weg, der uns heute zur ästhetischen Rekonstruktion geführt hat.

Die Sofortimplantation im Seitenzahnbereich mit der Insertion von keramischen Implantaten zur Einzelzahnversorgung war von wenig Erfolg gekrönt. Damit konkurrierten – damals und auch noch heute – zahnanaloge Implantate mit kleinvolumigen Schraubenimplanta

Die 80er waren die Forschungsjahre

In der Mitte der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts begann die intensive Forschung über das hart- und weichgewebliche Verhalten von Implantaten. Die Wissenschaftler und Firmen überboten sich mit neuen Erkenntnissen, neuen Designs und neuen Methoden. Knochenkongruente Implantatbettaufbereitung, Innenkühlung, die prothetische Rekonstruktion von Einzelzahn-versorgungen oder die Verblockung zwischen dem natürlichen Zahnsystem und Implantaten wurden weiterentwickelt [2,55,68].

Ziel der Betrachtung der subtraktiven Oberflächen waren sicherere und kürzere Einheilzeiten und programmier-bare Erfolgsaussichten. Das Schraubendesign hatte sich inzwischen neben dem Zylinder durchgesetzt. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, auf eine bemerkenswerte Entwicklung in der DDR hinzuweisen . Graf und Knöfler beschrieben, ohne Kontakt zum Westen rein auf sich gestellt, eine völlig neue Oberfläche, die in der Mitte der 80er-Jahre als „Ticer-Oberfläche“ in die Wissenschaft einging. Sie erodierten die Titanoberfläche und schafften damit ein der gestrahlten und geätzten Oberfläche vergleichbares Relief [21,42,43].

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die weiterentwickelten technischen Fortschritte waren die Basis für neue Möglichkeiten in der Einzelzahnimplantologie, die sich im Laufe der Jahre immer mehr durchsetzte. Dazu musste die Verbindung zwischen Implantatkörper und Abutment verbessert werden. Die rotationsgesicherte Innengeometrie wurde geschaffen. Mit dem HATI (Abbildung 22) und dem FRIALIT-2 (Abbildung 23) wurden Implantate inauguriert, die rotationsgesichert form- und kraftschlüssig waren. Die Einzelzahnversorgung konnte damit sicherer gestaltet werden als mit äußerem Sechskant oder einer aufwendig konstruierten verschraubten Einzelzahnversorgung. In der Arbeitsgruppe um Matthis, Frischherz und Ledermann entstand das HATI-Implantat [48], das auf der Entwicklung der neuen Ledermann-Schraube aufbaute, während Hartmann (Abbildung 27) mit dem FRIALIT-2 das Tübinger Sofortimplantat zur Grundlage nahm [24].

Die Innengeometrie heutiger Implan-tate in vielen Designs mit unterschied-lichen Ausfertigungen orientiert sich ausschließlich an der Präzision oder der Mikrobeweglichkeit zwischen Implantatkörper und Aufbau, die wiederum für den Knochenabbau um die Implantate verantwortlich ist. Mit einteiligen Implantaten wird versucht, dem entgegenzuwirken, was uns aber wieder zu den Anfängen der zahnmedizinisch enossalen Implantation führt.

Da Spalträume kaum vermieden werden können, wurden sie nach innen gelegt. Nentwig und Moser entwickelten bereits 1986 das NM-Implantat zu einem Zeitpunkt, als der Begriff platform switching noch nicht geprägt war [14,59,63]. Aus dem NM-Implantat entstand später das Ankylos-Implantat. Designbedingt wird auch das Astra-Implantat mit einem reduzierten Kronenaufbau geliefert.

Die Materialfrage für Implantate wurde mit den keramischen Implantaten neu aufgelegt, diesmal auf der Basis von Zirkoniumdioxyd [57]. Diese haben eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den früheren Implantaten nach Brinkmann oder Sandhaus, die allerdings aus Aluminiumoxyd (Abbildung 8) bestanden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sie bessere Ergebnisse bieten, als wir sie aus der früheren Phase der Keramikimplantate kennen [45].

Die dritte Dimension

Eine völlig neue Entwicklung sind 3D-Verfahren, um die Implantatposition und damit die präimplantologische Diagnostik zu verbessern. Auf dem Gebiet des CT, der Bilderfassung und der Umsetzung in reale oder präzise Positionsbestimmungen wird noch einige Entwicklung notwendig sein, um auch den Forderungen nach einer sofortigen Belastung der Implantate mit ähnlichen Erfolgsaussichten wie in der konventionellen Implantologie nachzukommen [72].

Sofortbelastung und Sofortimplantation sind altbewährt und wissenschaftlich fundiert. in den Anfangsjahren von Brånemark und Schröder, Schulte und Ledermann steckten die gezielten Erkenntnisse um Oberflächen oder Osseointegration, um ästhetische Rekonstruktionen, Frühbelastung und präzise Diagnostik in den Kinderschuhen. Sie wussten nichts über GTR- oder GBR-Maßnahmen [10,32], Knochentransplantationen in Kieferareale, Membrantechnologien oder BMP-Materialien, um die Knochenquantität zu verbessern. Sie konnten nur die vorgegebenen Verhältnisse nutzen und zielten vornehmlich ab auf die Funktion. Sie legten jedoch die Grundlagen für die Ästhetik, die heute von vielen Autoren in das Zentrum ihrer Betrachtungen gestellt wird.

Damit schließt sich der Kreis. Vieles, was heute vermeintlich als neu angepriesen wird, hat seine tatsächlichen Ursprünge in Erkenntnissen, in empirischen Erkenntnissen der Pioniere der ersten Generation. Wir können ihnen nur dankbar sein, dass sie es – entgegen allen Warnungen und Verleumdungen – gewagt haben, Fremdkörper in den Kieferknochen einzusetzen, um darauf Zahnersatz abzustützen. Auf ihre Erfahrung können wir nicht verzichten.

Blick in die Zukunft

Es sei an dieser Stelle gestattet, auch einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Diagnostik ist notwendig und wird deshalb weiterentwickelt. Die Ansprüche der Patienten an Ästhetik können nicht in allen Fällen befriedigt werden und stoßen technisch wie auch finanziell an gewisse Grenzen. Das Material, sei es Titan oder Zirkoniumdioxyd, ist körperverträglich. Daher sollten auch Hinweise auf Allergisierung unterlassen werden und nicht zu Auseinandersetzungen über Marktanteile verkommen.

Neben aller Technik und Wissenschaft bleiben letztlich der Zahnarzt und der Patient als Individuen erhalten. Wichtig ist aber noch viel mehr: so zum Beispiel die Ausbildung, die Kooperation und Kommunikation mit dem einzelnen Patienten und dessen Bedürfnisse oder die Koordination des implantologischen Teams. Die Universitäten, wissenschaftlichen Gesellschaften und Landeszahnärztekammern haben viel dazu beigetragen, dass der einzelne Zahnarzt entsprechend dem heutigen Standard implantologisch ausgebildet wird. So sehr die Weiterentwicklung zu begrüßen ist, so sehr muss der einzelne Zahnarzt auch verantwortlich seine eigenen Grenzen erkennen. Die Implantologie soll eine sehr erfolgreiche Therapie bleiben. Derjenige, der noch nicht erfahren ist, sollte sich indikationsgerecht weiterentwickeln. Titel alleine sind kein Garant für den Erfolg.

Hans-Jürgen HartmannMidgardstr.1882327 Tutzinghartmann.tutzing@t-online.de

   

 

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