Politische Farbenleere
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wie hätten Sie’s denn gern? Schwarz, schwarz-gelb, -grün oder -rot, ampelmäßig rot-gelb-grün, jamaikanisch schwarz-grüngelb oder nur rot, ganz rot-rot oder gar rotrot-grün? Ihre Vorstellung in Ehren, aber die Farbenleere zur Bundestagswahl verspricht wenig Buntes. Inhaltlich wirkt der Wahlkampf eher kraft- und konturlos. Trotzdem: Die Entscheidung, wie sich die Bänke im Parlament künftig „einfärben“, obliegt dem Bürger. Die Meinungsforscher wollen erfahren haben, dass bis zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zur letzten Wahl schon mehr Wähler wissen, was sie wählen oder was sie höchstwahrscheinlich wählen wollen. Sie auch, liebe Kolleginnen und Kollegen? Für die Zahnärzteschaft ist es schon wichtig, was uns unter welcher Konstellation in der nächsten Legislatur erwartet. Die KZBV hat nachgehakt und mit ihren an eigenen Positionen ausgerichteten Wahlprüfsteinen Antworten von allen relevanten Parteien eingeholt.
Wir wollten wissen, was hinter dem gesundheitspolitischen Grauschleier der jetzigen Koalition liegt, welche Farbtupfer neben den großen Volksparteien die Komplementärfraktionen einbringen wollen. Das Ergebnis leistet seinen Beitrag, manchen vermeintlich weißen Flecken unserer gesundheitspolitischen Zukunft besser zuzuordnen. Doch vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie mir: Statt weißer Flecken herrscht das triste Grau des Unkonkreten, oder auch: Je kleiner die Partei, desto konkreter manche Antwort.
Am wenigsten überraschen dürfte, dass alle Parteien dem Patienten das Recht auf freie Arztwahl erhalten wollen. Erstaunen kann auch nicht, dass bis auf die Linke alle Parteien den Zahnärzten bestätigen, dass sie mit der Einführung des Festzuschusssystems im Zahnersatz eine gute Arbeit geleistet haben. Doch was ist mit unserer Forderung nach einer Angleichung der Honorare im Osten an die im Westen? Wohl wissend, dass in Sachen Geld bei den Ärzten in den letzten Monaten heftig grundiert wurde, über Baden-Württemberg sogar noch einmal manche Tube ausgedrückt werden soll, gibt es für uns selbstverständlich vor der Wahl kein klares Nein.
Aber es gibt Einschränkungen oder Bedingungen: Das reicht vom „grundsätzlichen“ Dafür (CDU/CSU) über das Verknüpfen mit einem „Kompromiss“ zwischen Zahnärzteschaft und Bundesregierung in Sachen GOZ (was auch immer das miteinander zu tun hat!) bis zum „schnellstmöglich“ der Liberalen – inklusive Abschaffung der Budgetierung – oder einem „zwingend“ seitens Bündnis 90 / Die Grünen und der Forderung nach „gerechter Verteilung“ zwischen Ost und West seitens „Die Linke“. Warum ziert sich hier die CDU vor einer klaren Aussage? Schließlich gab es doch solche gleich nach der Wahl! Warum sagt die SPD nicht offen, dass aus ihrer Sicht (erneut) die Zahnärzteschaft in den alten Bundesländern die Anpassung bezahlen soll?
„Gerecht“ soll es für „Die Linke“ auch in Sachen Budgetierung zugehen. Nicht das Budget, die Verteilung sei das Problem. Bis zur SPD und zu den Grünen bleibt in dieser Frage kaum Abstand: Budgets haben sich bewährt, meinen die Sozialdemokraten; sie sind als Ausgabensteuerungsinstrument nötig, pflichten die Grünen bei. Beweglicher zeigen sich da schon die C-Parteien. Sie fordern immerhin den konstruktiven Dialog. Das Ziel sind Kurskorrekturen. Doch in welche Richtung? Im Nebel des Wahltaktischen ist das nur schwer auszumachen. Wir werden Vorschläge unterbreiten.
Zur Kardinalfrage einer kollektiven Selbstverwaltung versus selektiven Verträgen denkt die Politik keinesfalls in schwarz-weiß: Der Selektivvertrag bleibt wichtig, aber ohne kollektive Absicherung geht nichts. Scheinbar kommt in Sachen Versorgungssicherung nach den Schwierigkeiten der letzten Monate wieder etwas Vernunft und Licht ins Spiel. Dass man bereit ist, aus Fehlern zu lernen, lässt in Sachen Politik doch noch hoffen.
Dennoch: Selbst wenn es sich bei der einen oder anderen Antwort um den berühmten Wahlversprecher handelt, die Abfrage der KZBV bringt schon jetzt politische Tuchfühlung: Unsere Wahlprüfsteine haben vermittelt, was wir wollen! Die Antworten auf unsere Positionen, die Grundlage unserer Wahlprüfsteine sind, werden notwendigerweise konkreter. Wir Wähler werden entscheiden, welche Farben mehr strahlen (sollen). Im Übrigen: Wer unsere Stimmen haben will, der darf das auch gern sagen! Das wäre dann politische Farbenlehre.
Mit freundlichen, kollegialen Grüßen
Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV