Interessenlage beachten
Keine Begründung, nur ein eher lapidarer Ausdruck des Bedauerns – so liest sich die schriftliche Ablehnung der seit Beginn der Bankverbindung einmal im Jahr üblichen Bitte von Gregor M., seinen Überziehungskredit auf dem Praxiskonto für sechs Monate von 25 000 auf 40 000 Euro zu erhöhen. Zum Hintergrund: M. benötigt diesen zusätzlichen Finanzierungsspielraum für die vor allem durch Sonderzahlungen an seine Mitarbeiterinnen und durch größere Praxisrechnungen verursachte erhöhte Inanspruchnahme seines Überziehungskredits. Während der vergangenen Jahre hat es diesbezüglich nicht ein einziges Mal Probleme mit dem seit dieser Zeit für ihn zuständigen Bankmitarbeiter gegeben. Nachdem die befriedigende Bonität von M. zu Beginn der Geschäftsverbindung zunächst anhand der wirtschaftlichen Zahlen der Praxis und der folgenden, im Monatsrhythmus erstellten betriebswirtschaftlichen Auswertungen festgestellt und immer wieder bestätigt wurde, erfolgten die weiteren vorübergehenden Erhöhungen des Kreditrahmens fast wie ein „Dauerauftrag“. Einmal im Jahr vom Steuerberater angefertigte Liquiditäts- und Rentabilitätsprognosen unterstützten die Bankeinschätzung.
„... sehen wir uns derzeit nicht in der Lage ...“
Im erwähnten Bankschreiben wurde die fehlende Begründung um den Allgemeinplatz ergänzt, „… dass sich das Kreditmanagement derzeit nicht in der Lage sieht, einer erneuten Ausweitung der Kreditverbindlichkeiten zuzustimmen“.
Einmal abgesehen davon, dass es zwischen M. und seinem Ansprechpartner in der Bank bisher üblich war, Probleme zunächst telefonisch zu bereden, wunderte sich M. über die offenbar geänderte Zuständigkeit: Während sein Kundenberater nach eigener Aussage zum Bankenvertrieb gehört, ist gemäß dem Schreiben nun offenbar das Kreditmanagement zuständig. Dies wäre für M. natürlich noch hinnehmbar, wenn sich an der bisherigen Finanzierungspraxis nichts ändern würde. Danach sieht es nun allerdings nicht mehr aus: nach einem mittlerweile erfolgten Telefongespräch mit einem anderen Bankmitarbeiter (der eigentlich zuständige Kundenberater befindet sich im Urlaub) wurden M. die internen Zusammenhänge im Kreditgeschäft seiner Bank verdeutlicht. Danach wird das Kreditgeschäft von zwei Bereichen, dem Vertrieb und dem Kreditmanagement, getragen. Während der Vertrieb in erster Linie für Kreditumsatz und Kreditwachstum verantwortlich ist, liegt der wesentliche Aufgabenbereich des Kreditmanagements „im Erkennen und Verringern von Bonitätsrisiken“, so die etwas umständliche telefonische Erklärung. Beide Bereiche sind danach für die jeweilige Kreditvergabe gemeinsam zuständig, allerdings mit den genannten unterschiedlichen Schwerpunkten. Diese „unterschiedlichen Schwerpunkte“ sind für M. nun auch im persönlichen Bereich klar nachvollziehbar: Während der Vertriebsmitarbeiter den Kunden auch als unmittelbaren Gesprächspartner kennt und die persönliche Zuverlässigkeit nicht nur durch die Auswertung betriebswirtschaftlicher Zahlen herleitet, orientiert sich der zuständige Mitarbeiter des Kreditmanagements nahezu ausschließlich an den ihm vorliegenden Unterlagen. Persönliche Kontakte zum Kreditnehmer sind nach wie vor die Ausnahme. Vor dem Hintergrund dieser bankinternen Rollenverteilung ist es aus Sicht von M. also durchaus verständlich, dass es im Vorfeld einer Kreditentscheidung oft zu intensiven Diskussionen der jeweiligen Bankmitarbeiter kommt, bevor letztlich eine Zusage oder Ablehnung des Kreditwunsches erfolgt.
Das persönliche Gespräch suchen
Bei M. liegt der Fall offensichtlich ähnlich: Gab es während der vergangenen Jahre keinerlei Probleme in der Abstimmung zwischen Vertrieb und Kreditmanagement, scheint sich das Blatt nun zu wenden. Wie M. im Verlauf des erwähnten Telefongesprächs nämlich weiter erfuhr, ist der Kreditsachbearbeiter des Kreditmanagements nicht mehr bereit, Krediterhöhungen „quasi auf Zuruf“ zu genehmigen. Ab sofort muss jedes Mal ein neuer Kreditantrag gestellt und entsprechend vorbereitet werden. Für das eher unpersönliche Schreiben entschuldigt sich der Bankmitarbeiter. Er führt dies vor allem auf die urlaubsbedingte Abwesenheit seines Kollegen zurück, der den Versand dieses Schreibens „wohl verhindert und stattdessen mit dem Kunden telefoniert hätte“. Einer Krediterhöhung steht für ihn nach der Urlaubsrückkehr seines Kollegen übrigens nichts im Wege.
M. wird, Kreditverlängerung hin oder her, nun jedenfalls die Konsequenzen aus der Situation ziehen. Dazu gehört einerseits ein persönliches Gespräch mit seinem bisherigen Ansprechpartner über die zukünftigen Anforderungen an die weiterhin erforderlichen Krediterhöhungen und andererseits eine Intensivierung der Geschäftsverbindung mit seiner Zweitbank. Diese führt bisher, im Vergleich zur Hausbank von M., eher ein finanzielles Schattendasein. Das dürfte sich nun ändern, da M. sicherstellen will, dass ihm zumindest ein Kreditinstitut kurzfristig und, soweit möglich, auch weitgehend komplikationslos bei anstehenden Finanzierungen behilflich ist.
Michael Vettervetter-finanz@t-online.de