Privatmedizin mit zunehmender Bedeutung
Der Wechsel von der schwarz-roten zur schwarz-gelben Koalition im Bundestag hat bei vielen Ärzten und Zahnärzten Hoffnungen geweckt, die sich möglicherweise nicht erfüllen werden. Dies mag vielleicht auch für die Novelle der zahnärztlichen Gebührenordnung (GOZ) gelten: „Ob mit der Verschiebung der GOZ-Novellierung in die neue Legislaturperiode die strittige Öffnungsklausel und die Absicht des Gesetzgebers, die neuen GOZ- und GOÄ-Novellen kostenneutral umzusetzen, weg vom Tisch sind, muss bezweifelt werden“, so Dr. Regina Klakow-Franck, Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Bundesärztekammer (BÄK) und Leiterin der Dezernate GOÄ und Qualitätssicherung auf dem 1. Bundeskongress Privatmedizin in Köln. Klakow-Franck äußerte zugleich erhebliche verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen die geplante neue Öffnungsklausel nach § 2a GOZ-E, die den Abschluss von Selektivverträgen, eine freie Preisgestaltung und die Lenkung der Patientenströme ermöglichen soll.
Das Angebot des Bundesgesundheitsministeriums und des Verbands der privaten Krankenversicherer (PKV), via Öffnungsklausel privatärztliche beziehungsweise -zahnärztliche Verträge jenseits der Gebührenordnungen auszuhandeln, führe zu einer Schwächung der individuellen Vertragsautonomie und zu Rosinenpickerei, betonte die Stellvertretende BÄK-Hauptgeschäftsführerin. Ferner beinhalte die Klausel das Risiko einer schleichenden Ablösung der Kostenerstattung durch die Direktabrechnung zwischen Leistungserbringer und PKV. Ärzte und Zahnärzte könnten zudem auch ohne neue Öffnungsklausel bereits freiwillige Honorarvereinbarungen treffen. Wann die geplanten Novellen in Kraft treten könnten, sei unklar. „Vorrang hat auf jeden Fall die verschobene GOZ-Novelle“, so die Gebührenordnungsexpertin.
Dauerkrise in der GKV
Derweil bemühen sich die privaten Krankenversicherer, den Kollateralschaden, der ihnen durch die Dauerkrise des GKV-Systems entstanden ist, so klein wie möglich zu halten. Zu schaffen macht den Versicherern vor allem der mit dem Wettbewerbsstärkungsgesetz eingeführte Basistarif. Je mehr PKV-Kunden vom Wechselrecht Gebrauch machten, desto stärker müssten die Versicherer den Basistarif durch Erhöhung der Beiträge für die klassischen PKV-Tarife subventionieren, so Christian Weber, zweiter Stellvertretender Verbandsdirektor des Verbands der privaten Krankenversicherung. Die Zahl der Versicherten mit Basistarif sei allein zwischen Januar und September 2009 von 5 335 auf 11 394 gestiegen. Auch immer mehr Neukunden interessierten sich vornehmlich für „schlankere“ Tarife und weniger für eine Vollversicherung.
„Die Frage ist nicht, ob die PKV sich mehr in Richtung Voll- oder Zusatzversicherung entwickeln sollte“, so Weber. Vielmehr gelte es, den bestehenden Standard zu sichern. Hierfür benötige die PKV auch die Hilfe der Ärzte und Zahnärzte. Sie sollten zum Beispiel beim Serviceangebot der Tatsache Rechnung tragen, dass PKV-Patienten mit einem Basistarif keine „typischen“ Privatpatienten sind.
Rechtsanwalt Dr. Ingo Pflugmacher von der Sozietät Busse und Miessen in Bonn empfahl, Privatpatienten vor Behandlungsbeginn grundsätzlich über etwaige Zweifel an der Erstattungsfähigkeit der Therapiekosten durch die private Krankenversicherung aufzuklären, um sich vor Zahlungsausfällen zu schützen. „Brutale Aufklärung schafft Vertrauen und erspart den Anwalt“, so Pflugmacher.
Carsten Bischoff, Geschäftsführer der Go Dentis GmbH, wies zudem auf die Möglichkeit hin, eine Franchise-Partnerschaft im Rahmen eines Qualitätsnetzwerks einzugehen, um im Wettbewerb mit anderen Praxen bestehen zu können. Das Go Dentis-Netzwerk, eine Tochter der Deutschen Krankenversicherungs AG, verfüge bereits über 300 Partnerpraxen. Schwerpunkte des Konzepts bildeten eine professionelle Zahnprophylaxe und qualitätsgesicherter Zahnersatz „made in Germany“, so Bischoff. Ziel sei es, die Qualität und somit den Umsatz durch zertifizierte Prozesse in der Praxis und bei der Behandlung zu steigern.
Das Go Dentis-Netzwerk wird – als eine spezielle Form von Selektivverträgen – von der Zahnärzteschaft kritisch gesehen.
Petra SpielbergChristian-Gau-Straße 2450933 Köln