Kommunikation mit dementiell erkrankten Patienten in der zahnärztlichen Praxis

Die Brille im Eisfach, den Schlüssel im Keller und Zahnschmerzen

Die Struktur der Patientenklientel verschiebt sich analog zur demografischen ­Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur. Immer mehr wird der Zahnarzt mit dementen Patienten zu tun haben, jedoch sein herkömmliches „Umgangsmuster“ fahren, das zwangsläufig zu einer schlechten Compliance führen wird oder gar Unmut aufkommen lässt. Die Autorin ist Zahnärztin und Gerontologin und damit Spezialistin für genau diese Fragen. Sie gibt Auskunft über die ersten Anzeichen der Demenzerkrankung, ihre verschiedenen Stadien sowie Tipps zum Umgang mit erkrankten Patienten.

„Bitte spülen“ ist eine einfache Anweisung, die in jeder Zahnarztpraxis mehrmals täglich gegeben wird. Ein gesunder Patient weiß genau, wie er zu reagieren hat, bei einem Demenzkranken können diese Worte auf Unverständnis stoßen. Aufgrund seiner kognitiven Defizite ist er zunehmend nicht mehr in der Lage, selbst einfache Informationen aus der Umwelt aufzunehmen, ihre Bedeutung zu erkennen und darauf folgerichtig zu reagieren. Sehr schnell kann ein Zahnarzttermin für den Betroffenen und die pflegenden Angehörigen und das Praxispersonal zu einer großen Belastung werden. Um Missverständnisse und aufkeimende Ängste im Verlauf der zahnärztlichen Behandlung bei allen Beteiligten zu vermeiden, ist es für den Zahnarzt und sein Team hilfreich, die Grundregeln der Kommunikation sowie den Krankheitsverlauf einer Demenz zu kennen.

Grundlagen der Kommunikation

Zwischenmenschliche Kommunikation bezeichnet den wechselseitigen Austausch von Informationen, Erfahrungen, Gedanken, Gefühlen oder Wünschen und basiert auf einem einfachen Prinzip. Es existiert ein Sender, der seinem Gegenüber etwas mitteilen möchte. Aus diesem Grunde formuliert er eine Nachricht, die er dem Empfänger sendet. Dessen Aufgabe ist es nun, diese Nachricht zu entschlüsseln. Stimmen die gesendete und die empfangene Nachricht in etwa überein, dann hat eine Verständigung stattgefunden.

• Verbale Signale: Viele Konflikte des täglichen Lebens entstehen, da der Sender mit seiner Botschaft nicht nur sachbezogene ­Informationen übermitteln will. In fast jeder Nachricht verstecken sich Appelle, Wünsche oder Beziehungsinhalte, die vom Empfänger anders als gedacht interpretiert werden können. Erfolgreiche Kommunikation kann nur stattfinden, wenn diese versteckten ­Botschaften richtig verstanden werden. Dabei wird nur ein Bruchteil aller Informationen verbal, also über die Worte und Sätze übermittelt, die wir äußern. Tonfall, Lautstärke oder Geschwindigkeit unserer Äußerungen versenden zusätzliche paraverbale Botschaften.

• Nonverbale Signale: Eine weitere Möglichkeit der Kommunikation besteht im Übersenden nonverbaler Signale, wie durch die Sprache des Körpers. Körpersignale werden über Mimik, Blicke, Gesten und Körperbewegungen ausgedrückt.

Störung bei Sender und/oder Empfänger

Obwohl die Menschen dieselbe Sprache sprechen, kommt es häufig in Gesprächen zu Missverständnissen und anschließenden Konflikten. Weitaus schwieriger gestaltet sich die Kommunikation, wenn der Empfänger an einer demenziellen Erkrankung leidet, da durch die fortschreitende cerebrale Leistungsminderung sein Sprachverständnis immer stärker eingeschränkt wird. Ein dementer Empfänger versteht den Sinn einer gesendeten Nachricht oft falsch oder im schlimmsten Fall gar nicht. Aufgrund seiner mangelnden kognitiven Fähigkeiten ist er nicht mehr in der Lage, seine Gedanken und Wünsche verbal mitzuteilen. Er kann den Sender weder fragen, wenn ihm etwas unklar ist, noch seinem Gesprächspartner eine Rückmeldung geben, wenn er etwas verstanden hat. Der Sender wird vergebens auf ein angemessenes Feedback warten. Trotz dieser Hindernisse ist auch mit dementen Patienten eine Kommunikation möglich. Sie erfordert jedoch viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Auch, wenn der Sinn des gesprochenen Wortes nicht mehr verstanden wird, so bleibt dem Dementen die Fähigkeit der nonverbalen Kommunikation sehr lange erhalten. Da die Patienten überaus sensibel und feinfühlig sind, kann über die Körpersprache mit einem Demenzpatienten auf der Gefühls­ebene Kontakt aufgenommen werden.

Krankheitsverlauf der Demenz

Um im Praxisalltag die Kommunikation mit einem Demenzkranken erfolgreich gestalten und auf die Bedürfnisse des Patienten eingehen zu können, sind genaue Kenntnisse über den Verlauf dieser ­Erkrankung und die daraus resultierenden Veränderungen in Verhalten und Sprache unbedingt erforderlich.

Bei dieser Alterserkrankung handelt es sich um eine progrediente, degenerative, organische Veränderung des Gehirns, die mit dem Verlust bereits erworbener kognitiver Fähigkeiten einhergeht.

Typische Anzeichen sind eine Verschlechterung der Gedächtnisfunktionen, des Denkvermögens, der Sprache, der Urteilsfähigkeit und der Orientierung.

Die häufigste Demenzform ist die Demenz vom Alzheimer-Typ mit einem Anteil von 60 bis 70 Prozent aller Fälle.Die Alzheimerkrankheit beginnt in den meisten Fällen schleichend und verläuft über lange Zeit weitgehend unbemerkt.

Der Verlauf der Erkrankung lässt sich in drei Phasen einteilen:

• Erstes Stadium

In der ersten Phase der Krankheit stehen die Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Lernfähigkeit im Vordergrund. Es fällt den Patienten immer schwerer, sich an kurz zurückliegende Ereignisse zu erinnern und sich neue Gedächtnisinhalte einzuprägen. Diese Symptome werden allzu gerne als eine normale Altersvergesslichkeit bagatellisiert.

Durch die nachlassende räumliche und zeitliche Orientierung wird der Alltag deutlich erschwert. In der zahnärztlichen Praxis fallen ehemals zuverlässige Patienten dadurch auf, dass sie die vereinbarten Behandlungstermine nicht mehr einhalten. Das liegt zum einen daran, dass sie die Termine vergessen haben, zum anderen aber nicht mehr in der Lage sind, den Weg zur Zahnarztpraxis zu finden, der ihnen oft über Jahre vertraut war.

Es kann auch immer häufiger passieren, dass Patienten ihre Termine verwechseln, weil sie die Wochentage nicht mehr unterscheiden können. Auch innerhalb der Praxisräume haben sie oft Schwierigkeiten sich auf dem Weg ins Behandlungszimmer oder auf die Toilette zurechtzufinden.

Trotz dieser Defizite können die Erkrankten ein noch weitgehend selbständiges Leben führen, wenngleich sie bei der Durchführung komplexer Tätigkeiten des Alltags, wie zum Beispiel Kochen, Einkaufen, Behördengänge oder Bankgeschäfte, auf Unterstützung angewiesen sind.

In diesem frühen Stadium der Alzheimer­demenz sind sich die Patienten ihrer Erkrankung bewusst und nehmen die schleichenden Veränderungen und die bei ihnen ­auftretenden Leistungsdefizite in vollem Ausmaß wahr. Sie reagieren mit negativen Gefühlen wie Ärger, Wut, Angst oder Scham bis hin zur Verzweiflung.

Mit geeigneten Strategien versuchen sie, ihre Vergesslichkeit vor ihren Mitmenschen zu vertuschen und eine Fassade der Normalität aufrechtzuerhalten. So werden Merkzettel geschrieben, zum Beispiel mit der eigenen Adresse, damit sie den Weg nach Hause ­sicher wiederfinden. In ihrer Not beschuldigen sie Angehörige oder erfinden Notlügen, um aus einer peinlichen Situation zu entkommen. Immer häufiger vermeiden sie ­Situationen, denen sie sich nicht mehr ­gewachsen fühlen, so auch den Zahnarztbesuch. In dieser Krankheitsphase bagatellisieren oder verleugnen die Patienten ihre Probleme aus Angst vor der Konfrontation mit ihren Fehlern und aus Angst, den Lebensstil und die Selbständigkeit aufgeben zu müssen und als unmündig und dement abgestempelt zu werden.

Bei genauer Beobachtung können Veränderungen in der Sprache des Patienten dem Zahnarzt und dem Praxisteam erste Hinweise auf eine demenzielle Erkrankung liefern. Neben einer deutlichen Verlangsamung des Sprechtempos leidet der Demenzkranke unter zunehmenden Wortfindungsstörungen und Schwierigkeiten bei der Benennung ­bekannter Gegenstände. Dies versucht er mit Füllwörtern wie „Dings da“ oder „Sie wissen schon“ zu kompensieren, wodurch die Präzision seiner Äußerung leidet. Immer häufiger passiert es ihm, dass er mitten im Satz abbricht, weil er vergessen hat, was er mitteilen wollte. In einer geselligen Runde kann er dem Gespräch nicht mehr folgen, was ihn sehr häufig dazu veranlasst, auf ­soziale Kontakte zu verzichten und sich ­zurückzuziehen.

Anstehende aufwendige zahnärztliche Behandlungen sollten demnach nur noch gemeinsam mit den Angehörigen geplant und abgesprochen werden, da sie für die Ein­haltung der Termine und auch für die regelmäßig durchgeführten Mundhygienemaßnahmen die Verantwortung übernehmen müssen.

• Mittleres Stadium

Verlust der kognitiven FähigkeitenMit dem Fortschreiten der Erkrankung, also im mittleren Stadium, nehmen die kognitiven Einbußen deutlich zu. Jetzt ist die Phase gekommen, in der die Zeitung im Kühlschrank und die Armbanduhr in der Zuckerdose gefunden werden. Bei zunehmender Vergesslichkeit entstehen immer mehr Probleme bei der Bewältigung von Routineaufgaben, so dass alltägliche Verrichtungen wie Einkaufen, Nahrungsaufnahme, Körperpflege oder Anziehen kaum noch selbständig erledigt werden können. Um die Patienten vor gefährlichen Situationen zu schützen, die sie selbst nicht mehr einschätzen können, ist nun eine durchgehende Betreuung notwendig.Verlust der OrientierungDie Orientierung in vertrauten Räumen verschlechtert sich zunehmend, selbst in der eigenen Wohnung hat der Patient Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Ein Besuch in einer Zahnarztpraxis wird ohne Hilfe nicht mehr möglich sein. Wenn dem Patienten die Räumlichkeiten schon viele Jahre bekannt waren, wird er sie plötzlich als fremd empfinden.Verlust des ZeitgefühlsAuch das Zeitgitter verliert sich immer mehr. Er kann Tage, Monate oder Jahreszeiten nicht mehr auseinander halten. Der Begriff „Donnerstag“ hat für ihn keine andere Bedeutung als „Ostern“. Ebenso geht das ­abstrakte Gefühl für Zahlen geht verloren, selbst wenn er sich noch eine Telefonnummer merken könnte, würde er diese Zahlenfolge nicht als solche identifizieren und letztendlich nicht in der Lage sein, ein Telefon zu bedienen.

Besondere VerhaltensauffälligkeitenWeitaus belastender für die pflegenden Angehörigen sind die Verhaltensauffälligkeiten der Erkrankten, die den häufigsten Grund für eine Heimeinweisung darstellen. Die ­Demenzkranken leiden unter einer inneren Unruhe, sie wandern ziellos umher und erschweren mitunter das Zusammenleben durch eine unkontrollierbare Weglauftendenz. Ohne ersichtlichen Grund ändert sich ihre Stimmung von einer Sekunde auf die andere.Demente sind leicht reizbar, aggressiv und misstrauisch und leiden häufig zusätzlich unter Halluzinationen, illusionären Verkennungen oder Wahnvorstellungen. Die Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus bringt die ohnehin schon stark belasteten, pflegenden Angehörigen an ihre Grenzen.

Die Kommunikation mit dementen Patienten in der Zahnarztpraxis wird zunehmend schwieriger, da es in diesem mittleren Stadium der Erkrankung zu ausgeprägteren Störungen der Sprache und des Sprachverständnisses kommt. Im Vordergrund steht die Unfähigkeit der Patienten, Sätze sinnvoll zu Ende zu führen beziehungsweise auf gestellte Fragen die passenden Antworten zu geben. Sie wiederholen stereotyp die gleichen Redensarten oder Worte. Ihre Äußerungen reduzieren sich immer mehr auf ­inhaltsleere Phrasen.

Spätestens im mittleren Stadium der Demenz müssen die Angehörigen in Mund­hygienemaßnahmen unterwiesen werden, da eine selbständige, regelmäßige Reinigung der Mundhöhle von den Betroffenen nicht mehr erwartet werden kann.

• Drittes Stadium

Etwa sechs bis sieben Jahre nach Diagnosestellung beginnt das dritte Stadium der ­Erkrankung.Die kognitiven Einschränkungen sind so weit fortgeschritten, dass die Patienten selbst die einfachsten Anliegen nicht mehr adäquat verbal äußern können. Der Zugriff auf das Langzeitgedächtnis geht nun verloren, so dass die letzten Erinnerungen an die eigene Biographie eingebüßt werden. Die Betroffenen wissen nicht mehr, wie sie heißen, woher sie kommen oder welchen Beruf sie ihr Leben lang ausgeübt haben. Sie erkennen ihre Partner nicht mehr, die Kinder sind Fremde ohne Namen.

Da sie in diesem Stadium der Erkrankung vollends die Kontrolle über ihre Körperfunktionen verlieren, sind sie in allen Bereichen des täglichen Lebens auf Hilfe angewiesen.

Schluckstörungen stellen grundsätzlich ein pflegerisches Problem bei der Nahrungsaufnahme dar, sollten aber auch bei einer notwendigen, zahnärztlichen Behandlung berücksichtigt werden.

Ihre vornübergebeugte Haltung in Verbindung mit ihrem kleinschrittigen, schleppenden Gang erhöht bei fehlenden Halte­reflexen, das Sturzrisiko deutlich. Langfristig werden die meisten Alzheimerpatienten durch den Verfall ihrer körperlichen Kräfte bettlägerig. Die häufigste Todesursache ist eine Lungenentzündung.Im letzen Stadium der Erkrankung kommt es zu massiven Einbrüchen in der Kom­munikation. Die Sprache versiegt nun fast vollständig, einige wenige Wörter werden immer wieder ohne Sinn im falschen ­Kontext gebraucht. Oft verstummt der ­Patient.

Gefühlswelt bleibt erhalten

Auch, wenn nun die verbale Kommunikation nicht mehr möglich ist, bleibt dem Patienten nach wie vor seine Gefühlswelt. Auf emotionale Veränderungen, besonders im zwischenmenschlichen Bereich, reagiert er äußerst sensibel. Deshalb ist es ausgesprochen hilfreich zu versuchen, sich immer ­wieder in die Gefühlswelt des Dementen ­hineinzuversetzen, um mit ihm in Kontakt zu bleiben.

Wenn also die gesprochene Sprache verloren geht, muss der Sender seinem Gegenüber seine Nachricht nonverbal mit der Körpersprache oder paraverbal mit dem Einsatz seiner Stimme übermitteln. Bei jedem Gespräch mit einem dementen Patienten ist direkter Blickkontakt – möglichst auf gleicher Augenhöhe – unabdingbar, damit auch die Mimik des Gesprächspartners gut erkennbar ist.

Der Einsatz von positiven Gesten oder einem Lächeln sind bestens dazu geeignet, dem Patienten ein Gefühl von Nähe und ­Sicherheit zu vermitteln und eine positive Grundstimmung aufzubauen. Bei einem dementen Patienten ist angemessener Körperkontakt nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Die körperliche Berührung bietet eine Möglichkeit dem Patienten Sicherheit zu vermitteln und mit ihm in Kontakt zu bleiben.

Nur Fragen mit Ja- oder Nein-Antworten stellen

Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit Demenzkranken entstehen zum großen Teil durch das nachlassende Gedächtnis, das für das Sprechen und Verstehen von Sprache notwendig ist. Trotzdem sollte immer darauf geachtet werden, dass die Verständigung nicht durch Probleme mit dem Hören und Sehen erschwert wird. Brillen oder Hörgeräte jedes älteren Menschen müssen regelmäßig überprüft werden.Grundsätzlich ist es für die Verständigung sehr wichtig, mit einem Demenzkranken sehr deutlich, langsam und in kurzen Sätzen zu sprechen. Jeder Satz sollte nur eine Information erhalten. Bei zu langen Sätzen besteht die Gefahr, dass der Inhalt des Anfangs schon längst vergessen wurde. Sinnvoller ist es, die Sätze derart zu formulieren, dass die wichtigste Information am Anfang steht und öfter wiederholt wird. Stellen Sie nur kurze Fragen, die mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden können, Wahlfragen kann der Patient für sich nicht mehr entscheiden, sie machen ihn unsicher und ängstlich.

Im Gespräch mit einem Demenzkranken dürfen die Gesprächsthemen auf keinen Fall schnell gewechselt werden, da dies den Patienten deutlich überfordert.

Zum Verstehen von Ironie und Scherzen fehlt dem Demenzkranken die Einsicht, dass der Gesprächspartner etwas anderes sagt, als eigentlich gemeint ist. Auch mit Redensarten ist er intellektuell überfordert.Widerspruch, Kritik oder Vorwürfe helfen nicht, sondern rufen im Gegenteil nur Aggression und Verzweiflung hervor. Konflikten geht man aus dem Weg, indem man das Thema wechselt oder den Patienten ablenkt.

Umgang mit Dementen in der Zahnarztpraxis

Wird bei einem dementen Patienten eine zahnärztliche Behandlung notwendig, sollte schon bei der Terminvergabe eine längere Behandlungszeit eingeplant werden. Um den Patienten und die betreuenden Angehörigen zu entlasten, sind lange Wartezeiten zu vermeiden, da Demente in einer ihnen fremden Umgebung oft ängstlich und unruhig werden. Da jede Veränderung für den Patienten eine Belastung darstellt, ist es empfehlenswert, immer für dieselbe Assistenz zu sorgen. Mundschutz, Handschuhe und grelles, blendendes Licht machen dem Dementen Angst und können, da die verbale Ausdrucksmöglichkeit fehlt, im schlimmsten Fall den Patienten zu Handgreiflichkeiten veranlassen.

Grundsätzlich sollte man sich immer darüber im Klaren sein, dass einem Demenzkranken, der von seinen Angehörigen in eine Zahnarztpraxis gebracht wird, die Einsicht für die Notwendigkeit des Zahnarztbesuches fehlt und er schon deshalb eine ablehnende Haltung einnimmt. Dieser Patient hat aufgrund seiner Erkrankung starke Orientierungsprobleme. Er wird plötzlich aus seiner vertrauten Umgebung herausgerissen und in ein Umfeld gebracht, dem er sich nicht mehr anpassen kann und das ihm Angst macht. Gefangen in seinen kognitiven Defiziten ist es ihm nicht möglich, sich gegen diese Situation zu wehren, indem er seinen Unmut verbal äußert. Er kann nur reagieren indem er zum Beispiel resigniert oder aggressiv wird.

Wird in dieser Situation dem ohnehin schon verunsicherten Patienten die Anweisung „Bitte spülen“ gegeben, wird er völliges ­Unverständnis zeigen.

Der Satz ist zwar knapp und für jeden gesunden Menschen verständlich, ein Dementer jedoch wird ihn möglicherweise nicht verstehen. Da er nicht mit seinem eigenen Namen angesprochen wurde, wird er nicht wissen, dass diese Anweisung ihm galt. Er wird auch nicht wissen, dass dieser Plastikbecher, der vor ihm steht, das Wasser enthält, mit dem er sich den Mund ausspülen kann. Auch wenn er spürt, dass etwas von ihm erwartet wird, fehlen ihm in seiner Sprachlosigkeit die Worte, um Fragen zu stellen.

Um derartige Situationen zu vermeiden, sollte jede Anweisung in möglichst viele Einzelschritte zerlegt werden. Es hat sich dabei bewährt, die Worte immer wieder deutlich und langsam bei gleicher Wortwahl zu wiederholen, bis der Patient die Mitteilung verstanden hat. Ist auf diesem Wege eine Verständigung nicht möglich, kann es sehr hilfreich sein, dem dementen Patienten die Hand zu führen oder die gewünschte Handlung selbst vor zu nehmen.

Im Verlauf ihrer Erkrankung verlieren Demenzkranke die Fähigkeit, krankheitsbedingte Symptome, wie Schmerzen, eindeutig zu beschreiben und zu lokalisieren. Deshalb ist es sehr wichtig, den Dementen genau zu beobachten und auf indirekte Schmerzzeichen zu achten. Änderungen in ihrem Verhalten, wie untypische Unruhe, vermehrter Bewegungsdrang, Schonhaltung, unmotiviertes Schreien oder zum Beispiel bei Zahnschmerzen die Verweigerung der Nahrungsaufnahme, können Hinweise auf möglicherweise vorhandene Schmerzen geben.

Für die zahnärztliche Diagnostik ist die Kommunikation mit dem Patienten unerlässlich. Ist der Austausch von Informationen erschwert oder sogar aufgehoben, wie es bei einer Demenzerkrankung der Fall sein kann, müssen Gesprächsführung und Sprachstil den kognitiven Einschränkungen des Patienten angepasst werden.

Dr. Birgit WiedemannAm Ziegelbaum 5197204 Höchberg

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