Funktionell-ästhetische Wiederherstellung eines komplexen Gesichtstraumas
Schwere, durch Unfälle erlittene Gesichtstraumata gehen oft mit umfassenden Weichteildefekten einher, zum Teil sogar mit Verlust von Haut oder Knochen. Wenn die ursprünglichen Gesichtsformen nicht mehr hergestellt werden können, kann dies für die Patienten zu ausgeprägten Spätschäden, funktionellen Einschränkungen, psychischen Problemen oder Problemen der sozialen Reintegration führen.
Aus diesen Gründen ist eine möglichst optimale funktionell-ästhetische Rekonstruktion anzustreben.
Topografisch kann das Gesicht in Drittel unterteilt werden: Das obere Drittel, welches die Stirn ab dem Haaransatz bis zu den Augenbrauen einschließt, besteht aus dem Os frontale sowie den vorderen Anteilen der Ossa temporalia sowie den Orbitaoberrändern und den Orbitadächern. Hier existieren verschiedene Zugangswege für eine Rekonstruktion. Einige Richtlinien empfehlen den Anfang bei der Frontobasis zu machen, gefolgt von Orbitadächern und Stirn. Von hier aus wird danach die Nasoethmoidalregion und zum Schluss die temporozygomatische Region versorgt.
Andere Richtlinien beginnen mit der regelrechten Reposition der Jochbögen als Schlüssel zur Mittelgesichtsrekonstruktion. Das Mittelgesicht selbst ist von den Augenbrauen bis zum Unterrand der Nase (Columella) definiert und beinhaltet die Augen, die Nase sowie die knöcherne Maxilla. Laut der Literatur [1, 2] sollte die Rekonstruktion am Gaumen beginnen und dann zuerst die vertikale und danach die transversale Dimension stabilisieren. Das untere Drittel beginnt an der Nasenbasis und erstreckt sich bis zum Gnathion am Unterkiefer und umfasst den Alveolarfortsatz von Ober- und Unterkiefer sowie den Unterkiefer selbst. Die Rekonstruktion des Unterkiefers sollte vorne begonnen werden und sich dann über den Kieferwinkel zu den Kondylen fortsetzten. Andere Autoren [1] fordern zunächst die Versorgung der Gelenkfortsätze, danach die Reposition der zahntragenden Kieferabschnitte.
Ausgeprägte Dysgnathien hingegen erfordern ein interdisziplinäres Zusammenarbeiten von Kieferorthopäden und Chirurgen. Im Allgemeinen wird die transversale Dimension korrigiert, bevor die Zahnreihen harmonisiert werden [3]. Die sagittale Position wird behandelt, nachdem die Zahnreihen ausgeformt und Engstände aufgelöst wurden.
Der vorgestellte Fall soll die Behandlung und funktionell-ästhetische Rehabilitation des knöchernen Viszerokraniums und anschließender kieferorthopädisch-kieferchirurgischer Nachbehandlung darstellen, bis zur endgültigen Rekonstruktion und Wiederherstellung der Nase in Form und Funktion.
Kasuistik
Der hier vorgestellte Patient stürzte im Januar 2003 im Alter von 30 Jahren von einem drei Meter hohen Gerüst mit dem Kopf voraus direkt auf ein vertikales Rohr welches ihn zentral in das Mittelgesicht traf. Anschließend wurde der Patient wach und orientiert in den Schockraum der Universitätsklinik eingewiesen, wo er aufgrund starker retromaxillärer Blutung oronasal intubiert werden musste. Es zeigten sich massive offene kombinierte Weichteil- und Knochenverletzungen der Nase, der Orbita und Periorbitalregion mit Akzentuierung der linken Gesichtshälfte. Der Oberkiefer war bei einem auffälligen Diastema mediale klinisch links stark mobil. Die CT-Untersuchung zeigte eine ausgedehnte frontonasale Trümmerfraktur mit Impression des Nasenskeletts, der Nasoethmoialregion sowie einer Impression mit linksbetonter Fragmentdislokation der Stirnhöhle. Zusätzlich zeigten sich eine Sagittalfraktur der Maxilla und eine Le Fort I Fraktur (Abbildungen 1 und 2). Der Patient wurde sofort notfallmäßig versorgt und die Frakturen nach Reposition mit Osteosyntheseplatten stabilisiert.
Während der Primärversorgung war der Patient temporär aufgrund ausgedehnter Weichteilverletzungen submandibulär intubiert worden. Zunächst wurde zur Stabilisierung der Transversalen im Oberkiefer eine Drahtbogen-Kunststoffschienung eingesetzt. Zur Versorgung der Stirnhöhle wurde die vorhandene Weichteilverletzung mit zum Kilian-Augenbrauenschnitt erweitert. Dadurch konnte die Stirnhöhle mit Mikroplatten der Stärke 1,2 mm und Schrauben der Länge 6 mm (Howmedica®, Duisburg) versorgt und eine mediane Silikondrainage für drei Monate eingelegt werden. Anschließend wurde der knöcherne Nasenrücken reponiert und der angrenzende Infraorbitalrand mit Miniplatten versorgt (Normed®, Tuttlingen). Zur weiteren Nasenrekonstruktion mussten multiple kleine Knochenfragmente repositioniert und dann die lateralen Knorpel und der knöcherne Rand der apertura piriformis links refixiert werden. Abschließend wurde die Nase durch zwei Silikonsplints in den Nasenhaupthöhlen aufgerichtet und die plastische Nasenprimärrekonstruktion damit beendet. Durch die massive Knochenzertrümmerung und Knorpeldefekte entstand eine Sattelnase, die später sekundär rekonstruiert werden sollte. Abschließend wurden die linksseitige Le Fort I Fraktur im Oberkiefer sowie die Sagittalfraktur mit Osteosynthesen versorgt. (Normed®, Tuttlingen, Germany).
Im Rahmen dieser Erst-Notfalloperation wurde bei der Kieferreposition offensichtlich, dass bei dem Patienten vor dem Unfall bereits ein starker Fehlbiss im Sinne einer Angle Klasse II,1 (ANB = 7.8 °, anterior facial index = 82.3 Prozent; inter-basis angle MLNL = 14.4°) vorhanden gewesen sein musste [3, 4]. Da zum Zeitpunkt der Notfall-Erstversorgung keine Modelle des Patienten vorhanden waren, erschwerte dies die Rekonstruktion erheblich.
Postoperativ zeigte sich folgender Befund:
Der 30 Jahre alte Patient hatte eine mandibuläre Rethrognathie bei Tendenz zu vertikal tiefer Konfiguration (ANB = 7,8°, Index der anterioren Gesichtshöhen = 82,3 Prozent, Interbasiswinkel = 14,4° entspricht N3). Die Mandibula war nach rechts geschwenkt. Beide Kiefer waren transversal stark komprimiert. Dentoalveolär bestand eine Angle Klasse II Okklusion von rechts über einer und links einer Prämolarenbreite mit einer stark vergrößerten sagittalen Stufe von 13,5 mm. Die vertikale Stufe war mit 7,3 mm tief, zudem bestand ein traumatischer Einbiss in die palatinale Gingiva. Zu der ausgeprägten Protrusion der Fronten kam im Unterkiefer ein Engstand von 8,6 mm, eine Elongation der Front von 4 mm und eine Mittellinienverschiebung nach rechts hinzu. Das Weichteilprofil zeigt eine Lippendysfunktion mit ausgeprägter Supramentalfalte. Durch den Unfall war es zu Kronenfrakturen Grad 2 an den Zähnen 14, 24, 25, 26, 35 und 36 gekommen.
Nachdem der Patient wieder wach und orientiert war, bestätigte er bereits vor dem Trauma eine Rücklage des Unterkiefers mit Engständen. Nun kann es sein, dass die Situation durch den Unfall noch verstärkt worden war (Abbildungen 3 bis 9).
Im November 2003 begann die kieferorthopädische Behandlung (Abbildungen 10 und 11). Zunächst wurde von den behandelnden Kieferorthopäden in beiden Kiefern jeweils ein zahngetragener Distraktor zementiert (Schrauben: Im Oberkiefer: Vector 620, Scheu Dental, Iserlohn; im Unterkiefer: Compact RPE, Ormco, Clendora, CA, USA). Aufgrund der Kronenfrakturen konnte die Apparatur im Unterkiefer nur an Zahn 34 und 44 befestigt werden. Die Stabilität war ausreichend. Im Rahmen der chirurgisch assistierten Maxillaexpansion und der Symphysendistraktion wurden die Osteosynthesen und die Weisheitszähne entfernt. Im Oberkiefer wurde wegen des noch im Umbau befindlichen Knochens eine inkomplette Glassmanosteotomie [5] durchgeführt, das heißt, es wurde das Nasenseptum ausgespart. Im Unterkiefer wurde eine Stufenosteotomie vorgenommen, um der Vertikalen mehr Stabilität zu verleihen (Abbildungen 12 bis 14). Im Oberkiefer wurden ab dem 5. postoperativen Tag insgesamt 11 mm (in 0,6 mm täglichen Schritten) distrahiert, im Unterkiefer 8 mm.
Im März 2004 wurden die Distraktoren entfernt und die Transversale mit Tiefziehschienen stabilisiert, bis nach Abschwellen der Gingiva im Mai festsitzende Apparaturen (Bänder und Brackets: Omni-Hasund 2002 und, GAC, Gräfelfing) mit Goshgarian im Oberkiefer und Lingualbogen im Unterkiefer eingebracht werden konnten. Die zweiten Molaren wurden nicht in die Bögen integriert, die Behandlung begann im Mai 2004.
Aus privaten Gründen seitens des Patienten fanden bis August 2004 keine Kontrollen statt. Im Oktober wurde im Rahmen der Kontrollen dann sichtbar, dass sich die Zähne 11 und 12 auf kieferorthopädische Kräfte hin nicht bewegten. Beide wurden daraufhin leicht mit der Zange subluxiert und anschließend gleich kieferorthopädisch bewegt. Dieses Manöver gelang gut, und es stellte sich ein Lückenschluss erfolgreich ein (Abbildungen 15 bis 18). Der durch die Distraktion gewonnene Platz konnte erfolgreich im Oberkiefer zur Retroinklination (von 35° auf 24°) und Retroposition (von 9,7mm auf 7,3mm) der Front und im Unterkiefer zum Auflösen des Engstandes und der Elongation genutzt werden.
Im März 2005 erfolgte – noch während des Retropositionierens der oberen Front und bestehender Lücken distal Zahn 12 und 22 – die bimaxilläre Umstellungsosteotomie. Eine Oberkieferrückverlagerung von 2,5 mm und Impaktion von 4 mm parallel zu einer Unterkiefervorverlagerung von 12 mm mit Clockwise-Rotation von 9° wurde durchgeführt.
Die festsitzende Apparatur konnte im Oktober 2005 entfernt werden. Ein abschließend ausgehändigter Positioner wurde vom Patienten nicht genutzt. Das abschließende funktionelle und ästhetische Ergebnis der kombinierten Kieferorthopädie/Kieferchirurgie war jedoch für den Patienten sehr zufriedenstellend (Abbildungen 19 bis 22).
Zuletzt wurde im Oktober 2005 noch die Sattelnase rekonstruiert. Die Knorpeldefekte waren initial zu groß für eine primäre Rekonstruktion. Es fehlten Anteile der Nasenpyramide und Teile des rechten Nasenknorpels. Die Atmung war eingeschränkt, die Nase insgesamt asymmetrisch. Es wurde ein offener Zugang zur Rekonstruktion gewählt. Knorpel wurde aus der Rippe entnommen, auf den Nasenrücken transplantiert und mit PDS-Nähten fixiert. Die lateralen Knorpel wurden gelöst und refixiert, eine Neocolumella wurde aus Teilen des Nasenseptums gebildet. Anschließend konnte zur Stabilisierung für sieben Tage ein Silikonsplint eingesetzt werden.
Die letzte Nachsorge fand dann im Dezember 2006 statt (Abbildungen 23 bis 28). Die Okklusion sowie Bisslage waren neutral und stabil, abgesehen von kleinen Rotationen der Frontzähne. Es hatte ein gutes Settling stattgefunden. Der Patient trug von nun an nachts im Ober- und Unterkiefer je einen Hawley-Retainer. Die Nase war gut verheilt. Der Patient war mit dem Endergebnis hochzufrieden, angebotene weitere Narbenkorrekturen wurden abgelehnt.
Diskussion
Laine et al. [6] schreiben in ihrer Arbeit, dass Notfallsituationen zu minderwertiger Bildgebung und schlechterer Operationsplanung führen können. Andererseits könnte eine verzögerte Operation zu Erhöhung des Infektionsrisikos, entstellender Weichteilabheilung unter ausgeprägter Narbenbildung, Nichtvereinigung der Frakturen und Fehlbiss führen [7] und somit schlechtere Operationsergebnisse provozieren [8, 9]. Die Operationsplanung ist bei Notfällen sicher nicht gleichwertig mit der von Elektiveingriffen, jedoch sollte ein erfahrener Chirurg in der Lage sein, trotzdem ein akzeptables Ergebnis zu erzielen, eventuell aber mit Abstrichen bei primär ästhetischen Rekonstruktionen [10].
In modernen Schockraumeinheiten wird standardmäßig – abgesehen von Routinen wie Abdomensonographie und konventionellen Röntgenbildern – eine Komplett-CT bei der Aufnahme angefertigt. Diese CTs sind von derselben Qualität wie bei den elektiv angefertigten Aufnahmen und sollten das Operationsergebnis durch höhere diagnostische Aussagekraft indirekt verbessern. In manchen Fällen ist jedoch eine Operationsverzögerung aus vitalen Gründen (Atemfunktion nach Thoraxtrauma, intrakranielle Blutungen und mehr) notwendig. Nach Ansicht der Autoren erhöht dieses Abwarten der Stabilisierungsphase der Vitalfunktionen nicht das Risiko von Fehlbissen oder ungenügender Knochenheilung [1]. Dies wäre nur dann denkbar, wenn der Patient für Wochen aus vitalen Gründen nicht versorgt werden könnte. Dies ist jedoch eher selten der Fall und für diese Patienten ist ein Fehlbiss oder eine Gesichtsasymmetrie dann von geringerer Bedeutung.
In jedem Fall sollte eine Weichteilversorgung angestrebt werden, bevor ein „Weichteilgedächtnis“ durch tief liegende Narbenbildung entsteht [2]. Die Komplikationsrate von Stirnhöhlenfrakturen wurde von Gabrielli et al. [11] untersucht. Hier wird eine primäre Rekonstruktion immer dann empfohlen, wenn keine ausgedehnte Dislokation oder Zertrümmerung besteht und der Nasenduktus intakt ist. Im vorliegenden Fall traf dies zu, und unter anderem deshalb wurde primär rekonstruiert. Eine mediane Drainage, wie sie hier zum Einsatz kam, wird immer dann empfohlen, wenn zumindest die dura mater intakt ist. Es zeigen sich dann keine erhöhten Komplikationsraten [11,12]. Die Rekonstruktion des Obergesichts folgte den Vorgaben von Manson et al. [2]. Sie beginnen an der Frontobasis und den Orbitadächern, gefolgt von den Stirnhöhlen und der Nasoethmoidalregion. Zwar beschreiben Manson et al. [2] im Mittelgesicht die Rekonstruktion von lateral über die Jochbögen als Voraussetzung für die Mittelgesichtsrekonstruktion, in diesem Fall wurde jedoch nicht so verfahren. Die laterale Gesichtspartie war stabil, eine Fixierung des Jochbeins an der lateralen Orbita nicht vonnöten. Dies hätte auch noch zusätzlich zu weiteren Narben in dieser ästhetisch wichtigen Region geführt.
Manson et al. [13], Kelly et al. [14] und Becelli et al. [15] beschreiben in ihren Arbeiten die Positionierung des Jochbogens als den Schlüssel zur Mittelgesichtrekonstruktion. Das Ober- und Mittelgesicht treffen sich dann im Le Fort I Level, von lateral nach medial.
Bei Trümmerfrakturen im Mittelgesicht mit sagittaler Oberkieferbeteiligung sollten zunächst Bruchstück mit Bruchstück verbunden und erst anschließend an noch festem Knochen stabilisiert werden [1, 2]. Im vorliegenden Fall war der Unterkiefer nicht mitbeteiligt. Aus diesem Grund war eine Stabilisierung durch intraoperative Drahtbogen-Kunststoffschienung mit intermaxillärer Fixierung (IMF) zur Oberkieferrekonstruktion möglich.
Durch die Verletzung des inneren Augenwinkels bildete sich trotz der primären knöchernen Rekonstruktion und der Refixierung des Lidbandes bei dem Patient ein geringer Telekanthus aus. Eine Korrektur wurde angeboten, vom Patient jedoch wegen der nicht definitiv vorhersagbaren ästhetischen Verbesserung abgelehnt.
Im vorliegenden Fall ist es möglich, dass die Dysokklusion durch das Trauma verstärkt würde. Der Verlust von zum Teil tragenden Höckern und die Trümmerfaktur der Maxilla könnten zu einer Vertiefung von Biss und skelettaler Konfiguration beigetragen haben. Bei Patienten mit Le-Fort I Fraktur ist der Oberkiefer häufig impaktiert und nach anterior verlagert [1,2]. Eine Zunahme der bimaxillären Kompression, somit auch des Engstandes, ist unwahrscheinlich, da die Maxilla an dem intakten Zahnbogen der Mandibula fixiert worden war.
Die Engstände und die Supraokklusion im Unterkiefer waren zu stark, als dass sie nun mit Kieferorthopädie alleine hätten gelöst werden können. Deshalb erfolgten Überlegungen, die Dysgnathietherapie anschließend durchzuführen.
Im ersten Schritt erfolgte die transversale Erweiterung der Kiefer.
Die Protrusion, die Elongation und die Engstände in der unteren Front waren zu stark, als dass ein kieferorthopädisches Ausformen des Zahnbogens genügt hätte. Ein Möglichkeit wäre die Extraktion von Prämolaren gewesen [16]. Durch den Unfall hatte der Patient schon multiple Zahnschäden erlitten, und der Verlust von Zähnen war somit nicht vertretbar. Zur vollständigen Korrektur der Zahnfehlstellungen wäre eine transversale Erweiterung der Maxilla um 18 mm und der Mandibula um 14 mm notwendig gewesen. Die transversale Erweiterung im Oberkiefer um 11 mm war bei dem durch das Trauma noch weichen Knochen schon nicht ohne Risiko. So wurde die Protrusion der unteren Front belassen. Die Elongation und die Engstände konnten aber unter Nutzung der gewonnenen 8 mm erfolgreich behoben werden.
Warum die Zähne 11 und 12 ankylosiert sind, ist nicht ganz klar. Eine Grund wäre das Trauma selbst, ein anderer eine zu schnelle Gaumenexpansion.
Im zweiten Schritt wurde die Umstellungsosteotomie der Kiefer durchgeführt.
Noch vor vollständiger Retrusion der oberen Front wurde operiert. Es bestanden Lücken distal der Zähne 12, 22, und die sagittale Stufe war noch vergrößert. Hierdurch war es den Chirurgen möglich, die Mandibula um 12 mm nach anterior zu verlagern und damit einem Rezidiv vorzubeugen.
Der Versuch, den Fehlbiss in der ersten Operation, das heißt initial nach dem Trauma mit zu korrigieren wurde verworfen, da weder die dentale Situation dies zugelassen hätte, noch war der Patient über diesen dann als elektiv zu klassifizierenden Eingriff informiert gewesen, was zu rechtlichen Konsequenzen hätte führen können.
Eine monomaxilläre Versorgung zur Korrektur des Fehlbisses wurde wegen des schlechteren ästhetischen Profils verworfen, auch wenn dies von anderen Autoren schon durchgeführt wurde [17]. Durch die veränderte Gesichtmorphologie entwickelte der Patient zusätzlich eine Schlafapnoe. Diese konnte jedoch durch die Oberkiefererweiterung und die Vorverlagerung des Unterkiefers deutlich verbessert werden. Die Entfernung der Weisheitszähne wurde sowohl aus kieferorthopädischer Sicht als auch aus prophylaktischen Gründen bereits bei der Osteotomie zur transversalen Korrektur vorgenommen.
Im vorliegenden Fall wurde die bimaxilläre Umstellung zur Rezidivprophylaxe aufgrund muskulärer Anpassung in beiden Kiefern leicht überkorrigiert, und durch Kieferorthopädie zu einem stabilen Ergebnis in Angle Klasse I Verzahnung und neutraler Bisslage eingestellt.
Nach der Erfahrung der Autoren wie der Literatur kann eine sagittale Umstellung ab etwa drei Monaten nach einer transversalen Dehnung erfolgen. Die sagittale Umstellung kann dabei erfolgreich mit modernen resorbierbaren Osteosynthesen fixiert werden [18,19].
Die Korrektur der Sattelnase wurde erst nach Abschluss der Kieferumstellungen vorgenommen, da die Gesichtsmorphologie vorher nicht endgültig vorhersehbar war, respektive das knöcherne Fundament für die Weichteilprojektion noch nicht reponiert und verheilt war und ein ästhetisches Ergebnis nicht sicher hätte erreicht werden können.
Es ist bekannt, das die Korrektur von traumatischen Deformitäten der Nase eine hohe Anforderung an die plastischen Chirurgen stellt [20,21]. Wichtig ist hierbei aber vor allem ein geduldiger und complianter Patient, der die Behandlung mitmacht und die Krankenhausaufenthalte durch die Schritt-für-Schritt-Rekonstruktion mit seinem sozialen Umfeld in Einklang bringt.
Schlussfolgerung
Die funktionelle und ästhetische Rehabilitation des menschlichen Gesichtes, gerade nach komplexer, traumatisch bedingter Zerstörung, erfordert eine enge Zusammenarbeit von Chirurgie, Kieferorthopädie und Zahnärzten. Durch Einsatz und interdisziplinäre Abstimmung modernster Behandlungsmethoden können auch komplizierte und schrittweise Rekonstruktionen für den Patienten, wie auch den Behandlern zu einem sehr zufriedenstellenden Ergebnis führen. Wichtig ist dabei, dass alle betroffenen Fachdisziplinen von Anfang an gemeinsam das Behandlungskonzept absprechen und planen. Auf diese Weise lässt sich eine harmonische Wiederherstellung des Gesichtes erzielen, die allen Anforderungen an funktionelle und gleichzeitig ästhetische Aspekte genüge tut. Die Verbindung von einer solchen Interdisziplinarität gepaart mit realistischen Erwartungen und einer hohen Patientencompliance ist Voraussetzung für den Erfolg.
Schwere Gesichtstraumata erfordern umfassende Wiederherstellungstechniken für Ästhetik und Funktion. Wie in dem hier vorgestellten Fall, dem auch noch eine skelettale Dysgnathie zugrunde lag, kann nicht immer bei der Primärversorgung eine vollständige Sofortwiederherstellung mit bestem ästhetischen Ergebnis erreicht werden. In diesen Fällen werden im Verlauf häufig mehrere operative Sitzungen und ausgedehnte Wiederherstellungstechniken erforderlich. Wie diese aussehen können und wie lange der Rehabilitationsprozess dauern kann, versucht dieser Artikel an einem Beispielpatienten zu zeigen.
Bei diesem Beitrag handelt es sich mit freundlicher Genehmigung des Verlages um eine Übersetzung des Beitrages: Alexander Ballon, B. Ling, A. Lelke, R. Sader and C. A. Landes, Journal of Maxillofacial and Oral Surgery, Volume 8, Number 2 / June, 2009
PD Dr. Dr. Constantin A. LandesDr. Alexander BallonProf. Dr. Dr. Robert SaderKlinik für Mund-, Kiefer- und Plastische GesichtschirurgieUniversitätsklinik Frankfurt/MainTheodor-Stern-Kai 760596 Frankfurt/MainE-Mail:c.landes@lycos.com
Dr. Bettina LingDr. Annett LelkePraxis für KieferorthopädieAm Sulzheimer Pfad 2055286 Wörrstadt