Orthopädie und Unfallchirurgie

Mobilität erhalten ist A und O

Arthrose, Osteoporose und nach einem Trauma schlecht heilende Frakturen und Wunden – das sind häufige Probleme älterer und alter Menschen, auf die die moderne Orthopädie bisher noch keine rechte Antwort hat. Das soll sich künftig dank der Stammzellforschung und dem Tissue Engineering ändern. Orthopäden und Unfallchirurgen wollen sich außerdem stärker für behinderte Menschen engagieren, wie bei der Jahrestagung der Gesellschaft in Berlin deutlich wurde.

Rund sieben Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer schweren Behinderung. Sehr häufig geht das mit einer deutlich eingeschränkten Mobilität einher, was weiteren Problemen wie Herz- und Gefäßerkrankungen den Weg bahnt. Die Orthopäden sehen daher eine ihrer wesentlichen Aufgaben darin, den betroffenen Patienten zu einer möglichst guten Mobilität zu verhelfen, um damit zugleich solchen Erkrankungen vorzubeugen.

Die noch gute Mobilität vieler älterer Menschen hat aus Sicht der Unfallchirurgen aber auch eine Kehrseite: Es kommt zu einer steigenden Zahl von Unfällen, wobei erwartet wird, dass sich – nicht zuletzt auch durch den demografischen Wandel bedingt – die Rate an Schenkelhalsbrüchen bis zum Jahr 2030 in Deutschland verdreifachen wird. „Fast eine halbe Million Menschen pro Jahr werden dann eine solche Fraktur erleiden, was Kosten von rund neun Milliarden Euro jährlich verursachen dürfte“, berichtete Professor Dr. Michael J. Raschke aus Münster.

Gefürchtet: der Schenkelhalsbruch

Die Folgen dieser Frakturen sind nach seinen Worten auch im Zeitalter der Hochleistungsmedizin ernüchternd: „20 bis 60 Prozent der Betroffenen versterben innerhalb von fünf Jahren.“ Ein Drittel der Patienten wird innerhalb von sechs Monaten pflegebedürftig und muss in ein Pflegeheim eingewiesen werden. Doch die Bedeutung des Schenkelhalsbruchs wird dabei, so Raschke, oft noch unterschätzt. So verkürzt dieser vermeintlich „einfache Beinbruch“ das Leben der Betroffenen um durchschnittlich sieben Jahre und kann damit durchaus mit einem bösartigen Tumorleiden verglichen werden.

Generell laufen Heilungsprozesse im Alter langsamer ab als in jungen Jahren und es hat sich inzwischen eine eigene Sektion Alterstraumatologie in der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie etabliert, die sich speziell den besonderen Problemen bei der Versorgung verletzter älterer Menschen widmet. Intensiv wird von den Alterstraumatologen dabei auch nach Verfahren gesucht, mit denen sich die Heilung von Frakturen beschleunigen lässt.

Stammzelltherapie und Tissue Engineering

Auch im Bereich der allgemeinen Orthopädie spielt die Behandlung und Betreuung älterer Patienten eine immer größere Rolle und es wird im Bereich der sogenannten Geronto-Orthopädie ebenfalls nach neuen Verfahren gesucht, um Funktionseinbußen und Einschränkungen der Mobilität entgegenzuwirken. Dabei sind Gelenkersatz-Operationen laut Dr. Stephan Kirschner, Dresden, nicht zuletzt dank optimierter anästhesiologischer Verfahren bis ins hohe Alter möglich geworden.

Schädigungen des Knochens und des Knorpels lässt sich künftig möglicherweise aber auch mit ganz anderen Verfahren beikommen, wie in Berlin deutlich wurde. Ein Beispiel ist die Behandlung von Hüftkopfnekrosen und die Auffüllung von Knochendefekten mit mesenchymalen Stammzellen, die per Biopsie aus dem Beckenkamm gewonnen werden. Die Zellen werden aufgereinigt oder angezüchtet und in konzentrierter Form in den Defekt eingebracht, wo sie zur Heilung beitragen, wie Professor Dr. Klaus-Peter Günther, Dresden, darlegte.

Wachstumfaktoren zur Heilungsbeschleunigung

Auch die Chondrozytentransplantation hat nach seinen Worten inzwischen einen festen Stellenwert bei der Behandlung lokalisierter Knorpelschäden an Knie- und Sprunggelenk. Dabei wird dem Patienten per Arthroskopie eine kleine Knorpelprobe entnommen, die dann angezüchtet und nach entsprechender Vermehrung der Zellen rückübertragen wird.

Als weiteres neues Verfahren nannte Günther die Behandlung mit Wachstumsfaktoren zur Beschleunigung der biologischen Heilung bei ansonsten schlecht heilenden Knochenbrüchen, wobei zusätzlich untersucht wird, inwieweit dies auch bei Sehnenrissen sinnvoll sein kann.

Große Hoffnung setzen die Orthopäden und Unfallchirurgen auf das Tissue Engineering, also auf die Herstellung von Gewebe durch Kombination biologischer oder synthetisch hergestellter Formkörper und im Labor angezüchteter Zellen. Das Verfahren, das offenbar an der Schwelle zur Klinik steht, soll bei größeren Knorpeldefekten sowie bei Kreuzbandrissen und ausbleibender Knochenheilung zum Einsatz kommen.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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