Das Ziel im Visier

Der Alltag in einer Zahnarztpraxis hat in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten an Komplexität erheblich zugenommen, Tendenz steigend. Das zeigt sich in einer großen Anzahl gesetzlicher Vorschriften, in der Praxisorganisation und den Arbeitsprozessen, die zunehmend differenzierter werden, in verstärkter Konkurrenz, die unter anderem dazu führt, die Praxis erfolgreich zu positionieren und zu präsentieren, und auch in der Herausforderung, die Mitarbeiterinnen in eine positive Teamentwicklung einzubinden. Je komplexer die Alltagsbedingungen werden, desto wichtiger wird es, bewusst zu planen und nicht alles dem Zufall zu überlassen. Hierfür ist die Formulierung und gemeinsame Umsetzung von Praxiszielen ein hilfreiches Instrument.

Ein Bauer lag im Sterben und ließ seine drei Söhne zu sich kommen. Derjenige von ihnen sollte den Hof erben, der auf gerader und damit der kürzesten Linie über die schneebedeckten Felder laufen kann. Der erste Sohn dachte sich: „Ich werde vorwärts einen Fuß immer direkt vor den anderen setzen. Dann sehe ich Schritt für Schritt, wo ich hinlaufe, und werde eine gerade Linie gehen.“ Doch als er am Ende des Feldes zurückblickte, sah er die gebogene Linie seiner Fußspuren. Der zweite Sohn dachte: „Diesen Fehler werde ich nicht begehen. Ich werde rückwärts laufen und einen Fuß immer direkt hinter den anderen setzen. Dann sehe ich, wie ich bisher gelaufen bin, und werde eine gerade Linie gehen.“ Doch auch er sah am Ende des Feldes, was für eine Schlangenlinie er gelaufen war.

Der dritte Sohn stellte sich an den Rand des Feldes, fasste einen gegenüberliegenden Baum ins Auge und ging über das Feld, geradewegs auf den Baum zu, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Er erbte den Hof.

Nur wer Ziele hat, kann Erfolge erkennen

Ohne definierte Ziele gibt es kein klares Kriterium, mit dessen Hilfe man beurteilen kann, ob man erfolgreich war. Der Leichtathlet läuft auch nicht los, ohne zu wissen, ob er einen 100-Meter-, einen 5-Kilometer- oder einen Marathon-Lauf vor sich hat. Ziele dienen als Maßstab für das Team und für das Unternehmen Zahnarztpraxis insgesamt.

Einzelne Verhaltensweisen und Tätigkeiten sind nicht isoliert betrachtet wichtig, sondern in Bezug zu den Zielen, die man erreichen will. Das hat den erfreulichen Nebeneffekt, dass sich ein kompetentes Team nicht mehr über jeden einzelnen Schritt verständigen, sondern „nur“ schauen muss, „wo der Baum steht“. Eine Reihe von Schritten ergeben sich dadurch mitunter von selbst.

Die Formulierung von Zielen, die Verständigung über sie oder die gemeinsame Entwicklung von Zielen im Praxisteam verdeutlicht allen, was die einzelne Zahnarztpraxis auch als Unternehmen erreichen will.

Das Team kennt die Prioritäten

„Ohne Ziel ist jeder Schritt der richtige“. Ziele verdeutlichen, worauf das Team sein Hauptaugenmerk richten soll und was von untergeordneter Wichtigkeit ist. Dadurch wird die Gefahr der Verzettelung eingeschränkt.

Da die Mitarbeiter in gewissen Grenzen mitentscheiden können, wie sie in ihrem Bereich die festgelegten Ziele umsetzen, erhalten sie Raum für eigene Ideen und Engagement. Die Motivation steigt, wenn Mitarbeiter nicht nur Vorgaben erfüllen müssen, sondern eigenständig gestalten können.

Alle Beteiligten wissen, dass sie etwas Gemeinsames erreichen wollen und was es ist. Diese Gemeinsamkeit setzt Kräfte frei. Es wird der Haltung unter Mitarbeitern entgegen gearbeitet, dass Engagement sich nicht lohnt, weil es im Trubel des Alltags untergeht und niemand es registriert.

Durch die Festlegung gemeinsamer Ziele kann sich jeder Mitarbeiter leichter mit der Praxis als Unternehmen identifizieren. Das Nebeneinander wird zu einem Ineinandergreifen, das der eigenen Tätigkeit einen übergeordneten Sinn gibt. Durch die gemeinsame Weiterentwicklung, Festlegung und Umsetzung von Praxiszielen werden die Mitarbeiter in das Gesamte der Praxis eingebunden.

„Wir wollen mehr Prophylaxe anbieten“ ist kein Ziel, sondern ein Anspruch oder ein generelles Vorhaben. Ziele sind dann echte Ziele, wenn sies m a r tformuliert sind:

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„Smart“ formulierte Ziele sind etwa: „Im nächsten Jahr führen wir 20 Prozent mehr Prophylaxesitzungen durch.“ Oder: „Bis zum 30. September dieses Jahres ist unsere neue Homepage ins Netz gestellt.“

Ziele orientieren nach vorne und sind deshalb positiv formuliert. Sie beschreiben, was man erreichen will, und nicht, was man verhindern möchte. So werden sie zur konkreten Handlungsanleitung für das Team.

Wenn Ziele definiert sind, muss das Team die Maßnahmen festlegen, die erforderlich sind, um die Ziele auch tatsächlich zu erreichen. Denn sie stellen sich nicht von selbst ein. Um Maßnahmen effektiv festzulegen, sollten immer drei Fragen beantwortet werden: WER macht WAS bis WANN?

Erst wenn klar ist, wer für die Durchführung welcher Maßnahmen verantwortlich ist und bis wann sie umgesetzt sein sollen, sind sie verbindlich.

Bei der Festlegung von Zielen ist es wichtig, das gesamte Team einzubeziehen, da alle an der Umsetzung beteiligt sind und nicht nur einzelne Mitarbeiterinnen oder gar nur die Chefs.

Die Festlegung der Ziele ist somit eine Gemeinschaftsaufgabe des gesamten Teams zur Regelung von Verbindlichkeiten. Denn: Was nützt es, wenn hervorragende Ziele formuliert sind, aber niemand setzt sie um?

Bernd Sandock, Dipl.-PsychologeSpindelmühler Weg 2212205 Berlininfo@sandock.de