Die Regenbogenhautentzündung
Wenn ein 28-jähriger Patient zur Routinekontrolle in die Sprechstunde kommt und nebenbefundlich über seit zwei Tagen zunehmende Schmerzen und eine Rötung seines linken Auges klagt, dann sollten Sie hellhörig werden. Die Aufmerksamkeit sollte steigen, wenn zudem sein Sehvermögen auf diesem Auge sowohl in der Ferne als auch in der Nähe seit einem Tag deutlich schlechter geworden ist, das Auge tränt und sehr lichtempfindlich ist (Abbildungen).
Auf gezieltes Nachfragen erinnert sich der Patient auch an eine gleiche Episode ebenfalls am linken Auge vor etwa vier Jahren. Damals sei die „Entzündung“ unter einer Tropfentherapie gänzlich ausgeheilt.
Dabei könnte es sich unter Umständen um eine Iritis, eine Entzündung der Regenbogenhaut, handeln und der Patient muss sich augenärztlich untersuchen lassen.
Differentialdiagnostik
Denn andere Ursachen eines einseitigen roten Auges mit Sehverschlechterung müssen differentialdiagnostisch primär sicher ausgeschlossen werden. Man könnte insbesondere auch an einen akuten Glaukomanfall, einen Hornhautfremdkörper, eine perforierende Augenverletzung und eine Entzündung der Lederhaut (Skleritis) denken.
Beim Augenarzt zeigen sich an der Spaltlampe bei der biomikroskopischen Untersuchung eine gemischte Gefäßinjektion der Bindehaut, eine klare Hornhaut und eine tiefe Vorderkammer mit Zellen, Fibrin und einem positiven Tyndall-Phänomen. Die Pupille ist durch den entzündlichen Reiz verengt, mit einzelnen Verklebungen der Iris mit der Linsenvorderfläche (sogenannte „posteriore Synechierungen“). Der Augeninnendruck ist mit 10 mm Hg nicht erhöht, sondern sogar aufgrund einer Begleitreaktion und einer Entzündung des Ziliarkörpers etwas erniedrigt.
Die Diagnose ist nun klar: Entzündung der Regenbogenhaut (sogenannte „Iritis“).
Therapie
Es wird eine antiinflammatorische lokale Tropfentherapie mit zum Beispiel einprozentigen Prednisolonacetat-Augentropfen stündlich begonnen. Bei sehr ausgeprägtem Krankheitsbild können Glucocorticosteroide auch zusätzlich subkonjunktival, parabulbär oder systemisch appliziert werden. Eine therapeutische Pupillenerweiterung und Zykloplegie zur Verhinderung von Verklebungen der Regenbogenhaut mit der Linsenkapsel – mit 0,25 Prozent Scopolamin-Augentropfen zweimal täglich – gehört ebenfalls zum Therapieschema.
Weiterführende Diagnostik und Therapie
In der Mehrzahl der Fälle ist ein immunologisches und nur selten ein infektiöses Geschehen als Ursache für eine akute Iritis zu finden. Allerdings besteht in der Hälfte der Fälle eine Assoziation mit Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, insbesondere mit dem Antigen HLA-B27 (wie ankylosierende Spondylitis, reaktive Arthritis). Auch im Rahmen anderer Allgemeinerkrankungen, wie der Psoriasis, der Sarkoidose, M. Behcet oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, kann eine Iritis auftreten. Seltene postinfektiöse Ursachen sind Lyme, Leptospirose, Rickettsiose, Tuberkulose, Masern, Mumps, Influenza oder Herpes- und Adenoviruserkrankungen. Das Konzept eines entzündlichen oder infektiösen Fokus als Ursache einer Iritis hat heute keine Bedeutung mehr. Aufgrund der häufig idiopathischen Genese (etwa 50 Prozent) der akuten Iritis wird bei fehlenden Begleiterkrankungen bei der Erstdiagnose auf eine Ursachenforschung zunächst verzichtet. Bei rezidivierenden Iritiden oder Hinweisen auf eine assoziierte Systemerkrankung ist jedoch eine internistische beziehungsweise rheumatologische Diagnostik aufgrund der entsprechenden therapeutischen Konsequenz indiziert. Abhängig vom klinischen Befund im Rahmen einbis siebentägiger Kontrollen wird die antiinflammatorische Therapie mit Steroiden langsam ausgeschlichen. Zykloplegika werden abgesetzt, sobald sich kein Vorderkammerreiz mehr zeigt. Die einfache Iritis heilt unter lokaler medikamentöser Therapie in der Regel bei rascher Therapieeinleitung meist folgenlos binnen zwei bis sechs Wochen aus.
Das Vorliegen einer Iritis als Autoimmunerkrankung stellt keine Kontraindikation für eine zahnmedizische Behandlung dar.
Dr. med. Daniel KookProf. Dr. med. Stephan ThurauAugenklinik der Ludwig-Maxmilians-Universität MünchenMathildenstr. 880336 Münchenstephan.thurau@med.uni-muenchen.de