Viel Input und neue Ideen
Yerevan, hier wohl am besten bekannt durch den Sender Radio Eriwan, den es auch heute noch gibt, stellt sich dar als moderne, jedoch postkommunistische Millionenstadt im Hochland von Armenien. Die Eröffnung der ERO-Vollversammlung fand großes Interesse bei der armenischen Presse und beim Fernsehen, da sowohl der armenische Gesundheitsminister Harutyun Kushkyan als auch der Parteivorsitzende der Regierungspartei, Gagik Tsarukyan, Grußworte an die Versammlung richteten. Beide betonten, dass es eine große Ehre sei, die ERO in Armenien willkommen zu heißen. Delegierte aus 26 der 43 ERO-Länder waren in Yerevan anwesend.
Der armenische Zahnärzteverband, so berichtete der Präsident Dr. Ashot Gevorgyan, wurde vor 15 Jahren gegründet, nachdem 1991 Armenien als ehemalige Sowjetrepublik ein eigenständiger demokratischer Staat geworden war. In dem Land mit 3,3 Millionen Einwohnern gibt es zwischen 5 000 und 6 000 Zahnärzte, das heißt, die Zahnarztdichte liegt bei ungefähr 1:5 000, was als viel zu gering beklagt wird.
Probleme mit der Ausbildungsqualität
Ein großes Problem scheint die geringe Qualität der Ausbildung zu sein, die an den vorhandenen Lehranstalten angeboten wird. Inzwischen wurde die Zahl der medizinischen Lehranstalten von 36 auf 16 reduziert, was immer noch als zu viel betrachtet wird, da die Qualität darunter leidet, wenn nur ganz wenige Studenten ausgebildet werden. Auch ist die Ausbildungslänge unterschiedlich, weil es möglich ist, erst im dritten oder fünften Semester in das zehnsemestrige Studium einzusteigen. Die Versuche des armenischen Zahnärzteverbands, die Qualität der zahnmedizinischen Ausbildung zu verbessern, sind bislang wenig erfolgreich, so wurde beklagt.
Der scheidende ERO-Präsident Dr. Patrick Hescot würdigte die Arbeit der letzten drei Jahre, in denen einiges für die ERO erreicht worden sei. Vor sechs Jahren habe die ERO einen Neubeginn gestartet, der nicht nur zur Erweiterung nach Osteuropa geführt habe, sondern auch zum Wiedereintritt der Zahnärzteverbände aus den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. Estland bereite seinen Eintritt gerade vor. So gelte es nur noch, die skandinavischen Länder zurückzugewinnen.
Hescot hatte zu Beginn seiner Präsidentschaft einen Präsidentenbrief ins Leben gerufen, um die Kommunikation mit den Mitgliedsländern zu verbessern, inzwischen sind neun Präsidentenbriefe erschienen. Hauptthemen der letzten Jahre waren die Förderung der Prophylaxe mit einer präventiven Ausrichtung der gesamten Zahnmedizin anstelle der früheren Reparaturorientierung. Eine ERO-Konferenz zur Früherkennung von Mundkrebs wurde im letzten Jahr in Frankreich erfolgreich durchgeführt. Weitere Themen der ERO waren die Bedeutung der Zahnmedizin für die gesamte Medizin, die Sicherstellung der Qualität, wobei in den einzelnen Ländern darunter sehr Unterschiedliches verstanden und unterschiedlich vorgegangen wird. Auch die immer größer werdende Kluft zwischen Ausbildung und Berufspraxis ist ein Problem, da es Aufgabe der Ausbildung ist, die Zahnärzte auf die Anforderungen von morgen vorzubereiten. Die ERO als die größte Regionalorganisation der FDI müsse sich diesen Themen stellen, erklärte Hescot.
Der künftige Präsident der ERO, Dr. Gerhard Seeberger, bestätigte als Hauptthemen der kommenden drei Jahre: Prävention, Qualität und das zahnärztliche Team.
Statusänderung als NGO diskutiert
Der ERO-Generalsekretär, Dr. Philip Rusca, berichtete von Überlegungen, die ERO als non-governmental organisation (NGO) in der Schweiz einzutragen, weil dies Vorteile bringe. Bisher hat die ERO keine legale Basis. Diese organisatorische und rechtliche Änderung des Status der ERO würde Satzungsänderungen und eine Verlagerung des Sitzes der ERO nach Genf nach sich ziehen. Die Vollversammlung beauftragte den neuen Vorstand, dieses Vorhaben zu prüfen und zur nächsten Vollversammlung Vorschläge vorzulegen.
Der FDI-Präsident, Dr. Roberto Vianna, Brasilien, war Gast beim Treffen der größten und aktivsten Regionalorganisation der FDI und berichtete über die laufenden Aktivitäten der FDI, unter anderem den erfolgreich vollzogenen Umzug der Geschäftsstelle nach Genf, die für 2011 geplante Zusammenfassung der verschiedenen FDI-Gesellschaften zur Erhöhung der Transparenz, die erfolgreichen Aktivitäten der globalen Kariesinitiative und die Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen in Afrika, Asien oder Südamerika.
Deutsche Delagation engagiert sich
Prof. Dr. Wolfgang Sprekels, Leiter der Deutschen Delegation zur ERO, regte eine aktivere Rolle des FDI-Rates bei der Erarbeitung von wissenschaftlichen Statements an. Zwar seien viele Stellungnahmen der FDI sehr hilfreich, zum Beispiel zu Amalgam, es gebe aber auch Stellungnahmen, etwa zu Irrigationswasser in den Leitungen von Dentaleinheiten, die unter dem Aspekt der Umsetzung in den Praxen überprüft werden müssen. Daher solle der FDI-Rat eine berufspolitische Wertung der Themen für Stellungnahmen vornehmen und die Auswahl der Themen nicht nur den Komitees überlassen. Sprekels forderte eine Führungsrolle des FDI-Rates bei der Erarbeitung von Stellungnahmen.
Dr. Peter Engel, deutsches Ratsmitglied, bestätigte, dass der Rat die politische Ausrichtung der Themen prüfen müsse, die dann von den Komitees fachlich bearbeitet werden. Der Rat sei dabei, neue Strukturen einzuführen, damit die FDI in Zukunft mehr leisten könne, sie müsse aktiver werden, um die Bedeutung der FDI zusammen mit den Regionalorganisationen und Nationalverbänden zu stärken. Dazu wird zur Zeit ein neuer Businessplan erstellt.
In den Arbeitsgruppen der ERO werden die Aktivitäten der ERO vorbereitet. Deutsche Mitarbeit gibt es in den Arbeitsgruppen:
• Dental Team: Zahnarzt Ralf Wagner (KZBV), Dr. Michael Frank (BZÄK)
• Freie zahnärztliche Berufsausübung in Europa: Dr. Ernst-Jürgen Otterbach (FVDZ)
• Qualität: Barbara Bergmann-Krauss (BZÄK).
Weitere Arbeitsgruppen gibt es zu den Themen Ausbildung, Beziehung zwischen Zahnärzten und Universitäten, Frauen in der Zahnmedizin, ERO-Erweiterung.
Deutsche ZFA gut ausgebildet
In der Arbeitsgruppe Dental Team wurden von Dr. Michael Frank und Ralf Wagner die Ausbildung und der Einsatz der deutschen Zahnmedizinischen Fachangestellten dargestellt, die höher ausgebildet sind als in vielen europäischen Ländern. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Grundanforderungen an das Profil und die Kompetenzen einer „dental chairside assistant“ in Europa zu erarbeiten, die dann den Ländern als Orientierung empfohlen werden sollen.
In der AG Qualität wurde die große Varianz im Verständnis und den Maßnahmen zur Qualitätsförderung zwischen den europäischen Ländern festgestellt, die Arbeitsgruppe wird neu strukturiert, um dann Empfehlungen zu erarbeiten.
Resolution gegen Selektivverträge
Aus der Arbeitsgruppe Freie zahnärztliche Berufsausübung in Europa berichtete Dr. Ernst-Jürgen Otterbach über eine Befragung zu Selektivverträgen in den europäischen Mitgliedsländern. Von den 22 Ländern, die geantwortet haben, geben sieben Länder an, dass Selektivverträge bei ihnen vorhan den sind beziehungsweise diskutiert werden. Die Gefahren von Selektivverträgen wurden analysiert und auf dieser Basis wurde dann eine Resolution erarbeitet, die sich deutlich gegen Selektivverträge ausspricht, da sie die Therapiefreiheit und die freie Arztwahl als die Kernelemente der freiberuflichen Berufsausübung bedrohen.
Dieses Statement soll noch redaktionell überarbeitet und dann in Salvador zum FDI-Kongress im Herbst verabschiedet werden. Eine Resolution zur Unterstützung des israelischen Zahnarzverbands für den Erhalt der freien Arztwahl wurde einstimmig angenommen.
Auch die weiteren Arbeitsgruppen gaben ihre Berichte ab. In der Diskussion dieser Berichte zeigten sich die deutschen Delegierten sehr aktiv, konstruktiv, jedoch auch kritisch, wo es angezeigt war.
Wahl des Vorstands
Zum Ende der Vollversammlung stand die Wahl des Vorstands auf der Tagesordnung. Zu wählen waren der President Elect, der Generalsekretär und zwei Vorstandsmitglieder. BZÄK-Vizepräsident Dr. Michael Frank erhielt das beste Wahlergebnis von allen Kandidaten und wurde als Vorstandsmitglied gewählt. Der neue Vorstand, der für die nächsten drei Jahre amtiert, setzt sich wie folgt zusammen:
• Präsident: Dr. Gerhard Seeberger, Italien
• President Elect: Dr. Philip Rusca, Schweiz
• Generalsekretär: Dr. Anna Lella, Polen
• Vorstandsmitglieder: Dr. Michael Frank, Deutschland, und Dr. Bedros Yavru-Sakuk, Armenien
Im Anschluss an die ERO-Vollversammlung fand eine halbtägige wissenschaftliche Veranstaltung, die eher Fortbildungscharakter hatte und zu der auch Zahnärzte aus Armenien eingeladen waren, statt. Thema: Medizinische Orientierung in der zahnärztlichen Berufsausübung. Obwohl von ausgewiesenen Referenten vorgetragen, fanden die Vorträge wenig Resonanz. Hier wird es sicher in Zukunft eine Änderung geben, da Hauptaufgabe der ERO die Diskussion professionspolitischer Themen ist und nicht Fortbildung oder wissenschaftliche Vorträge.
Mit dem Vorstandsmitglied Dr. Michael Frank kann Deutschland wieder mehr Einfluss und Ideen in die ERO einbringen. Die Darstellung und der Input der deutschen Delegierten bei der ERO-Vollversammlung in Yerevan waren insgesamt sehr gut und wurden auch gewürdigt.
Barbara Bergmann-KraussUniversitätsstr.7350931 Köln