Konto in der Schweiz

Ein offenes Geheimnis

Das Schweizer Bankgeheimnis ist längst ins Gerede gekommen. CDs mit Namen von Inhabern schweizerischer Konten, Offenlegung der Konten von amerikanischen Bürgern und jetzt ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz – der Druck auf die Eidgenossen erhöht sich ständig. Viele Anleger hoffen, dass der Sturm vorübergeht und sie ungeschoren davon kommen. Wie teuer sie das inzwischen etwas löchrige Geheimnis zu stehen kommt, haben aber viele nicht bedacht.

„Der Bankkunde hat ein Recht auf Schutz seiner ökonomischen Privatsphäre, die Bank hat somit die Pflicht, über alle Tatsachen, die ihre Kunden betreffen, Verschwiegenheit zu bewahren,“ so definiert die Schweizerische Bankiersvereinigung das Bankgeheimnis. Doch inzwischen weist das 1935 verabschiedete Gesetz Löcher wie ein Schweizer Käse auf. Gehörte es früher unter Wohlhabenden zum guten Ton, ein Nummernkonto in Zürich zu besitzen, suchen diese Anleger jetzt häufig einen cleveren Steueranwalt, der ihnen hilft, das an der Limmat deponierte Schwarzgeld möglichst schmerzfrei zu legalisieren. Das Honorar für den Experten dürfte gut angelegtes Geld sein, denn inzwischen kann es sich für die Abtrünnigen eher lohnen, versteuertes Geld bei heimischen Geldhäusern anzulegen als bei den Eidgenossen.

Einer der Gründe für die Heimkehr ist der nicht nachlassende Druck der EU-Länder auf Schweizer Banken und deren Privilegien. Seit 1997 müssen die Banken jeden Verdacht, dass das zur Verwaltung angebotene Geld aus illegalen Quellen stammen könnte, melden. Auf „sauberes“ Vermögen ausländischer Kunden erheben die Schweizer 35 Prozent Verrechnungssteuer auf Erträge aus Darlehen, Schweizer Aktien und Obligationen. Das gilt nicht für Kapital, das in ausländischen Wertpapieren angelegt ist.

Dem Druck aus Brüssel nicht widersetzen konnte sich die Schweiz, als es um die Vereinheitlichung der Besteuerung von Zinseinkünften innerhalb der EU ging. Seit 2005 kassiert sie im Auftrag der EU Steuern auf Zinserträge in Höhe von derzeit 20 Prozent. Ab Juli 2011 steigt die Abgabe auf 35 Prozent. Dann liegt sie deutlich über der heimischen Abgeltungssteuer von 25 Prozent. Allerdings entfällt die Schweizer Steuer nicht auf Dividenden.

2009 kam es zu einem historischen Einschnitt beim Umgang mit dem eidgenössischen Bankgeheimnis. Das Land ließ sich auf den geltenden OECD-Standard ein und verzichtet seitdem auf die haarspalterische Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Bis dahin galt diese Auslegung als hinreichender Grund, steuerliche Ermittlungen ausländischer Finanzbehörden zu blockieren. Denn nach Schweizer Gesetz galt nicht die Steuerhinterziehung sondern nur der Betrug als Straftat. Doch im Rahmen der Abkommen mit der EU musste sich auch die Schweiz verpflichten, bei der Hinterziehung indirekter Steuern Rechtshilfe zu leisten. Dabei geht es eigentlich nur um nicht abgeführte Mehrwertsteuer. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Händler den Gewinn, der beim Verkauf eines Teppichs anfällt, nicht deklariert, sondern auf sein Zürcher Konto überweist. Damit hat er auch die darauf entfallende Mehrwertsteuer hinterzogen und so einen Grund für ein Auskunftsersuchen seitens des deutschen Fiskus geliefert. Die Schweiz muss Rechtshilfe leisten.

Hätten die Schweizer sich dem Begehr der OECD verweigert, fände sie sich auf einer Liste schlecht beleumdeter Steueroasen wieder. Diesen Rufschaden aber stufte die Schweizer Politik als weitaus gefährlicher für ihre Banken ein als die Zugeständnisse beim Bankgeheimnis. Seither schließt die Berner Regierung ein Doppelbesteuerungsabkommen nach dem anderen mit ausländischen Staaten ab. Unter Nummer 23 rangiert der Vertrag, den der scheidende schweizerische Finanzminister Hans-Rudolf Merz Ende Oktober mit seinem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble geschlossen hat.

Abgeltungssteuer auf Erträge

Ende Oktober einigten sich die beiden Minister auf eine Art Quellen- oder Abgeltungssteuer für Erträge auf Konten deutscher Inhaber. Wie hoch sie ausfallen wird und was mit den Altbeständen geschehen soll, das ist Inhalt der Verhandlungen, die Anfang 2011 beginnen sollen. Mit dieser Steuer, die die Schweizer für die Deutschen eintreiben wollen, er kaufen sie sich Schäubles Verzicht auf Informationsaustausch. So sieht es jedenfalls die Schweizerische Bankiersvereinigung: „Die Abgeltungssteuer für die Zukunft und für die Vergangenheit sind eine Alternative zum automatischen Informa tionsaustausch unter der EU-Zinsrichtlinie. Die Schweiz kann daher das bisherige System unter der EU Zinsbesteuerung fortführen.“ Und weiter heißt es: „Die Kunden haben damit ihre Steuerpflichten im Heimatland erfüllt.“ Von den Abgaben betroffen sind: Zinsen, Dividenden, Erträge von Kapitalanlagen, Kapitalgewinne und Vermögenswerte. Einmal jährlich will die schweizerische Steuerverwaltung das Geld an die jeweiligen Heimatländer überweisen.

EU drängt auf Informationsaustausch

Es bleibt allerdings die Frage, ob die EU diesen Deal akzeptieren wird, will sie doch unbedingt den automatischen Informationsaustausch durchsetzen. Österreich und Luxemburg verweigern bislang ihre Zustimmung zur Datenweitergabe. Sie verlangen eine Gleichstellung mit der Schweiz. Ob die Besitzer der geschätzten rund 200 Milliarden Euro Schwarzgeld, die derzeit auf Konten deutscher Inhaber liegen, nun beruhigt sein dürfen, steht noch nicht fest. Denn die skizzierte Regelung soll nur für neue Konten gelten. Wie die Einigung für die Altkonten aussehen wird, ist noch nicht klar. Die Rede ist von einer Abgabe, die mindestens so hoch wie die heimische Abgeltungsteuer von 25 Prozent sein sollte. Doch Experten wie der Münchner Steueranwalt Dr. Johannes Fiala glauben, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchen: „Ich erinnere, dass mindestens ein Schweizer Politiker damit gedroht hat, zunächst einmal die Kontoinhaberschaft von Prominenten aus Deutschland öffentlich zu machen.“ Damit meint er, dass die Deutschen schon aus diesem Grund auf die Wünsche der Eidgenossen eingehen werden.

Schweizer kämpfen um Seriosität und Image

Doch das Gerangel um das Bankgeheimnis und die internationale Diskussion sowie die Offenlegung der Konten amerikanischer Bürger bei der UBS haben die Banken und ihre Geschäfte auch in der Schweiz in ein schlechtes Licht gerückt. „Sie wollen sich ein neues Image zulegen und ‚formell sauber‘ werden“, vermutet Fiala, „und deswegen werden Schwarzgeldinhaber zum Beispiel gerne an einen der rund 3 000 Schweizer Treuhänder verwiesen.“ „Das nennen die Insider ‚Transition‘, erläutert Fiala, „also eine Säuberung der Bankakte, ohne Zwang zur Steuerehrlichkeit, denn künftig versteckt sich der Schwarzgeldinhaber hinter dem eingeschalteten Treuhänder.“ Überlässt ein Kunde also sein Kapital einem Treuhänder, kann er so inkognito bleiben, sein Name erscheint nicht in den Büchern der Bank.

Allerdings bleibt die Frage, ob sich dieser Weg wirklich lohnt. Denn die Kosten für den Treuhänder, die Gebühren für die Depotverwaltung und viele andere Ausgaben fressen die erzielten Erträge wieder auf. Diese Rechnung macht auch Dr. Andreas Beck, Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau in München, auf. Sein Institut testet die Qualität von Vermögensverwaltungen deutscher und Schweizer Banken. Seine Erfahrung ist: „Vor allem die Großbanken bereichern sich an den Gebühren.“ Er berichtet von dem Fall eines Mandanten, der sein Geld einer schweizerischen Großbank anvertraut hatte. Sie steckte das Kapital in ein Dach-Hedgefonds-Zertifikat. Für die Bank eine geniale Konstruktion, denn sie kassierte gleich auf vier Ebenen die Gebühren ab: beim Hedgefonds, Dachfonds, Zertifikat und bei der Vermögensverwaltung. Das Ergebnis: „Wir sind bei der Überprüfung auf Gebühren von acht Prozent gekommen. Das ist schleichende Enteignung“, so Beck.

Anleger lassen Banken sehr viel Spielraum

Neben den hohen Kosten weisen Beck und Fiala auf eine Gefahr hin, der sich die wenigsten Anleger bewusst sind. Mit der Anlage von Schwarzgeld in der Schweiz, Liechtenstein oder in einer anderen Steueroase legen sie ihr Geld in fremde Hände. Sie übertragen die Verantwortung auf den Vermögensverwalter und haben keine Kontrollmöglichkeiten mehr. Um nicht erwischt zu werden, dürfen sie keine Unterlagen zu Hause verwahren und keinen Kontakt zum Anlageberater aufnehmen. Die Bank hat also sehr viel Spielraum. Dazu Beck: „Der Kunde ist Freiwild für die Bank.“ So raten die Experten dazu, das Geld besser bei deutschen Banken anzulegen, zumal die derzeitige Verzinsung hierzulande attraktiver ist als in der Schweiz und die Gebühren deutlich niedriger.

Ein Teil der Bankkonten, auf denen nicht versteuertes Geld aus Deutschland deponiert ist, besteht schon seit mehreren Generationen. Lange Jahre hat sich niemand darum gekümmert. Viele der inzwischen verstorbenen Kontoinhaber haben ihr Geld damals ins Ausland geschafft, um es vor Geldentwertungen und politischem Zugriff zu schützen. „Schließlich haben die Deutschen sechs Währungsreformen in 150 Jahren mitgemacht,“ erinnert Fiala. Es steckten also nicht immer kriminelle Gedanken dahinter, wenn Geld nach Zürich wanderte. Die Schweiz galt immer als sicherer Hort mit einer nach wie vor stabilen Währung.

Selbstanzeige als letzter Ausweg

Aus welchen Gründen auch immer sich Anleger ein Konto bei den Eidgenossen zugelegt haben, vielen von ihnen, die Sorgen haben müssen, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, erscheint eine Selbstanzeige als die beste Lösung. Doch dabei gibt es einige Dinge zu bedenken. Straffreiheit genießt nur, wer noch nicht als Steuerhinterzieher erkannt ist. Um das Prozedere abwickeln zu können, benötigt der Anwalt alle Unterlagen des Vermögensverwalters beziehungsweise der Bank. Dafür fallen wieder Gebühren an. Häufig stellt sich dann heraus, dass zumindest ein Teil des Kapitals in Wertpapieren angelegt ist, die von der EU nicht zugelassen sind. Darauf erhebt der deutsche Fiskus eine Strafsteuer. Dazu addieren sich die hinterzogenen Steuern, die innerhalb einer bestimmten Frist überwiesen werden müssen. Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen, hoffen viele Experten und Kontoinhaber, dass sich die Sachverständigen bei ihren Verhandlungen auf eine pauschale Abgabe bei Altbeständen einigen können und damit die Konten mit einem Schlag legalisiert wären.

Lösungen ganz spezieller Natur

Davon betroffen sind vor allem die Sparer, die vielleicht ein paar 100 000 Euro in Zürich deponiert haben. Für die wirklich Reichen mit einem großen Vermögen und die Geldwäscher halten die Banken in den Steueroasen teure Individuallösungen bereit. So erzählt Anwalt Fiala zum Beispiel aus der Praxis: „Man kann für 1000 Euro pro Jahr ein so genanntes Panama-Tarn-Konstrukt als modellhafte Gestaltung von der Stange kaufen und verwalten lassen. Wer sich etwa dann noch einen südamerikanischen Zweitpass zulegt, wird somit oft nicht mehr als Deutscher behandelt – illegal wird dann auch keine Quellensteuer mehr von der Bank einbehalten.“ Oder die Bank bringt das Geld ihrer Kunden in Singapur oder Hongkong unter – gegen saftige Gebühren selbstverständlich.

Wie einfach das geht und wie wenig sich Banken um Politik und Verbote kümmern, beschreibt auch John le Carré in seinem neuen Buch „Verräter wie wir“. In einem Interview mit dem Literaturkritiker Dennis Scheck berichtet er von den Erfahrungen bei der Recherche: „Ich bin etliche Male zu Großbankiers gegangen und habe gesagt, ich bin Herr Rolov, ich komme aus Moskau, hier sind meine Referenzen, mein Gutachten aus Moskau von einem Großbankier. Alle sagen, ich bin ein respektabler Mensch und ich möchte 500 Millionen Dollar bei Ihrer Bank anlegen. Mehr als dreimal habe ich dieselbe Antwort bekommen: ‚We are no policemen, wir sind keine Polizisten.’“ Es hat sich nichts geändert.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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