Gesucht wird: die Strukturreform
„In dem hauptamtlichen Führungstrio sind wir mit dem klaren Ziel angetreten: nicht den Kontakt zur Basis zu verlieren“, subsumierte der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz das grundlegende Verständnis des Vorstandes. „Und wir sind angetreten mit einer klaren Vision: die Mundgesundheit für jedes Lebensalter weiter zu verbessern und darauf hinzuarbeiten, dass Menschen ihre natürlichen Zähne und damit ein hohes Maß an Lebensqualität bis zum Lebensende behalten können. Dafür wollen wir langfristig eine zahnärztliche Versorgung sicherstellen, die wohnortnah, qualitativ hochwertig und präventionsorientiert ist.“
Ein gutes Team
Dass die KZBV dabei insbesondere im Verbund mit den KZVen sehr gut aufgestellt ist, betonte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer: „Die Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesebene hat sich aus meiner Sicht sehr konstruktiv entwickelt, was sich zuletzt insbesondere beim Gesetzgebungsverfahren zum GKV- Finanzierungsgesetz gezeigt hat.“ Aber auch im Vertragsgeschäft gestalte sich das Teamwork immer offener und professioneller. Eßer: „Wir haben unsere Spielräume genutzt und dort, wo wir ein gemeinsames Ziel definiert haben, die Schlagkräftigkeit des KZV-Systems bewiesen.“ Aufgabe des Vorstandes dabei: die vertragszahnärztliche Versorgung im Blick zu behalten sowie Strategien und Verhandlungslinien für die KZVen auszuarbeiten.
„Wir wollten mehr Freiräume schaffen und, wo immer es geht, die verkrusteten GKV-Strukturen aufbrechen, um innovative Ideen in die vertragszahnärztliche Versorgung einzubringen“, führte Fedderwitz aus.
Ein zentrales Ergebnis dieser Anstrengungen: die Festzuschüsse. Das Modell habe allen Vorteile gebracht: den Patienten die sichere Teilhabe am medizinischen Fortschritt, der GKV massive Einsparungen von rund eine Milliarde Euro pro Jahr, den Zahnärzten die Möglichkeit, stärker denn je betriebswirtschaftlich agieren zu können. Fedderwitz: „Heute sind die Festzuschüsse kein Aufreger mehr. Im Gegenteil: Sie haben Modellcharakter. Und nebenbei bewiesen: Kostenerstattung geht!“ Er skizzierte, was die KZBV an großen Projekten durchsetzen konnte:
• Die Festzuschüsse wurden eingeführt,• das Zweitmeinungsmodell wurde etabliert, das neben Infos zu Therapiealternativen die Transparenz und das Vertrauen erhöhen konnte,• das Versorgungskonzept „Perspektive Mundgesundheit“ wurde aufgelegt,• die Altersgrenzen zur Berufsausübung sind aufgehoben,• die Zahnmedizin ist als eigenständiger Versorgungssektor im Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt,• es gibt mehr Spielräume in der Berufsausübung bei Erhalt der freiberuflichen Praxisstrukturen• und es wurde eine gemeinsame Linie im Umgang mit den Selektivverträgen (Paragraf 73 c) entwickelt.
Schlappe Versprechen
Bilanz zog auch Kapferer. Mit dem GKV-FinG habe die Regierung eine grundsätzliche Umsteuerung eingeleitet, erklärte er in seinem Grußwort. „Dieser Einstieg in ein Finanzierungssystem der Nachhaltigkeit sichert die Solidarität und stellt sie auf eine neue Stufe.“ Die drohenden Zusatzbeiträge bei den Krankenkassen verteidigte er als „Preissignal“ und damit als gewünschtes Wettbewerbselement in der GKV. Zu den schlappen Zugeständnissen in Sachen Entbudgetierung und Ost-West-Angleich meinte er, ihm sei bewusst, dass die Zahnärzte von anderen Dimensionen ausgegangen seien.
Die Bundesregierung habe das strukturelle Reformvorhaben jedoch bewusst vom aktuellen Finanzierungsgesetz abgespalten. Kapferer gelobte: „Die Abkopplung von der Grundlohnsumme und das Ende der Budgetierung bleiben auf der Agenda!“ Zu Verschiebungen müsse es nicht kommen, denn schon 2011 werde man das Versorgungsgesetz in Angriff nehmen – dazu gehöre auch dieser Block, inklusive GOZ und Approbationsordnung.
Butter bei die Fische
Mit diesen Versprechungen ließen sich die Delegierten allerdings nicht mehr abfertigen – jetzt heißt es Butter bei die Fische. „Wir haben unser Bekenntnis zum System gegeben“, stellte Fedderwitz klar, „aber das heißt nicht, dass wir an dem tradierten Gefüge festhalten!“ Im Gegenteil: „Wir erwarten, dass die notwendigen strukturellen Veränderungen baldmöglichst vom Gesetzesgeber angegangen werden. Klare Antworten sind hier angesagt!“ Die Zahnärzteschaft werde zunehmend ungeduldig. Auch die Basis frage sich mehr und mehr, warum sie im letzten Herbst überwiegend CDU/CSU oder FDP gewählt habe. Fedderwitz: „Mein Eindruck ist zwar, dass mit dem Regierungswechsel die Ohren zumindest etwas offener geworden sind für unsere Anliegen – ob auch die Herzen, sei dahingestellt.“
Gesellschaftliches Anliegen
Ein Beispiel: die Angleichung der Ostvergütungen an den Westen. Fedderwitz: „Hier geht es nicht um Klientelpolitik, sondern um ein übergeordnetes gesellschaftliches Anliegen, das 20 Jahre nach der Wiedervereinigung selbstredend erledigt sein müsste. Ebenso die Budgets – sie gehören abgeschafft.“ Auch dieses Jahr fehlten Deutschlands Zahnärzten für die Behandlung ihrer Patienten wieder 150 Millionen Euro. „Wer diese Schieflage moniert, wird nach allen Regeln lobbyistischer Kunst fertiggemacht“, kritisierte er. „Wir haben alle in den letzten Tagen lesen können, was passiert, wenn man auf die Seite Eins der Bild-Zeitung kommt. Aber diese Schlagzeilen können uns nicht erschüttern, nein, wir haben in der Presse erfolgreich auf unsere Notlage aufmerksam gemacht.“
Schließlich stelle sich die Frage jedes Jahr unter gleichen Bedingungen: Einzelne Krankenkassen zögen sich mit von vorneherein zu niedrig angesetzten Vergütungssummen aus der Verantwortung und bestraften Proteste mit dem Vorwurf, die KZVen könnten nicht mit Geld umgehen. „Unsinn“, widersprach Fedderwitz. „Keine KZV verschleudert das ihr zur Verfügung gestellte Geld. Hier wird Mangel verwaltet.“ Fakt sei: „Die Systematik ist der Versorgungslage nicht angemessen. Niemand käme auf die Idee, ab einem bestimmten Zeitpunkt auf Gegenwerte zu verzichten. Zahnärzte hingegen sollen genau das tun.“ Er betonte, dass kein Patient vernachlässigt werde oder aufgrund der mangelhaften Leistungen der Krankenkassen Schmerzen zu erleiden habe. Fedderwitz: „Dafür sind wir Zahnärzte!“
Vielmehr müssten die Praxen ihre Patienten auf die Unhaltbarkeit dieser Situation hinweisen, weil sie mit betroffen seien, wenn aufgrund falscher Vergütungssysteme immer wieder Schwierigkeiten aufträten, die die Zuverlässigkeit und Hochwertigkeit der zahnmedizinischen Arbeit erschweren.
Fedderwitz: „Der Ärger gehört dahin, wo es im Argen liegt: bei den unzulänglichen Regelungen im SGB V.“ Eßer bekräftigte: „Die Krankenkassen müssen medizinisch notwendige Leistungen auch bezahlen – und zwar vollständig.“
Konvergenz und Divergenz
„Unser Urteil zum GKV-FinG muss ernüchternd ausfallen“, bilanzierte Eßer weiter. „Die von uns erhoffte grundlegende Reform des zahnärztlichen Vergütungssystems ist ins Stocken geraten.“ Trotz jahrelanger Gespräche und der daraus resultierenden Zusagen seitens der Politik habe die Bundesregierung den Reformstau mit diesem Gesetz nicht aufgelöst.
Eßer: „Mit der neuen Regierung haben wir eine Kehrtwende in der Gesundheitspolitik erwartet, eine Bekämpfung des viralen UllaInfekts mit effektiven Therapiemitteln. Doch statt eines Virustatikums in Form einer umfassenden Reform und eines Aufbaupräparats in Gestalt eines vollständigen Ost-West-Angleichs sind die Beschwerden des zahnärztlichen Vergütungssystems nur mit einem bunten Pflästerchen versehen worden, das uns über die nicht eingehaltenen Zusagen der Politik hinwegtrösten soll.“ Wichtig sei, eine dezidierte Standortbestimmung vorzunehmen.
Die Big Points einer Strukturreform legte er vor diesem Hintergrund wie folgt dar:
• Aufhebung der strikten Budgetierung• Abschaffung der Grundlohnsummenanbindung und damit des alleinigen Primats der Beitragsstabilität• strukturelle Veränderungen der Paragrafen 71 und 85 SGB V• der vollständige Ost-West-Angleich• Vorfahrt für die Kostenerstattung• Stopp der Degression
Wolle man, fragte Eßer, seitens der Regierung womöglich nur mehr Zeit gewinnen und bastele derweil an einem völlig anderen Gesamtkonzept? „Dass die Regierung die Strukturreform verschiebt, obwohl sie die anachronistische Arbeitsweise im KZV-System erkennt, macht doch keinen Sinn – es sei denn, man sieht dahinter eine Blaupause“, analysierte er: „Das Festhalten am Fonds und den zentralistischen Strukturen in der GKV, das Versteifen auf die Selektiv- und Hausarztverträge unter Inkaufnahme der Zerstörung der Selbstverwaltung sowie das Beharren auf dem Basistarif in der PKV inklusive der disparitätischen Besetzung der Schiedsstelle sind jedenfalls Signale, die beispielhaft auf eine beabsichtigte Konvergenz der Versicherungssysteme hindeuten.“
Die letzten News aus Technik und Telematik präsentierte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Günther E. Buchholz. Konkret in der Mache: die papierlose Abrechnung. Buchholz hält diese für „einen wichtigen Schritt in Richtung Modernisierung“. Zu bedenken sei freilich, dass dann künftig die Unterschrift des Zahnarztes entfällt – und damit jede Bestätigung, dass er die Abrechnung überhaupt gesehen hat. Das BGB verlange deshalb bei jenen Verfahren, die nach dem Gesetz eine Unterschrift vorsehen, eine elektronische Signatur. Buchholz: „Mit ZOD – Zahnärzte Online Deutschland – existiert ja schon eine solche von den Zahnärzten selbst entwickelte Signaturkarte, die in ihrer neuesten Version nicht nur den Schutz elektronisch übermittelter Daten gewährleistet, sondern eben auch die papierlose Abrechnung unterstützt und die an uns gestellten Anforderungen erfüllt. Läuft ZOD aus, kann der Zahnarzt mühelos auf den Heilberufsausweis umsteigen.“
Was die elektronische Gesundheitskarte betrifft: Einige Ziele habe die KZBV nicht durchsetzen können, da sie mit fünf Prozent nur eine verschwindend kleine Stimme in der gematik besitzt. Beispielhaft für diese ungleichgewichtigen Verhältnisse: die Abfrage der Versichertenstammdaten.
„Dagegen konnten wir sehr erfolgreich die datenschutzrechtlichen Gefahren verdeutlichen“, betonte Buchholz. „Auch indem wir unermüdlich dafür plädierten, zentrale Datensammlungen zu vermeiden, gelang es uns, die anderen Leistungsanbieter mit einem Grundsatzpapier auf unsere Seite zu bringen.“ Was übrigens dazu geführt habe, dass nunmehr auch in der jüngsten Rechtsverordnung die Testung zentraler Speichermedien festgeschrieben sei. Ein weiterer Erfolg: die nun mögliche Trennung von Kartenterminal und PVS bei der Online- Anbindung.
Neues aus dem BMG
Neues auch beim Basis-Rollout: Hier wurden die Pauschalen vereinbart, die mit 355 Euro etwas niedriger liegen als in Nordrhein. Weil die Marktpreise gesunken sind, fällt laut Buchholz auch die Pauschale für ein mobiles Terminal mit 280 Euro etwas niedriger aus.
Buchholz: „Man darf gespannt sein wie sich das Spiel der Kassen, den Basis-Rollout so nah wie möglich an den Online-Rollout zu schieben, entwickeln wird. Die KBV konnten wir jedenfalls davon überzeugen, dass keine eGK vor dem Abschluss des bundesweiten Basis-Rollouts ausgegeben wird.“