Zeit für neue Wege
Der politische Wille der Delegierten auf der Bundesversammlung in Frankfurt war unmissverständlich: „Die Zahnärzte können die zahnärztlichen Versorgung in Deutschland nur in Freiberuflichkeit gewähren. Für eine unabhängige Berufsausübung müssen Diagnose und Therapie frei von staatlichen Vorschriften und frei von wirtschaftlichen Interessen berufsfremder Kapitalgeber sein. Vielmehr dürfen sie sich ausschließlich nach dem wohl verstandenen Interesse der Patienten richten“, formulierten sie ihr oberstes Ziel in ihrem Leitantrag. Sie sprachen sich ferner für die freie Arztwahl und die vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung aus. Die solidarische Ab- sicherung einer Pflichtversicherung müsse sich auf wesentliche Gesundheitsrisiken beschränken, versicherungsfremde Leistungen müssten aus der Solidarversicherung eliminiert werden, dem Versicherten zuzumutende Leistungen müssten in den Bereich der Eigenverantwortung unterstellt werden. Nach dem Willen der Delegierten sollte das anonyme Sachleistungssystem auf transparente Direkt- abrechnung mit Kostenerstattung umgestellt werden, die Selbstverwaltung müsse im Sinne der Subsidiarität gestärkt werden.
Versammlungsleitung neu
Bevor es aber an die eigentliche Tagesordnung ging, standen erst einmal Wahlen an: Dr. Hans Hermann Liepe (Niedersachsen) wurde zum neuen Leiter der Bundesversammlung gewählt. Neu sind auch seine beiden Stellvertreter Dr. Kai Voss (Schleswig-Holstein) und Dr. Wolfgang Grüner (Baden-Württemberg). Nachdem die bisherigen Versammlungsleiter Dr. Rainer Jekel, Dr. Klaus Bartling und Dr. Eberhard Steglich im Sommer von ihren Ämtern zurückgetreten waren, wurden die Neuwahlen erforderlich. In den Wahlausschuss bestimmten die Delegierten Sabine Dudda, Geschäftsführerin der Kammer Sachsen, RA Reinhard Biker, Geschäftsführer der Kammer Berlin, Dr. Markus Schulte, Hauptgeschäftsführer der Kammer Hessen, und Dr. Sebastian Ziller, Leiter der Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung der BZÄK.
BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel ging in seinem Bericht kritisch auf die aktuelle Gesundheitspolitik ein. Zwar plane die Regierung mit dem GKV-Finanzierungs- gesetz eine nachhaltige und sozial ausgewogene Finanzierung der GKV mit einem schrittweisen Übergang von einem eher planwirtschaftlichen zu einem marktwirtschaftlich geprägten Gesundheitswesen, dennoch seien aus Sicht der Zahnärzte etliche Elemente nicht stimmig. Engel hob die erneute Verschiebung des vollständigen Honorarausgleichs Ost-West als völlig unverständlich hervor. Kritisch sah er auch die jetzt in der Diskussion befindliche Einführung einer Kostenerstattung, die (noch) nicht das Modell widerspiegele, was sich bereits im zahnärztlichen Bereich bewährt habe. Energisch erwehrte er sich des Begriffs der „Vorkasse“ und der „Drei-Klassen-Medizin.“
Ein Kernanliegen des Berufsstandes sei die Novellierung der GOZ. Engel gab einen Sachstandsbericht über die Verhandlungen und avisierte den Abschluss der fachlichen Vorarbeiten für Ende des Jahres. Dabei machte er die Position der BZÄK klar: „Es ist unsere Pflicht und Aufgabe, durch sozial- und gesundheitspolitische Interessenvertretung für Rahmenbedingungen einzutreten, die eine freie Berufsausübung und die Wahrnehmung der Selbstbestimmung der Patienten gewährleisten. Diese Aufgabe bestimmt das Maß der Kompromissbereitschaft maßgeblich.“ Vehement sprach sich Engel gegen eine Öffnungsklausel aus, egal in welcher Form: „Für die Bundeszahnärztekammer kündige ich hiermit den sofortigen Rückzug aus allen Verhandlungen und Gremien an, sollte die Politik und vor allem das Bundesgesundheitsministerium die Einführung einer Öffnungsklausel tatsächlich ins Auge fassen.“
Was ein weiteres wichtiges Anliegen der Zahnärzte, nämliche die Novellierung der Approbationsordnung, betrifft, sieht Engel „Licht am Ende des Tunnels“. Zentrale Forderungen des Berufsstandes wie die Neugewichtung der Ausbildungsinhalte oder die Verbesserung der Betreuungsrelationen beim Unterreicht seien aufgenommen worden. Der Haken sei, dass die Reform erst 2016 in Kraft treten solle, bis dahin seien etliche Inhalte möglicherweise bereits wieder überholt. Erschwerend kämen Probleme wie der Umgang mit doppelten Abiturjahrgängen hinzu.
Der BZÄK-Präsident nahm Stellung zu einer Vielzahl weiterer Themen wie etwa der europäischen und internationalen Zusammenarbeit oder zum aktuellen Sachstand in der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung. „Wir müssen ideologiefrei und frei von Eigeninteressen klare Entscheidungen treffen“, so sein Fazit. „In Zukunft werden die Probleme im Gesundheitswesen noch gravierender werden. Das Gesundheitssystem darf nicht explosionsartig gegen die Wand fahren.“
AuB-Konzept
Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich ging in seinem Bericht auf das gemeinsam mit der KZBV und den wissenschaftlichen Fachorganisationen erarbeitete Konzept zur vertragsärztlichen Versorgung von Pflege- bedürftigen und Menschen mit Behinderungen (AuB-Konzept) ein. Ziel sei ein „eigenes Versorgungskonzept“ zur Verbesserung der Lebensqualität, der Integration und sozialen Akzeptanz dieser Menschen sowie deren Teilhabe am medizinischen Fortschritt. Die entsprechende Arbeit zur Umsetzung mit zahlreichen politischen Gesprächen sei inzwischen angelaufen. Ferner verwies Oesterreich auf den Report „Rauchen und Mundgesundheit“, den die BZÄK zusammen mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum herausgegeben hat. Der Zahnarzt mit seiner Vielzahl an Patientenkontakten solle mit seinem Team an Raucherentwöhnungsprogrammen beteiligt werden. Begleitend dazu haben beide Organisationen eine breite Pressearbeit geleistet. Ein weiteres wichtiges Anliegen des Vizepräsidenten war der Hinweis auf die zahlreichen sozialen Hilfsprojekte in der Zahnärzteschaft. Als Beispiele nannte er das Hilfswerk Deutscher Zahnärzte, die Stiftung Zahnärzte ohne Grenzen, die Arzt- und Zahnarzthilfe Kenia und die Initiative „Special Olympics.“
Musterweiterbildung
Über den Stand zur BZÄK-Musterweiterbildungsordnung (MWBO) Kieferorthopädie und Oralchirurgie informierte Vizepräsident Dr. Michael Frank. Zielvorgaben für die Überarbeitung seien die Definition der theoretischen und praktischen Inhalte unter Berücksichtigung europäischer Standards, eine Zuordnung der Inhalte nach European Credit Transfer System (ECTS) und die Modularisierung gewesen. Auf Grundlage dieser Vorgaben habe der BZÄK-Weiterbildungsausschuss seine Arbeit verrichtet, unter Einbindung und Abstimmung der Länderkammern und der beiden Fachorganisationen. Die MWBO soll in der nächsten BZÄK-Vorstandssitzung endgültig abgestimmt werden. Zu den wesentlichen Merkmalen gehören unter anderem folgende Punkte: Der Beginn der Weiterbildung kann erst nach der Approbation begonnen werden, Weiterbildung auf Vollzeitbasis umfasst mindestens drei fachspezifische Jahre, theoretische Lerninhalte einer strukturierten curriculären Fortbildung können angerechnet werden und europäische Vorgaben zur fachzahnärztlichen Qualifikation werden eingebunden.
Frank verwies in seinem Bericht weiterhin auf die beginnende Pilotphase des Fehlerberichts- und Lernsystems für Zahnarztpraxen der Zahnärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung (zzq).
Vielzahl von Beschlüssen
Das Plenum griff in seinen Debatten aktuelle politische Themen und diverse Schwerpunkte der Präsidentenberichte auf. Dazu gehörten vor allem ausführliche kritische Stellungnahmen zum GKV-Finanzierungsgesetz, zur GOZ, zum Basistarif, zur Kostenerstattung und zur Weiterbildung. Im Anschluss manifestierten die Delegierten ihren politischen Willen in zahlreichen Beschlüssen, die teilweise auch deckungsgleich mit der KZBV-Vertreterversammlung am Vortag erfolgten. Hier eine Auswahl der wichtigsten Aussagen in gestraffter Form:
• Die BZÄK begrüßt das Koalitionsvorhaben, bestehende Patientenrechte in einem Gesetz zu bündeln, warnt aber vor einer Defensivmedizin zu Lasten der Patienten.• Votiert wird für eine Liberalisierung der Kostenerstattung (Vorfahrt statt Vorkasse).• Die vertragszahnärztliche Versorgung behinderter und pflegebedürftiger Menschen soll in einen eigenen Leistungsbereich aufgenommen werden.• Die disparitätische Besetzung der Schiedsstelle zum Basistarif (gemäß § 75 Abs. 3 c SGB V) soll beseitigt werden.• Das Budget für zahnärztliche Leistung soll abgeschafft werden, als Sofortmaßnahme werden die Kassen zur Aufstockung des Budgets aufgefordert.• Die Freiberuflichkeit soll national wie europäisch gesichert werden.• Der Verordnungsgeber wird aufgefordert, bei der GOZ-Novellierung den im Dienstleistungskodex des Statistischen Bundes- amtes nachgewiesenen Anstieg der betriebswirtschaftlichen Kosten seit 1988 vollständig in die Honorar einfließe zu lassen. Jegliche Budgetorientierung sei unangebracht und systemfremd.• Eine Öffnungsklausel in der GOZ wird strikt abgelehnt.• Der Akademisierung von Aus- und Fortbildung des zahnärztlichen Hilfspersonals wird eine Absage erteilt, ebenso der Substitution zahnärztlicher Leistungen an nicht zahnärztlich Approbierte.
In den Beratungen über den Haushalt wurde dieser als ausgeglichen festgestellt und dem Vorstand Entlastung erteilt. Für die gute und reibungslose Organisation der Versammlung sorgten die gastgebende Kammer Hessen und das Team der BZÄK-Verwaltung.
Die politischen Beschlüsse sind im Wortlaut unterwww.bzaek.de/deutscher-zahnaerztetag.htmleingestellt.