Land der Bewegungsmuffel
Der DKV-Vorstandsvorsitzende Günter Dibbern schilderte zu Beginn der Pressekonferenz die Beweggründe für die Studie: „Es liegt auf der Hand, das Deutschland ein erhebliches Problem mit Adipositas hat.“ Die mit der chronischen Gesundheitsstörung verbundenen Kosten liegen in Deutschland nach Schätzungen bei acht bis zwanzig Milliarden Euro pro Jahr. Ein gesunder Alltag könne viele Krankheiten verhindern. Dibbern: „Die DKV sieht sich mit in der gesellschaftlichen Verantwortung.“
Die Methode
Die GfK Nürnberg sprach von März bis April 2010 in einer repräsentativen Telefonbefragung mit 2 509 Personen. Die Auswertung erfolgte nach Bundesländern und Regionen. Das Ziel: die Erhebung des Gesundheitsverhaltens der deutschen Bevölkerung. Unterschieden wurden fünf Themenbereiche mit jeweils einer zu erreichenden Benchmark (Referenzwert, siehe Abbildung 1). Zur Erklärung: Beim Thema Bewegung gilt als Benchmark die Aktivitätsempfehlung der WHO, sprich fünfmal 30 Minuten Bewegung pro Woche. Beim Thema Ernährung wurden die zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) als Benchmark gesetzt (siehe Kasten).
Nur 13,9 Prozent der Befragten erreichten die gesetzten Benchmarks in allen Bereichen und leben somit rundum gesund. Mehr als 40 Prozent erreichten nicht einmal die Mindestempfehlung an Bewegung. Aber: Jeder Dritte würde sich körperlich mehr bewegen, wenn er dafür eine finanzielle Belohnung von 100 Euro erhielte. Wenn Freunde mitmachten, würde das schon 68 Prozent der Befragten motivieren. Die meiste körperliche Aktivität fällt bei der Arbeit an. Bei den Hauptschulabsolventen sind es 50 Prozent. Andererseits betreibt jeder zweite Hauptschüler keine Freizeitaktivität. Das sei deshalb problematisch, weil bei der Arbeitsaktivität oft zu wenig Reize gesetzt würden, erklärte Prof. Ingo Froböse, Leiter des Zentrums für Gesundheit an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Wirksame Impulse in Bezug auf die Energieverbrennung und den Muskelaufbau blieben somit aus. Bei den Abiturienten betreibt dagegen jeder zweite eine Freizeitaktivität (37 Prozent Arbeitsaktivität). Im Vergleich der Bundesländer liegen die Sachsen beim Thema „Körperliche Aktivität“ an der Spitze, 69 Prozent erreichten die Benchmark. An letzter Stelle liegen die Hamburger. Nur 49,5 Prozent bewegen sich ausreichend.
Die Ernährung war ein zweites großes Thema. Über 50 Prozent der Befragten ernähren sich nicht ausgewogen. Bei den unter 30-Jährigen leben sogar nur sieben Prozent rundum gesund. Froböse: „Wir müssen bei der Gesundheitsförderung stärker auf die Jugendlichen und jungen Erwachsenen blicken.“ Für ihn gelte aber: „Lieber moppelig und fit, als dünn und unfit.“ Im Geschlechtervergleich ernähren sich Frauen gesünder. 74,6 Prozent der weiblichen Teilnehmer gaben an, täglich Obst und Gemüse zu essen. Bei den Männern sagten das 56,6 Prozent. Aber: Frauen essen mehr Süßes. Täglich konsumieren 28,3 Prozent der Frauen Kekse und Co. Nur zwölf Prozent aller Befragten halten die „Nimm 5 am Tag“-Regel ein. Froböse regte an, die Regel zu modifizieren: „Wenn eine Regel nicht funktioniert, muss man sie überdenken“, sagte der Sportwissenschaftler. Erstaunlich: Bis zu einem Alter von 65 Jahren ernährt sich jeder zweite Deutsche ungesund. Dagegen erfüllen 60,5 Prozent der über 65-jährigen die Benchmark „Ernährung“. Ein Blick auf die Länder zeigt, dass Thüringen an der Spitze liegt (55,4 Prozent). Die „Currywurstländer“ Berlin und Nordrhein-Westfalen schneiden mit jeweils gut 43 Prozent am schlechtesten ab und ernähren sich somit am ungesündesten.
Die Handlungsoptionen
Dibbern und Froböse forderten eine nationale Gesundheitsstrategie für Deutschland. Die Gesundheitsförderung sei ein zentrales Zukunftsthema. Der DKV-Chef regte einen nationalen Gesundheitsrat an. Dessen Aufgabe solle sein, der Politik kraftvolle Impulse zu geben. Konkrete Handlungsfelder lägen etwa in den Bereichen Städteplanung (Radwegenetz), Schule (Bewegung in den Pausen), Kita („Draußen-Tage“) oder Ärzteschaft (Springseile statt Gummibären verschenken).
Fazit
Fast die Hälfte der Deutschen bewegt sich zu wenig. Genau die Hälfte hat Defizite bei der Ernährung. Lösungsvorschläge stehen unter dem Motto: „Essen und Trimmen – Beides muss stimmen“. Um die Menschen stärker zu motivieren, müssten unter dem Dach einer nationalen Gesundheitsstrategie Anreize geschaffen werden. Dogmen und Verbote seien der falsche Weg. Das Ziel: Bewegungsförderung und gesunde Ernährung als Konstanten des Alltags. sf