Gastkommentar

Wettbewerb – unentschieden

Die Diskussion um die Hausarztverträge zeigt: Die CDU muss sich endlich der Frage stellen, was sie eigentlich unter Wettbewerb versteht. Derzeit besteht die Handlungsmaxime in einem unentschiedenen Weder – Noch, meint Gisela Broll, Gesundheitspolitik- Fachjournalistin aus Berlin.

„Weder – Noch“, weder uneingeschränkte Unterstützung – noch rigorose Beseitigung, so könnte man das Vorgehen der Regierungskoalition werten, Neuregelungen im Bereich der hausarztzentrierten Versorgung mit dem GKV-Finanzierungsgesetz zum 1. Januar 2010 einzuführen. Die gesundheitspolitischen Spitzen der Koalitionäre haben Mitte August beschlossen, im Rahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes dieses selektivvertragliche Format nach § 73b Sozialgesetzbuch V an den für die kollektivvertragliche hausärztliche Versorgung geltenden Vergütungen zu „orientieren“. Die Verträge sollen dem Kuratel der Beitragssatzstabilität unterliegen, höhere Vergütungen sollen sich aus den durch die Maßnahmen des Vertrags ergebenden nachgewiesenen Einsparungen und Effizienzsteigerungen speisen. Eine Vorlagepflicht der Verträge nach Vertragsabschluss auch für das Bundesversicherungsamt wird eingeführt.

Die vehement ablehnende Reaktion des Deutschen Hausärzteverbands (DHÄV) ist allzu verständlich. Zwar hat die Regierung mit den beabsichtigten Neuregelungen keineswegs „blank“ gezogen, denn wichtige Verträge sind abgeschlossen oder vor dem Kabinettsbeschluss zur GKV-Finanzentwicklung rechtsgültig „durchgeschiedst“. Weiterhin kann der DHÄV ein Alleinvertretungsrecht geltend machen, wenn über 50 Prozent der Allgemeinmediziner einer Region ihn beauftragen.

Die stattliche Summe an Einsparungen von bis zu 500 Millionen Euro, also bis zu einem halben Beitragssatzpunkt, verspricht sich die Bundesregierung von dieser Maßnahme. Dem DHÄV geht es in erster Linie aber nicht um dieses Geld – für Sparmaßnahmen sei er offen, betont er. Seiner Auffassung nach führen die angekündigten strukturellen Änderungen hin zu einer „Verstaatlichung der Medizin“, die den „Wettbewerb eliminiere“. Es stimmt, die Selektivverträge der hausarztzentrierten Versorgung werden ihrer nahezu ungebremsten Freiheit beraubt. Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt förderte diese in besonderer Weise, da der Weg in eine primärärztlich dominierte ambulante Versorgung ihren gesundheitspolitischen Vorstellungen entsprach.

Die vom DHÄV angesprochenen „Wettbewerbs“-Fragen, die sich in Zusammenhang mit der hausarztzentrierten Versorgung stellen, berühren tatsächlich damit verbundene gesundheitspolitische Vorstellungen. Das erschwert das unangetastete Fortleben der derzeitigen Regelung erheblich. Die Kanzlerin ließ Schmidt weitgehend gewähren, zumal der CSU-Vorsitzende und heutige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer der derzeitigen Regelung des § 73b SGB V zusammen mit Schmidt handstreichartig ins Gesetz verholfen hatte. Auch während der schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen zeigte sich, dass die bayerische CSU nicht bereit war, die Regelung einfach fallen zu lassen.

Die Gesundheitsexperten der CDU-Bundestagsfraktion unter der Führung von Jens Spahn sowie Rolf Koschorrek zeigen in der schwarz-gelben Koalition ein neu erstarktes Selbstbewusstsein, ihre gesundheitspolitischen Positionen durchzusetzen. In Hinblick auf die Umgestaltung der hausarztzentrierten Versorgung gehen sie wohl weitgehend kongruent mit den Ansichten der Führungsspitze des BMG. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler sieht sich nach eigenem Bekunden in der Rolle des Förderers der Hausärzte, versucht aber offensichtlich, wo immer möglich, die Stellschrauben des Gesundheitssystems so zu drehen, dass die Verwirklichung ‚liberaler‘ Interessen möglich wird.

Die CDU wird zwischen den Polen von CSU und FDP zunehmend mit der Frage konfrontiert, was sie denn eigentlich unter ‚Wettbewerb‘ im Gesundheitswesen versteht. Die Beantwortung hat sie in der vergangenen Legislatur Ulla Schmidt – und Horst Seehofer? – weitgehend überlassen. „Weder – Noch“ ist deshalb anscheinend die Handlungsmaxime, nicht nur in Sachen hausarztzentrierter Versorgung. Der DHÄV sollte mit seinen Anwürfen und Kampagnen nicht überziehen. An der Gesundheitspolitik hat sich schon mancher verhoben. Nicht, dass „Röslerol“ noch in die Kontraindikation für den Verband führt.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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