Konservierende Zahnmedizin

Selbst-ätzende Ein-Flaschen-Adhäsive: praktisch – aber auch wirksam

Heftarchiv Zahnmedizin
Das Ziel der vorliegenden Studie war zu untersuchen, ob die Produkte der selbst-ätzenden Ein-Schritt-Adhäsive tatsächlich als vorteilhaft in der Anwendung im Vergleich zu den Mehr-Schritt-Adhäsiven einzuschätzen sind.

Im Vergleich zu den Etch&Rinse-Adhäsiv-Systemen werden den selbst-ätzenden Adhäsiv-Systemen einige Vorteile zugeschrieben wie geringe Techniksensibilität und schnellere Arbeitsweise, weil die Arbeitsschritte des Anätzens mit Phosphorsäure und des anschließenden Absprühens wegfallen. Weiterhin wird das Kollagennetzwerk zeitgleich mit der Demineralisation von Monomeren durchdrungen, wodurch sich eine optimal infiltrierte Hybridschicht bilden müsste. Schließlich werden auch weniger postoperative Sensibilitäten erwartet, weil durch milde selbstätzende Adhäsivsysteme Hydroxylapatit-Kristalle an der Dentinoberfläche zurückbleiben für eine mögliche chemische Bindung und die Schmierschicht-Pfropfen nicht wie bei einer Phosphorsäure-Ätzung herausgelöst werden, so dass weniger Dentinliquor-Fluss zu einer Reizung der A-delta-Fasern führen sollte.

In der Entwicklung der Adhäsivsysteme wurde auch bei den selbst-ätzenden Produkten zunächst die Zwei-Schritt-Applikation, also die getrennte Applikation eines Primers und eines Adhäsivs (auch Bonding genannt), angeboten, um dann sogenannte All-in-one-Adhäsive zu entwickeln, die aus Monomerlösungen bestehen, die alle vorbereitenden Arbeitsschritte – ätzen, primen und bonden – in einem erfüllen können. Diese werden sowohl als Zweiwie auch seit Kurzem als Ein-Komponenten-Produkte angeboten. Sie können somit direkt aus der Flasche zur Anwendung gebracht werden.

Dazu wurden in der vorliegenden Untersuchung

• die Haftwerte zum Schmelz und Dentin im Mikro-Zugfestigkeitstest bestimmt,• die Kontaktflächen der Adhäsive zu den Zahnhartsubstanzen im Transmissions-Elektronenmikroskop ausgewertet und• die Arbeitsschritte der verschiedenen Produkte in ihrem zeitlichen Aufwand und bezüglich ihrer Technik-Anfälligkeit beurteilt.

Es wurden dazu neun selbstätzende Ein-Schritt-Adhäsive, davon zwei (Adper Prompt L-Pop und Xeno III), die für die Applikation angemischt werden müssen, und die bereits gebrauchsfertig angebotenen Produkte Absolute, Clearfil Tri-S Bond, G-Bond, Hybrid Bond, iBond GI, One-up Bond F Plus und OptiBond All-inone getestet. Verglichen wurden die Ergebnisse mit denen von Produkten, die in der wissenschaftlichen Literatur als sogenannter Goldstandard eingeschätzt werden, Clearfil SE-Bond, ein „Zwei-Schritt selbst-ätzendes“ Produkt, und OptiBond FL, ein „Drei-Schritt Etch&Rinse-Adhäsiv“.

Die Haftwerte des Etch&Rinse-Kontroll-Adhäsivs zeigten zwar die höchsten Werte, waren aber im Schmelz im Vergleich zu den Ergebnissen nur für Absolute und OptiBond AIO, im Dentin nur zu den Resultaten für Absolute und iBond GI statistisch signifikant unterschiedlich. Das bedeutet, dass die Haftwerte für die klinisch bewährten Kontroll-Adhäsive (OptiBond FL und Clearfil SE Bond) zu den Resultaten der anderen Ein-Schritt-ein-Flaschen-Adhäsive als gleichwertig einzuschätzen sind. Dies wird allerdings von den Autoren auf die große Anzahl der getesteten Produkte zurückgeführt, weil dadurch bei der statistischen Berechnung durch die vielen Vergleiche die Trennschärfe verloren geht.

Die Verbundzone zwischen Adhäsiv und Dentin war innerhalb der getesteten Adhäsivgruppen sehr unterschiedlich in Abhängigkeit von der Zusammensetzung und dem Säuregrad der jeweils eingesetzten Adhäsive. Die komplexe Mischung verschiedener Monomere in einem sauren Milieu stellt für die Ein- Schritt-ein-Flaschen-Adhäsive ein besonderes Problem dar, da es während der Applikation durch das Verdunsten der Lösungsmittel leicht zu einer Phasenseparation der Monomergemische kommen kann. Um dies zu verhindern, müssen manche Systeme kräftig verblasen werden, wodurch eine sehr dünne, aber auch durch Sauerstoff inhibierte Adhäsivschicht entstehen kann, deren geringere Konversionsrate (Vernetzungsgrad) kritisch gesehen wird. Der pH-Wert eines Adhäsivs an sich lässt noch keine Rückschlüsse auf deren Wirksamkeit in der Haftung zum Schmelz in dem Sinne zu, dass saurere Lösungen eine bessere Ätzung und damit höhere Haftwerte erreichen können. So sind die Mikro-Zugfestigkeitstest- Werte von Clearfil Tri-S Bond höher als die für Adper Prompt L-Pop und Xeno III, obwohl es zu den milden selbstätzenden Adhäsiven (pH ~ 2) gehört.

Es wird in der Diskussion der Studie herausgestellt, dass die mechanischen Eigenschaften der Adhäsive bedingt durch deren Monomerstrukturen und deren Vernetzung durch die Aushärtung höheren Einfluss auf die Haftwerte haben als der Säuregrad. Aus der Tatsache, dass für die beiden Adhäsivsysteme Adper Prompt L-Pop und Xeno III, die beide vor der Applikation angemischt werden müssen, relativ große Standardabweichungen der Resultate und hohe Zahlen an Verlusten vor der Testung der Probenkörper im Mikro-Zugfestigkeitstest auftraten, schließen die Autoren auf eine höhere Tech- nik-Sensibilität als für die Ein- Schritt-ein-Flaschen-Adhäsive.

Die Auswertung der Transmissions- Elektronen-Mikroskopie zeigt in hoher Auflösung drei unterschiedliche Strukturen von Hybridschichten in Abhängigkeit vom pH-Wert der sauren Monomerlösungen. Die Dicke der Hybridschicht (von Monomeren durchdrungene Kollagennetzwerkstruktur) variiert dabei von 300 nm bis hin zu 5 000 nm (5 μm), korreliert aber nicht mit den Haftwerten für die entsprechenden Adhäsive. Alle getesteten Adhäsive, also auch die Kontrollgruppen, zeigten Hinweise auf Nanoleakage. Dies bedeutet, dass alle Adhäsive zu einem gewissen Ausmaß permeabel für Wasser sind. Eine quantitative Aussage zum Nanoleakage war wegen der sehr inkonstanten Silberablagerungen in den Proben in dieser Studie nicht möglich.

Die über der Hybridschicht liegende Adhäsivschicht variiert ebenfalls stark, bedingt durch unterschiedliche Applikationsweisen. Wenn das aufgetragene Adhäsiv mit dem Luftbläser entsprechend der Arbeitsanleitung stark verblasen wird, ergeben sich Schichtstärken von 10 μm, während bei den Kontroll-Adhäsiven Schichtdicken von circa 50 μm gemessen wurden. Bedenken werden daher bei den Ein- Schritt-ein-Flaschen-Adhäsiven bezüglich der sicheren Aushärtung der Adhäsivschicht geäußert, die durch Sauerstoff beeinträchtigt werden kann.

In den lichtmikroskopischen Untersuchungen der applizierten Ein-Schritt-ein-Flaschen-Adhäsive zeigten diese unterschiedliche Tröpfchenbildung während der Applikationsphase in Abhängigkeit von der Hydrophilie der jeweiligen Adhäsive. So kam es beim HEMA-freien G-Bond zu einer Phasenseparation, während die HEMA-haltigen Adhäsivsysteme Clearfil Tri-S-Bond und Xeno III Tröpfchenbildung durch Osmose zeigten. Hybrid Bond, Absolute und iBond GI zeigten beide Phänomene. OptiBond AIO fiel durch Clusterbildung der Füllerpartikel auf.

Die Applikationszeiten der getesteten Adhäsive wurden für jeden einzelnen Arbeitsschritt gemessen und zusammengestellt. Die Auswertung ergab Zeiten von circa 36 s (G-Bond, One-up Bond F Plus, Absolute) für die „schnellsten“ Adhäsive, 42 und 44 s für Hybrid Bond und Clearfil Tri-S-Bond, sowie eine Gruppe von 55 bis 60 s (Xeno III und Adper Prompt L-Pop), zu der auch das Zwei-Schritt selbst-ätzende Produkt Clearfil SE Bond gehört. Längere Applikationszeiten von 71 beziehungsweise 76 s werden für OptiBond AIO und iBond GI benötigt, wobei das Etch&Rinse- Kontrollprodukt OptiBond FL natürlich mit 113 s für eine sachgerechte Applikation am längsten benötigt.

Die Autoren ziehen aus ihrer Studie folgende Schlüsse:

• „Simplifizierte“ Adhäsivsysteme sind nicht notwendigerweise auch als verbessert einzuschätzen.• Bezüglich des Applikationsaufwands stellen nicht alle Ein- Schritt-ein-Flaschen-Adhäsive eine deutlich bessere Alternative zu den Mehr-Schritt-Adhäsiven dar.• Vor allem die Tröpfchenbildung und deren Einfluss auf die Langzeit- Wirksamkeit der getesteten Adhäsivsysteme werden sich erst nach entsprechenden In-vitro-, aber vor allem nach klinischen Studien endgültig zeigen.

Quelle: Van Landuyt KL, Mine A, De Munck J, Jaecques S, Peumans M, Lambrechts P, Van Meerbeek B. Are one-step adhesives easier to use and better performing? Multifactorial assessment of contemporary one-step self-etching adhesives. J Adhes Dent 2009;11:175-190.

OA Dr. Uwe BlunckCharité-Universitätsmedizin BerlinCharitéCentrum 3 für Zahn-,Mund- und KieferheilkundeAbt. für Zahnerhaltungskundeund ParodontologieAßmannshauser Str. 4-614197 Berlinuwe.blunck@charite.de

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